Fundgrube für Kokolores

06.12.2010
Nach "Prototyp" und "Archetyp" ist "Antityp" der abschließende dritte Teil der Bibel-Trilogie des Comiczeichners Ralf König. Darin persifliert er Paulus von Tarsus, den Missionar des Urchristentums, der bei ihm auf ganzer Linie scheitert.
Adam und Eva hat er schon als die "beiden Strunzendoofen" dargestellt, das war in den Augen mancher sein erster Sündenfall. Danach war Noah an der Reihe, bei Ralf König ein die Verderbnis anprangender Fundamentalist, der Sodom und Gomorrha zutiefst verabscheut und dennoch ganz gern mal dort vorbeischaut. Und nun widmet sich König im abschließenden dritten Teil seiner genialen Bibel-Trilogie persiflierend-karikierend Paulus von Tarsus, dem Missionar des Urchristentums, der allerdings auf ganzer Linie scheitert. Wie immer bei Ralf König gehen auch in "Antityp" Wort- und Bildwitz Hand in Hand.

Als gute alte Bekannte erneut mit von der Partie ist die böse Schlange Luzifer. Sie erweckt im sündigen Saulus den gottesfürchtigen Paulus, der sich fortan durch die Lande "apostelt" und die Botschaft vom auferstandenen Jesus verkündet. Als historische Vorlage dient König die Reise des Paulus von Tarsus in den östlichen Mittelmeerraum, von der seine Korintherbriefe Zeugnis ablegen. Bei König werden daraus die "Briefe an die Kokoloren" – das Neue Testament ist ihm nur mehr Fundgrube von lauter Kokolores. Ob in Lystra, Beröa oder in Athen, überall wird Paulus verlacht. "Klein und vergrätzt" keift, zetert und predigt sich hier ein lustfeindlicher Prophet in Rage – und es ist hochkomisch, wie er gerade an den Knaben liebenden Griechen verzweifelt.

In vielen die Bibel paraphrasierenden oder wörtlich zitierenden Passagen erweist sich König, häufig als "Meister der Knollennasen" unter Wert gepriesen, als exzellenter Kenner der Materie, die er gnadenlos und intelligent durch den Kakao zieht. "Bist Du ein Philosoph?", fragen Paulus die auf Vernunft setzenden Griechen, und er erwidert entsetzt im besten Luther-Deutsch: "Was?! Das sei ferne! Nein!".

Man kann diesen Comic lesen als die perfekte Illustration eines Satzes von Sören Kierkegaard aus den Berliner Tagebüchern: "Der Glaube ist darum, was die Griechen den göttlichen Wahnwitz nannten." Schaudernd muss der eifernde Missionar gewärtigen, dass den Hellenen eher nach einem schwulen Gang-Bang-Gelage zumute ist als nach dem Gerede "religiöser Spinner". "Christus steht für die Überwindung des Todes und die Vergebung der Sünden", verspricht Paulus inbrünstig bebend und erhält flugs zur Antwort: "Dionysos steht für Überwindung des Todes und geile Party." In Heinz-Erhardt-Manier dichtet König weiter: "Die Lehre von dem Schöpfergott / brachte Erheiterung und Spott, / und dass man Tote lebend macht, / da haben die sich totgelacht." Weil Paulus als "wandelnder Staublappen" gar zu beklagenswert wirkt, peppt ihn kurz vor seinem entscheidenden Auftritt auf dem Areopag eine Tunte modisch auf, die an den "Pompöös"-Designer Harald Glööckler gemahnt. Sie setzt ihm eine zur Mitra umfunktionierte Narrenkappe auf.

Wie schon in "Prototyp" und "Archetyp" zürnt in "Antityp" Gott nur in Fraktur. Und dann muss Paulus auch noch in einer "uralten Schriftrolle", gefunden "bei Alexandria im Grab eines ägyptischen Frisörs unter dem Tisch mit den Illustrierten", lesen, dass Moses den Herrn am Berg Sinai vergeblich um neue Gebote anflehte – Gott gab ihm nur eines mit auf den Weg: "Du sollst Politik und Religion trennen." Ein wichtiger und ausnahmsweise mal in heiligem Ernst daherkommender Satz, gerade in Zeiten wie diesen. Erfrischend frech, sei der neue Ralf König jedem Frömmler ans Herz gelegt.

Besprochen von Knut Cordsen

Ralf König: "Antityp",
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010,
158 Seiten, 16,95 Euro
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