Für ein Meer ohne Müll

Kim Detloff im Gespräch mit Gabi Wuttke · 10.04.2013
Naturschützer und Fischer schienen lange nicht am gleichen Strang zu ziehen. Aber nun kommt man doch zusammen durch ein gemeinsames Ziel: Das Meer sauber halten. Nach Ansicht von Kim Detloff, Meeresschutzexperte beim NABU Deutschland, können Umweltschützer und Fischer nur gemeinsam für müllfreie Meere sorgen.
Gabi Wuttke: Ein Spaziergang am Meer - es gibt kaum schöneres, egal ob im Sommerwind oder mit Schal und Kapuze. Was Ihnen zu jeder Jahreszeit auch vor die Füße schwappt: verklappter Plastikmüll. Bevor Vertreter aus ganz Europa heute und morgen in Berlin diskutieren, wie Müll im Meer verhindert oder wenigstens kontrolliert werden kann, ist Kim Detloff am Telefon. Er ist Referent für Meeresschutz beim Naturschutzbund Deutschland und betreut das Projekt "Müll fischen". Einen schönen guten Morgen!

Kim Detloff: Guten Morgen!

Wuttke: Wo holen die Fischer, die bei "Fishing for Litter" dabei sind, den Müll aus dem Wasser?

Detloff: Gestartet hat das Projekt im Frühjahr 2011 auf der Insel Fehmarn in dem Fischereihafen Burgstaaken und in Heiligenhafen, und inzwischen beteiligen sich auch Fischer auf Rügen, in Sassnitz, daran, in Norddeich, Niedersachsen, und in den beiden Häfen Ditzum und Greetsiel.

Wuttke: Und war es leicht oder schwer, Fischer für das Projekt zu gewinnen?

Detloff: Aller Anfang ist schwer, sage ich mal. Es gibt bestehende Gräben zwischen Fischern und Naturschützern. Wir haben in den letzten Jahren uns oft gestritten, wenn es um Fischereifragen ging. Aber hier kamen wir dann doch relativ schnell zusammen, weil uns eben ein gemeinsames Ziel verbindet. Wir wollen saubere und produktive Meere haben, und da sind wir dann doch ziemlich schnell zusammengekommen.

Wuttke: Also, das heißt, Sie haben es jetzt mit Fischern zu tun, die selbst niemals Müll ins Meer werfen würden, oder haben Sie dann da auch noch ein bisschen Überzeugungsarbeit geleistet?

Detloff: Das ist schwer zu unterstellen. Ich glaube, die wenigsten Leute würden zugeben, dass sie auch mal sich fehlverhalten haben und Müll ins Meer geworfen haben. Ich glaube, die Meere, die sind grenzenlos, und das, was gefischt wird, das ist nicht unmittelbar selbst vor der Haustür reingeworfen worden, sondern das hat manchmal einen sehr, sehr weiten Weg hinter sich.

Wuttke: Ja was landet denn im Netz und wo genau wird es aus welcher Tiefe hergeholt?

Detloff: Das ist unterschiedlich. Den meisten Müll bringen uns die Fischer, die mit sogenannten Schleppnetzen unterwegs sind, und dann noch die, die sogenannte Grundschleppnetze einsetzen, weil 70 Prozent des Mülls befindet sich am Meeresboden und die bringen eben auch dann am meisten von dort mit.

Wuttke: Genau. Und das alles ist dann illegal verklappt worden?

Detloff: Ja, illegal schon. Das meiste, weil es gibt eigentlich Regularien, die verbieten sollen, dass insbesondere Plastikmüll im Meer landet. Da gibt es das sogenannte MARPOL-Abkommen, das stammt schon aus den 70er-Jahren, aber es greift eben nicht. Und so wissen wir, dass immer noch viel Müll aus der Seeschifffahrt, Plastikmüll aus der Seeschifffahrt ins Meer geworfen wird, von Industrien, von Offshore-Industrien. Der meiste Müll kommt allerdings von Land, bis zu 80 Prozent. Also sind auch wir alle bei unserem Strandurlaub an dem Problem beteiligt.

