"Für die eigene Gesundheit lernen"

Moderation: Holger Hettinger · 05.05.2008
Gewinner und Verlierer des Klimawandels werde es unter den Vögeln geben, sagt Forscher Franz Bairlein. Vögel aus Kaltregionen werden ähnliche Lebensverhältnisse nicht wiederfinden, Tiere aus wärmeren Gebieten werden sich verstärkt ausbreiten. Andere Beobachtungen des Instituts für Vogelforschung Wilhelmshaven könnten für die Diabetes-Behandlung beim Menschen interessant sein.
Liane von Billerbeck: Wie der Klimawandel den Vogelzug verändert, darüber sprach mein Kollege Holger Hettinger mit Prof. Franz Bairlein. Er leitet das Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven, und das beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Zugverhalten der Vögel.

Holger Hettinger: Nisten tropische Vogelarten bald am Rhein? Der Klimawandel und die Erdeerwärmung gehen auch an der Vogelwelt nicht spurlos vorbei. Eine britische Studie sagt nun voraus, dass sich die Verbreitungsgebiete der Vogelarten um rund 500 Kilometer nach Osten verschieben. Vögel aus südlichen Gefilden rücken nach, um es salopp zu formulieren. Über den Einfluss des Klimawandels auf den Vogelzug und auf die Verbreitung der Arten spreche ich nun mit Prof. Franz Bairlein. Er ist Direktor des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven, eine der führenden Einrichtungen, die das Verhalten von Zugvögeln erforscht. Schönen guten Tag!

Franz Bairlein: Guten Tag!

Hettinger: Herr Bairlein, inwieweit wird sich der Klimawandel, die Erderwärmung auswirken auf die europäische Vogelwelt? Kanarienvögel am Rhein, ist das realistisch?

Bairlein: Das ist durchaus denkbar. Und zwar einfach, weil Kanarienvögel deshalb, nicht, weil sie als Zugvögel zu uns kommen, sondern weil jedes Jahr sehr viele Kanarienvögel von Liebhabern freigelassen werden oder sie entkommen. Und wenn sich dann die Winter insbesondere so mild gestalten, dass die Kanarienvögel Überlebenschancen haben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch brüten.

Hettinger: Aber dieser Nachrückereffekt, wie ihn diese britische Studie formuliert, der kommt hier nicht zum Tragen?

Bairlein: Doch, kommt auch zum Tragen. Wir haben zwei Effekte. Wir haben auf der einen Seite, dass quasi exotische Tiere, die wir freilassen, das gilt nicht nur für Vögel bei uns, dann Etablierungschancen haben, dass sie sich niederlassen können. Das Zweite ist, dass wir in der Tat eine ganze Reihe von Mittelmeerarten haben, die wir bisher nur in dem Mediterranraum kennengelernt haben, die heute zunehmend mehr nach Mitteleuropa einwandern. Und von daher ist es kein Nachrücken in diesem Sinne, sondern es entstehen neue Wesen der Ökologie in den Nischen. Und die können jetzt, weil es wärmer wird, eben von wärmeliebenden Arten wahrgenommen werden.
Hettinger: Und kann man sagen, dass es so etwas wie Gewinner und Verlierer des Klimawandels geben wird?

Bairlein: Die wird es geben. Wir haben beispielsweise jetzt ja dieses Beispiel schon genannt, dass mediterrane Vogelarten bei uns sich bis nach vielleicht demnächst Südschweden etablieren können. Wir haben heute ein Beispiel nur zu nennen, diesen farbenprächtigen Bienenfresser, der noch bis Anfang der 90er Jahre bei uns in Deutschland ein ganz seltener Brutvogel war, den wir heute zu Hunderten an Paaren haben, bis nach Norddeutschland. Und solche Arten werden gewinnen. Verlieren werden all die Arten, die ganz spezielle Lebensraumansprüche haben, wo die Lebensräume aufgrund der Erwärmung vielleicht verloren gehen und dieses gilt besonders für Arten der Hochgebirge. Arten, die oben auf diese Schneezone angewiesen sind, da haben wir mehrere. Die werden, wenn denn dann alles sich so fortsetzt und quasi diese Schneezone, Felsenschneezone, verschwindet, die werden keinen Lebensraum mehr haben und den werden sie auch nirgendwo anders so schnell finden.

