Gaddafi und seine Ambitionen

Von Esther Saoub · 16.06.2010
Nach Jahren des begeisterten Einsatzes für Arabien und für Afrika blickt der libysche Staatschef Mummar al-Gaddafi nun vor allem in Richtung Westen. Und auch der Westen kommt ihm entgegen.
Das ist die Rolle, in der sich Gaddafi gefällt: Umringt von drei Ministerpräsidenten aus Italien, Malta und Slowenien, und den Außenministern Spaniens und der Schweiz sitzt er in seinem Zelt in Tripolis. "Herzlich und jovial" sei es zugegangen, berichtet später der Malteser. Man hoffe auf weitere Treffen und neue Kooperationsabkommen.

In derselben Nacht fliegt ein Schweizer Geschäftsmann nach Hause, der zwei Jahren in Libyen festgehalten wurde. 1,5 Millionen Dollar Entschädigung soll die Schweiz gezahlt haben, teilt Libyens Außenministerium mit. Außerdem werde untersucht, warum 2008 nach der Festnahme von Gaddafis Sohn Hannibal in Genf Fotos an die Presse gelangen konnten. Ein Sieg für Gaddafi.

Ähnlich wie vor einem Jahr: Damals kehrte der Attentäter von Lockerbie aus Schottland nach Hause zurück. Jahre vorher jedoch hat Gaddafi ihn ausgeliefert und Entschädigungen an die Opfer gezahlt: Das war seine Eintrittskarte in den Westen. In diesen Tagen kommen weitere Milliarden dazu: für britische Familien, die bei Anschlägen der IRA in den Neunzigern zu Schaden kamen: denn der Sprengstoff damals stammte aus Libyen.
Die Zeiten, in denen Gaddafi Pate stand, bei allen, die seiner Meinung nach für die Freiheit kämpften, sind vorbei. Heute geht es ihm um Öl und Gas, und um Migranten, die er daran hindern soll, sich von der libyschen Küste aus nach Europa einzuschiffen.

Nach Jahren des begeisterten Einsatzes erst für Arabien, dann für Afrika schaut Gaddafi nun in die andere Richtung, übers Mittelmeer. Am Wochenende war daher noch ein Gast in Tripolis: Griechenlands Premier Papandreou. Ihm wird Gaddafi finanziell unter die Arme greifen, im Gegenzug unterschrieben die beiden umfangreiche Kooperationsvereinbarungen. Oberst Gaddafi ist auf Westkurs, und der Westen kommt ihm entgegen.