Wuttke: Wie muss ich mir das vorstellen, es kommt vom Strand ins Wasser? Ist dies das Übriggebliebene der Strandbesucher, oder?

Detloff: Teilweise ist es wirklich so. Man muss ja nur mal abends einen belebten Strand aufsuchen und dann schauen, was dort alles liegen bleibt, und über Wind oder über Wellenbewegung kann das eingetragen werden. Wenn ich "von Land" sage, dann ist das natürlich aber auch der Eintrag über die großen Flüsse. Auch im Inland wird natürlich viel illegal in Flüsse geworfen, oder wird über ungereinigte Abwässer eingetragen.

Wuttke: Also erstmal frage ich mich gerade, was die Strände anbelangt: Hallo, warum zahle ich denn Kurtaxe, wenn dann der Müll ins Meer kommt? Zum anderen aber auch: Sind dann Plastikflaschen sozusagen die widerstandsfähigsten Teile des Mülls, den die Fischer aus dem Meer holen? Was finden sie da?

Detloff: Die finden ganz unterschiedliche Sachen. Plastik hat wirklich die unangenehme Eigenschaft, über 450, 500 Jahre im Meer zu halten und sich langsam in immer kleinere Teile aufzureiben. Dann sprechen wir vom sogenannten Mikroplastik. Neben Plastik haben Fischer in unseren Netzen aber überwiegend auch Metallschrott mitgebracht, alte Fässer, oder auch andere Industrieprodukte wie Bauhelme, Draht, Kabel, und das zeigt natürlich, dass viel Müll immer noch über die Seeschifffahrt und über die Industrie eingetragen wird.

Wuttke: Und was haben Sie jetzt an Masse in den letzten zwei Jahren aus dem Meer geholt?

Detloff: Wir haben bis heute etwa 35 Kubikmeter Müll gesammelt. Das sind so zwischen 1,5 und zwei Tonnen. Das ist schon so eine ganze Menge. Das schwankt dann saisonal so ein bisschen, weil zu unterschiedlichen Jahreszeiten in unterschiedlichen Gebieten gefischt wird. Aber jetzt durch unsere Kooperation mit dem Land Niedersachsen haben wir unsere Fischer von 30 auf 60 Beteiligte erhöht und erhoffen uns jetzt in diesem Jahr deutlich größere Mengen noch.

Wuttke: Und was machen Sie mit dem Müll?

Detloff: Der Müll, der wird nicht nur entsorgt, sondern wir analysieren diese Abfälle mit unserem Projektpartner, dem Dualen System Deutschland. Wir wollen wissen, welche Stoffgruppen finden wir, und vor allem wollen wir wissen, wo kommt dieser Müll her, um dann gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen.

Wuttke: "Müll fischen", dieses "Fishing for Litter" ist vom NABU nicht erfunden worden. Deshalb verraten Sie uns noch, in welchen Ländern ist man mit diesem Projekt noch dabei?

Detloff: Richtig, der NABU macht das seit 2011 hier mit dem Schwerpunkt auf Deutschland. Wir sind gerade mit Kollegen in Kontakt, um das auch in Polen umzusetzen. Aber diese Idee des "Fishing for Litter" ist geboren worden in Schottland und es gibt "Fishing for Litter" bereits, organisiert durch die Organisation KIMO, in Schottland, in England, den Niederlanden, in Belgien und jüngst auch in Schweden.

Wuttke: Und kann man denn den Menschen am Strand auch sensibilisieren mit diesem Projekt?

Detloff: Ja, das ist ein ganz wichtiger Teil des Projekts, dass wir über die Berichterstattung des "Fishing for Litter" die Problematik des Mülls transportieren und zu den Menschen bringen und zeigen: Das Meer hat ein Problem mit Müll im Meer, es gibt zahlreiche ökologische Auswirkungen, ihr alle seid Teil des Problems, ihr könnt aber auch helfen, das zu reduzieren.

Wuttke: Na dann haben wir beide ja unseren Auftrag erfüllt. - Vielen Dank!

Detloff: Ich danke Ihnen.

Wuttke: Kim Detloff vom Naturschutzbund Deutschland im Deutschlandradio Kultur.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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