Hettinger: Ihre Einrichtung untersucht das Zugverhalten der Vögel und die Siedlungsthematik. Wie muss man sich das praktisch vorstellen? Wie kann man so was untersuchen?

Bairlein: Da gibt es zwei Ansätze. Das eine ist im Freiland. Wir haben als Institut für Vogelforschung den großen Vorteil, unser Institut wurde vor knapp 100 Jahren auf Helgoland gegründet. Und auf Helgoland gibt es fast keine sogenannten Landbrutvögel, was man so üblicherweise kennt. Auf Helgoland ziehen aber Jahr für Jahr sehr viele verschiedene Vogelarten, Individuen durch. Wir können die Zugverhältnisse und den Durchzug von Vögeln, die aus Skandinavien kommen im Herbst oder im Frühjahr nach Skandinavien ziehen, untersuchen. Dieses machen wir inzwischen unter standarisierter Weise seit mehr als 50 Jahren. Und damit haben wir eine einzigartige Langzeitdatenreihe, und deren Veränderung, die kann man nun mit Klimafaktoren verschneiden.

Und da zeigt sich unzweideutig, dass für die Mehrzahl der Vogelarten heute die Ankunft früher ist, bei einer ganzen Reihe von Vogelarten die Abzugszeit im Herbst später ist. Das ist der Freilandteil sozusagen. Man kann natürlich auch, was ich häufig gemacht habe, das Verhalten von Zugvögeln im Rastgebiet bis hin in die Sahara untersuchen. Und dann haben wir noch ein anderes Instrument, was sehr, sehr spannend ist, manche Zugvögel lassen sich sehr gut in Gefangenschaft halten und zeigen ihr gesamtes Freilandzugverhalten in Gefangenschaft, weil sie eben auf einer angeborenen Grundlage ihr Zugverhalten aufbauen. Und damit haben wir die Möglichkeit, die Mechanismen des Vogelzuges zu erkennen und nicht nur zu beschreiben, dass es Vogelzug gibt und wie er sich verändert. Sondern wir können lernen, welche Voraussetzung ein Vogel braucht, aber auch, wie er seinen Zug steuert.

Hettinger: Mir ist nicht ganz klar geworden, wenn ich einen Vogel in Gefangenschaft halte, wie kann ich da etwas über sein Zugverhalten erfahren?

Bairlein: Ich darf Ihnen da vielleicht ein Beispiel geben. Es gibt eine Art, die nennt sich Gartengrasmücke, die ist typisch für sehr viele anderen Arten, die als sogenannte Transsaharazieher bei uns brüten, aber in Afrika südlich der Sahara überwiegend dann. Sie sind bei uns im Jahr nur ganz kurz von Anfang Mai bis Mitte August, verbringen einen Großteil ihres Lebens woanders. Sie sind im Freiland nachtziehende Vogelarten. Die ziehen nur nachts, den Tag braucht man zum Fressen.

Und wenn wir diese Vögel vom Nest an mit der Hand aufziehen und dann in entsprechend guten Käfigen halten, wo wir das gesamte Verhalten registrieren können, durch Hüpfer registrieren beispielsweise, dann sehen wir, dass die Vögel nachts nur dann im Käfig herumhüpfen, wenn sie draußen ziehen würden. Sie werden, bevor sie anfangen herumzuhüpfen, im Käfig fett als Vorbereitung des Auftankens. Das ist dann das Auftanken für den Freilandflug. Und jetzt wird es entscheidend. Die Vögel sind dann im Käfig solange aktiv, wie sie im Freiland bräuchten, nach Afrika zu ziehen und hören dann ihre nächtliche Unruhe, wie wir es nennen, wieder auf, und zeigen sie erst wieder, wenn es Zeit ist, im Frühjahr aus Afrika zurückzuziehen.

Hettinger: Das ist quasi genetisch programmiert?

Bairlein: Das ist absolut genetisch programmiert.

Hettinger: Wie kann es dann aber sein, dass sich Zugvögel, die auf diese genetische Information zugreifen, jetzt innerhalb von so kurzer Zeit ihr Zugverhalten und ihre Siedlungsgebiete ändern?

