Fun & Feminismus

"Heulen kann jede"

Von Anna Bilger · 03.06.2014
Lachen auf Kosten der Frauen mit all den abgedroschenen Klischees – Schuhtick, nicht einparken können – das ist nicht das Ding von Vanessa Stern. Sie beweist mit ihrer Show "Frauen am Rande der Komik", dass auch starke, selbstbewusste Frauen lustig sein können.
Vanessa Stern:"Das ist ja auch ne Strategie von weiblichen Kabarettistinnen, die sich dann als Putzfrau verkleiden ... Das finde ich total uninteressant, also Komik, die darauf beruht, dass man sich selber als Dummchen bezeichnet, damit männliche Zuschauer über einen lachen können."
"Und entweder ich höre auf oder ich verändere den Beruf, und ich fand, dass – bin ja auch ein bisschen größenwahnsinnig – dass das wichtiger ist, ich möchte einfach ein Bewusstsein schaffen."
Vanessa Stern ist Schauspielerin. Eine zu werden, davon hat die heute 37-Jährige schon als Kind in der österreichischen Steiermark geträumt. Also hat sie das klassische Programm durchgemacht: Schauspielstudium in Berlin, Engagement am Schauspielhaus in Köln: sie hat die "Ophelia" gespielt und "Emilia Galotti", einige Fernsehrollen. Und merkt irgendwann, sie spielt als Frau immer nur die Opfer.
"Dann ist mir aufgefallen, dass die Schauspielerinnen sehr viel heulen. Also mit mir eingeschlossen, weil ich auch dazu tendiert habe, am Anfang meiner Karriere mit Tränen meine Virtuosität zu beweisen – natürlich sind die Frauenrollen auch so geschrieben. Und gerade, weil Emilia Galotti Abi-Thema war, wurde mir bewusst, als ich den jungen Mädels dann diese Frauenfigur vorgespielt hab, dass das nicht sein kann."
Nur im Kinderstück darf sie stark sein
Vanessa Stern wird in einem Kinderstück besetzt – und plötzlich darf sie viel mehr: lustig sein - und stark.
"Die komischste Rolle, die ich auf der großen Bühne spielen durfte, war das Sams. Und das Sams hat eben kein Geschlecht. Und das ist mir dann aufgefallen, dass ist viel anarchischer als diese ganzen Frauenrollen, die ich spielen darf, auf einem anderen Niveau, aber das war schon eklatant."
Ihr Engagement in Köln endet 2007, Vanessa Stern arbeitet weiter als freie Schauspielerin – und geht zurück nach Berlin. Hier engagiert sie sich bei der globalisierungskritischen Bewegung Attac, macht Straßentheater gegen die Finanzkrise und beginnt darüber nachzudenken, wie sie ihren Beruf künftig ausüben möchte.
"Ich hab mich repolitisiert, weil ich einfach gemerkt habe, dass man sich damit total klein macht und die Frauen und gerade Schauspielerinnen meist damit beschäftigt sind, sich möglichst attraktiv und jung zu halten, damit sie von den meist heterosexuellen Regisseuren – ist leider so - für attraktiv befunden werden und als Projektionsfläche dienen – darauf hatte ich tatsächlich keinen Bock mehr."
In Shorts und Hemd sitzt Vanessa Stern in ihrer Berliner Küche. Ungeschminkt, die kurzen braunen Haare ein wenig verwuschelt.
Gerade hat sie ihren neun Monate alten Sohn Levi gestillt und ihn jetzt ihrem Freund in den Arm gedrückt. Der eigene Körper, der Sohn, das prekäre Dasein als Schauspielerin - alles ist mittlerweile Thema von Vanessa Sterns eigener Bühnenshow. Sie spielt eine selbstbewusste und größenwahnsinnige Version ihrer selbst: die Gastgeberin eines Comedy-Abends, bei dem nur Frauen auftreten dürfen.
Ausschnitt Live-Programm "Im Ernst jetzt!": "Schon mein ganzes Leben weiss ich, dass mein Umfeld mich langweilt und unterfordert. Seit ich denken kann, stelle ich mich so dumm es geht, nur damit mein Gegenüber ein Gefühl der Augenhöhe hat. Und meine Lebensgeschichte ist ja auch so ein bisschen der amerikanische Traum: Mädchen aus österreichischer Hügelland-Arztfamilie schafft es in die unbezahlte Off-Theater-Szene Berlins."
Eine Bühne für weibliche Komik
In einem Dorf in der Steiermark wächst Vanessa Stern auf, der Vater: Arzt, die Mutter: Psychotherapeutin. Eine ziemlich normale bürgerliche Kindheit, sagt Vanessa Stern. Den Traum von der Schauspielerei hat sie früh, spielt mit 19 bei Christoph Schlingensief eine Messdienerin in seinem Stück "Hurra Jesus" und bewirbt sich anschließend an diversen Schauspielschulen. An der Berliner UdK wird sie schließlich angenommen. Und hierhin kehrt sie 2010 für ein zweijähriges Studienprojekt zurück: Sie forscht zu weiblicher Komik und probiert sich praktisch aus. Unter anderem darf sie nach New York reisen, um sich die amerikanische Comedyszene anzuschauen.
Ausschnitt New York Programm: "So my mother tonuge is German as you can hear from my lovely accent, people know even before I open my mouth, I don't know why ... I shave."
"In New York bin ich dann auf die Bühne gegangen, in 'ner anderen Sprache und es war schön zu merken, dass das funktioniert, danach hab ich es mir auch in Deutschland noch mehr zugetraut."
Für ihren Abend in den Berliner Sophiensälen arbeitet sie seither mit Frauen aus ganz unterschiedlichen Bereichen daran, ein komisches Programm auf die Bühne zu bringen. Vanessa Stern coacht, probt und schreibt mit ihnen - und ermutigt sie, sich die Macht und den Raum zu nehmen, den sonst vor allem männliche Komiker besetzen.
Ausschnitt "Im Ernst jetzt": "Ich habe viel Stars als Freunde. Ich habe sogar eine Selbsthilfegruppe für weibliche Stars gegründet. Wir treffen uns einmal im Monat heimlich an 'nem ganz geheimen Ort, der früher mal ein Aldi war und jetzt 'ne edle Künstlerwohnung. Und dann reden wir über so Themen wie: Warum sind wir so erfolgreich und andere Frauen nicht? Was machen die falsch und wir richtig?"

Am 25.6. um 20 Uhr stehen Vanessa Stern und ihre Mitstreiterinnen wieder unter dem Motto "La derniere crise - Frauen am Rande der Komik" auf der Bühne der Berliner Sophiensäle. Mehr Infos unter heulenkannjede.de