Frische Nahrung für Astronauten

Gemüsegarten fürs All

Raumfahrtingenieur Paul Zabel steht am 21.11.2017 in Bremen beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hinter einem Modell des Projekt «Eden-ISS». Zabel startet mit einem Team vom DLR im Dezember in die Antarktis, um dann, ab Februar 2018 allein ein Jahr lang Gemüse in einem Gewächshaus zu züchten.
Raumfahrtingenieur Paul Zabel steht hinter einem Modell des Projekt "Eden-ISS". © picture alliance / Carmen Jaspersen/dpa
Von Dirk Asendorpf · 25.01.2018
Falls Astronauten irgendwann zum Mars fliegen sollten, dann können sie unmöglich alle Nahrungsmittel mitnehmen. Vor allem frisches Obst und Gemüse müssen sie unterwegs selber erzeugen. Wie das gehen könnte, erproben Wissenschaftler in der Antarktis.
"Momentan ist Sonnenschein, absoluter Sonnenschein, es ist wunderschön draußen. In der Sonne ist es sogar richtig heiß."
Daniel Schubert verbringt keinen Winterurlaub in Thailand, er sitzt am Telefon der deutschen Neumayer-Station in der Antarktis und hat gerade sehr viel Arbeit. Denn der Raumfahrtingenieur leitet das Eden-Forschungsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Es geht um die Erprobung eines Spezialgewächshauses, das Astronauten auf längeren Mond- oder Marsmissionen mit frischem Gemüse versorgen könnte. Nirgendwo auf der Erde finden sich dafür realitätsnähere Bedingungen als in der Antarktis.
"Der Container ist schon angeschlossen, der steht auf der Plattform und jetzt sind wir gerade dabei, die einzelnen Systeme zu prüfen, zu checken. Beim Transport, da sind ein paar Leitungen gerissen, die müssen wir reparieren, aber nichts Dramatisches. Wir gehen jetzt mit Klebebändern rum und versuchen, alle möglichen Stellen irgendwie so abzukleben, dass sie möglichst dicht sind. Die Kameras werden gerade getestet. Vorgestern hatten wir das erste mal ne Liveschaltung nach Bremen, die Bildqualität war noch ein bisschen schlecht, aber da arbeiten wir jetzt gerade dran."
Auf der anderen Seite der Leitung, im Bremer Kontrollzentrum des internationalen Forschungsprojekts, ist Conrad Zeidler für die Fernüberwachung des Gewächshaus-Containers zuständig. Auf den Monitoren vor sich sieht er Nahaufnahmen der Regalböden, auf denen bald Tomaten, Gurken, Paprika, Salat und Gartenkräuter sprießen sollen. 15 Sensoren und 40 Kameras sind dafür installiert.

Steht die Pflanze unter Stress?

"Die machen täglich ein Bild, schicken es dann weiter, die Universität in Florida lässt einen Algorithmus drüber laufen, der mit Falschfarben diese Fotos quasi auswertet und dann kann man sehen je nach Farbgebung, ob die Pflanze quasi Stress hat oder nicht. Mit bloßem Auge kann die Pflanze noch gut aussehen, aber durch dieses Prozessing kann man frühzeitig erkennen, dass es da schon Stress gibt oder nicht. Und das kann man dann auch frühzeitig dem Herrn Zabel mitteilen."
Paul Zabel ist vor Ort für die Gemüseaufzucht zuständig. Dafür wird er bis zum Ende des nächsten Südpolarwinters auf der Neumayer-Station bleiben. Er ist ebenfalls Luft- und Raumfahrtingenieur, die Gärtnerei hat er in einem Intensivkurs in den Gewächshäusern der holländischen Universität Wageningen gelernt. Denn auch dort wächst das Gemüse in geschlossenen Systemen unter künstlichem Licht und ohne Erde in einem Nährstoffnebel heran. Selbst der CO2-Gehalt der Luft wird auf das Doppelte bis Dreifache erhöht, um das Wachstum zu beschleunigen.
"Bei uns kommt noch hinzu, dass wir wirklich ein geschlossenes System haben wollen später auch in der Raumfahrt, wo es ja wichtig ist wirklich alles zu recyceln und wiederzuverwenden, auch das letzte Tröpfchen Wasser, auch die letzten Nährstoffreste müssen wiederverwendet werden, weil alles andere müssten wir ja sonst von der Erde zum Zielort transportieren."

Nährstoffe aus menschlichen Abfällen

Wie viel Energie der Gewächshausbetrieb kostet und welche Nährstoffe in welcher Menge trotzdem zugeführt werden müssen, darüber soll das Eden-Experiment genaue Daten liefern. Völlig geschlossen ist sein Nährstoffkreislauf nämlich nicht. Schließlich verlässt das geerntete Gemüse – und damit alles, was an Wasser und Mineralien in ihm steckt – das Forschungsgewächshaus und kehrt nicht wieder zurück. Im All wäre das eine untragbare Verschwendung.
"In der Weltraumanwendung würde man dann eben versuchen, aus den menschlichen Abfällen diese Nährstoffe, Salze größtenteils, wieder zurückzugewinnen. Das machen wir jetzt erst mal nicht, wir konzentrieren uns wirklich auf den Pflanzenanbau, aber wir haben auch ein Projekt mit dem Institut für Raumfahrtmedizin in Köln zusammen, wo wir versuchen, Pflanzennährstoffe aus Urin wiederzugewinnen. Urin ist nur die kleinere Menge, aber gerade im Urin ist halt wirklich sehr, sehr viel Stickstoff drin. Der Phosphor geht hauptsächlich über die Fäkalien aus dem Körper, das ist dann der nächste Schritt."
Im Antarktis-Sommer wuseln Dutzende Wissenschaftler auf der Neumayer-Station herum, von März bis November werden die Überwinterer dann auf sich allein gestellt sein. Normalerweise sind es neun, diesmal ist Paul Zabel als Nummer zehn dabei.
"Ich bin halt einer von mehreren Wissenschaftlern, der sein Spezialgebiet hat, sein eigenes Projekt hat. Mit dem Unterschied, dass man in meinem Experiment Ergebnisse essen kann als Gruppe. Und da freue ich mich eigentlich auch drauf, dann mit meinen Kollegen zusammen mal einen Gurkensalat zu essen oder ein paar Tomaten zu essen."

Ist der Salat auch genießbar?

In der Antarktis ist das gar nicht so etwas Besonderes. Schon vor über 100 Jahren haben Polarforscher Gemüse angebaut. Derzeit ist ein knappes Dutzend Gewächshäuser an verschiedenen Forschungsstationen in Betrieb, eines der größten betreiben US-Forscher sogar direkt am Südpol. Doch keines ist so hermetisch von der Außenwelt getrennt wie beim Eden-Forschungsprojekt. Dass es technisch funktionieren wird, daran hat Projektleiter Daniel Schubert keine Zweifel. Sorgen macht ihm eine andere Frage:
"Schmeckt es den Überwinterern? Da sind wir am meisten nervös. Wenn die nämlich plötzlich sagen: Der Salat ist ungenießbar, das wär’ blöd."
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