Bairlein: Da gibt es zwei Ansätze. Das eine ist, dass ein Vogel unmittelbar auf Witterung reagieren kann. Das ist ein Ereignis, was von Jahr zu Jahr variieren kann. Aber was viel entscheidender ist, bei jedem genetischen Merkmal, so auch beim Zugverhalten, gibt es immer welche, die normal ankommen, welche, die zu früh ankommen und welche, die zu spät ankommen, sodass wir so eine Verteilung haben. Wer früher zu früh ankam, da waren die Frühjahre zu schlecht, und ein solcher Vogel hatte keine Überlebens-, mindestens keine Fortpflanzungschance. Wer heute derjenige ist, der früher da ist, hat Vorteile, ist früher im Gebiet, kann die Vorteile nutzen, kann sich paaren mit jemand, der auch früher da ist. Und dann bedeutet das, dass selektiv das zu einem immer früheren Termin verschoben wird, und dann wissen wir, dass 50 Jahre durchaus ausreichen im Sinne dieser sogenannten schnellen Evolution, Mikroevolution, Veränderungen auch genetisch zu etablieren.

Hettinger: Eigentlich eine ganz interessante Sache. In diesem Zusammenhang mit den Zugvögeln ist die des Energiespeichers. Sie haben es eben angesprochen, dass sich dieses Tier ja einen Fettspeicher anfrisst, daraus dann die Energie bezieht. Aber das sind ja teilweise Distanzen, 40.000 Kilometer "Jahreskilometerleistung", in Anführungszeichen. Da bräuchte man eigentlich die Pendlerpauschale für die Vögel. Wie machen die das, rein technisch?

Bairlein: Für diejenigen, die soweit ziehen, die Flussseeschwalbe, die Küstenschwalbe gerade genannt, die diese 40.000 Jahreskilometer zusammenbekommt und dann 20 Jahre lang, wenn sie solang lebt, das macht, die frisst unterwegs sehr intensiv. Das ist ein Küstenvogel, der entlang der Küste zieht, und der dann immer wieder fischen geht. Aber viel spannender sind all diejenigen, die beispielsweise Mittelmeer und Sahara zu überqueren hat, die Kleinvögel, die in der Sahara beispielsweise unterwegs nichts finden. Und die machen es so, dass, bevor es losgeht, im Käfig wie aber auch im Freiland, in entsprechenden Rastgebieten, die wir Tankstellen nennen, werden die wirklich spickefett. Und es dauert keine drei Wochen, dann hat so ein Vogel sein Gewicht verdoppelt. Dieses Verdoppeln ist reine Fetteinlagerung, weitgehend reine Fetteinlagerung. Und dieses ist die Energie, die er für einen aktiven Flug braucht.

Das Interessante ist nun, wenn er bei mir im Käfig sitzt, wird er spickefett, wie auch im Freiland, aber er kann ja nicht wirklich ziehen. Er hüpft zwar, aber verbraucht die Energie nicht wirklich. Und dann ist das Schöne und das Spannende, dass der Vogel dann, wenn er aufgrund seines angeborenen Zeitschemas weiß, ich muss eigentlich in Afrika sein, dann sitzt er im Käfig und baut sein gesamtes Fett wieder ab, bleibt dann mager, muss mager sein, damit er im Winter sein Gefieder wechseln kann, und wird erneut fett, wenn es Zeit ist, für den Rückzug nach Europa. Und dieses zeigt, dass es ebenfalls, auch diese Energiesituation, eine angeborene Grundlage hat.

Und das besonders Spannende ist nun, was wir jüngst erst entdeckt haben, dass dieser gesamte Vorgang des Fettwerdens bei den Zugvögeln, der ja ein regulierter Vorgang ist, dem entspricht, was wir beim Menschen als Fettleibigkeit, krankhafte Fettleibigkeit, und humane Diabetes vom Typ II kennen. Das heißt, das sogenannte Syndrom, die gesamte Summe der Symptome ist absolut identisch dem, was wir beim Menschen als Krankheitszustand kennen, und ist beim Vogel ein regulierter Zustand. Und da wird es natürlich jetzt spannend, das genauer für die Zukunft anzuschauen. Vielleicht können wir von Vögeln etwas für unsere eigene Gesundheit lernen.

Hettinger: Sie haben da teilweise Zugwege beschrieben, Herr Bairlein, die einen wirklich staunen lassen, wenn die die Sahara oder das Mittelmeer überqueren. Eigentlich dachte ich, die Vögel fliegen im Winter dahin, wo es warm ist. Da muss man doch solch große Mühen doch gar nicht auf sich nehmen? Warum bleiben die nicht alle in Spanien oder Italien?

Bairlein: Ja, das ist natürlich eine Frage, die wir uns auch sehr häufig stellen. Das hat höchstwahrscheinlich damit, belegen können wir es bisher nicht wirklich, aber das hat höchstwahrscheinlich damit zu tun, dass Vogelzug in den Tropen entstanden ist. Vogelzug ist wahrscheinlich so entstanden, dass dort, wo viele waren, gab es ein Gedrängeeffekt. Und dann sind insbesondere die Jungvögel nach außen abgewandert und haben so immer wieder neue Gebiete entdeckt, haben sich so langsam aber sicher den Norden erobert, wenn wir es mal von tropisch Afrika ausgehen für unsere Verhältnisse, und sie ziehen jetzt sozusagen in ihr Stammgebiet zurück.

Und wir wissen von einer ganzen Reihe von Arten, die durch die Eiszeiten in gewisse Rückzugsgebiete verdrängt worden waren, dass sie aus diesen Rückzugsgebieten Europa, Mittel- und Nordeuropa wieder besiedelt haben und heute in diese Verdrängungsgebiete der Eiszeit, in diese sogenannten Reliktgebiete, zurückziehen. Und deshalb haben wir das Phänomen, dass innerhalb ein und derselben Art, können welche nach Südosten ziehen, und die anderen ziehen nach Südwesten. Und, das zeigt sich, das waren die früheren Refugien in der Eiszeit.

Hettinger: Es war eine Art Stimme der Ahnen, die da noch mal rauskommt?

Bairlein: Stimme der Ahnen, ja. Eine Umkehr quasi im Zugverhalten der Ausbreitungsrichtung.

Hettinger: Sie haben eben skizziert, Ihr Institut existiert bereits seit über 100 Jahren. Der technische Fortschritt ist ja seitdem gewaltig auf Touren gekommen. Man hat ja unendliche Möglichkeiten, Dinge, Gegenstände zu orten. Wenn ich dran denke an ein Navigationssystem, das mir haargenau sagt, auf 30 Zentimeter genau, du bist mit deinem Auto dort und dort. Kann man von solchen Technologien auch bei der Zugforschung profitieren?

Bairlein: Ja, wir profitieren sogar gewaltig zurzeit davon. Wir setzen Sender ein, die vom Satellit erkannt werden können. Und der Satellit meldet uns dann die Position des Vogels. Entweder als relativ ungenaue geografische Position oder aber, wenn es GPS-, um es neudeutsch zu sagen, fähige Sender sind, dann kriegen wir auf zehn Meter genau die Position des Vogels. Und damit können wir zum ersten Mal in der Vogelzugforschung einzelne Individuen verfolgen, was ja in der früheren Methode der Vogelzugforschung, wo wir den Vogel beringt haben, fliegen lassen, was wir auch heute noch tun. Dann wartet man drauf, dass irgendwann mal ein Fund entsteht. Dann kann man in der Regel die einzelne Spur nicht verfolgen.

Mit dieser Satelliten-Telemetrie können wir heute auch über große Distanzen genau sehen, wer zieht wann wo lang, wo bleibt er wie lange, wo sind die entscheidenden Rastgebiete und bekommen das sehr viel schneller raus, als es früher der Fall war. Und da gibt es dann extreme Leistungen. Gerade vor Kurzem ging ja durch die Medien ein Vogel, der in Alaska brütet, und der ohne Halt nach Neuseeland zieht, 10.700 Kilometer am Stück durch den gesamten Pazifik. Und das hat man vorher zwar erahnt, aber jetzt konnte man durch den entsprechenden kleinen Sender, die sind sehr, sehr klein, konnte man zum ersten Mal rauskriegen. Das Wichtige dabei ist, dass man eben nur solche Vögel untersuchen kann, die dafür geeignet sind, die groß genug sind. Denn wir haben ein Prinzip, dass eben die Last, die man dem Vogel auferlegt, die darf sein Verhalten nicht beeinträchtigen.

Hettinger: Wenn der Rucksack zu groß ist, macht der was anderes?

Bairlein: Dann macht er ja was anderes. Das heißt, wir können im Moment nur Vögel untersuchen, die so ab 200 Gramm groß sind oder schwer sind. Aber ich komme gerade von einer Konferenz, wo wir dieses besprochen haben. Die Entwicklung wird rasant weitergehen, und wir haben den Traum, dass wir demnächst mal bei drei bis fünf Gramm schweren Sendern sind, die satellitenfähig sind. Und damit können wir sehr, sehr viele Neueinblicke bekommen.

Hettinger: Vor wenigen Wochen wurde der 100. Geburtstag von Herbert von Karajan begangen, dem berühmten Dirigenten. Und dann kam man um eine Aussage von Karajan nicht umhin, nämlich dass das, was ihn am meisten fasziniert, der Zug der Vögel ist. Das hat er mit dem Orchester verglichen und hat gesagt, das sind auch alles Individuen. Aber wenn es dann halt ums große Ganze, um den Gesamtklang geht, dann muss ein Orchester so sein, wie so ein Vogelschwarm am Himmel. Immer wieder führt jemand anderes, eine Choreografie, die ganz genau auf jeden Einzelnen Bezug nimmt, aber ein ganz großes Ganzes schafft. Wie funktioniert dieses komplizierte Bild?

Bairlein: Er hat nur teilweise recht.

Hettinger: Aha!

Bairlein: Auch wenn ich ein großer Fan von Herrn Karajan bin. Aber er hat nur teilweise recht. Das gilt nur sein Konzert, was er beschreibt, gilt nur für die Vögel, die gemeinsam in einem Zugverband fliegen. Beispielsweise unsere Gänse, die Kraniche, die man am Himmel sehen kann, die fliegen häufig in einer so einer Art V-Form. Und das liegt daran, dass wenn man schräg versetzt hintereinander herfliegt, hat man den quasi Windschatteneffekt, und dann wechseln die sich immer ab. Und das ist das Konzert. Das heißt, es fliegt nicht immer einer voraus, bis er abstürzt und müde ist, sondern die wechseln sich immer ab. Und insgesamt hat damit jeder einzelne Vogel gegenüber dem Einzelfliegen ein enormen energetischen Vorteil.

Aber das machen nur die, die eben im Verband ziehen. Die Mehrzahl oder alle unsere kleinen Vögel, die ziehen einzeln, die haben kein Konzert. Jede Schwalbe, jeder dieser Gartenrotschwänze, Gartengrasmücken, egal, wen wir nennen, zieht einzeln nachts für sich und muss deshalb für sich alleine wissen, wann es Zeit ist, loszuziehen, welche Route muss ich einhalten, wie finde ich die Route, wo ist mein Winterquartier.

Hettinger: Aha, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich dachte, dass gerade diese Formation, diese Gruppe denen Sicherheit gibt, Orientierung. Gar nicht nötig?

Bairlein: Nur für die großen Vögel gibt es einen Energievorteil. Es hat wenig mit Orientierung zu tun. Es hat wenig mit Sicherheit zu tun, obwohl das ein gewisser Randeffekt vielleicht sein kann. Aber das Entscheidende ist ein energetischer Vorteil im sogenannten Formationsflug.

von Billerbeck: Holger Hettinger im Gespräch mit Franz Bairlein, der in Wilhelmshaven das Institut für Vogelforschung leitet, in unserer Themenwoche "Vögel", hier im "Radiofeuilleton". Auch heute Nachmittag um 15.00 Uhr geht es um Birdrace, das Vogelbeobachten. Und in der Hörerdebatte können Sie ab zehn vor vier mit einem Ornithologen darüber diskutieren, was Sie schon über Vögel wissen wollten und auch über das, was das so in Ihrem Garten zwitschert und piept, in der Vogelwoche, hier im Deutschlandradio Kultur.