Friedenslieder

Soundtrack des Arabischen Frühlings

Egyptian demonstrators sing anti-Mubarak songs at Cairo's Tahrir square on February 6, 2011 on the 13th day of protests calling for the ouster of President Hosni Mubarak.
Ägyptische Demonstranten singen Friedenslieder auf dem Tahrir-Platz in Kairo © AFP PHOTO/MOHAMMED ABED
Von Carsten Beyer · 30.12.2014
Mit Friedensliedern verbrüdern sich Menschen weltweit - vor allem, wenn sie von Tausenden gesungen werden, wie etwa auf dem Tahrir-Platz. Das Album "Songs from a Stolen Spring" bietet Songs, die zum Soundtrack des Arabischen Frühlings wurden.
Ziemlich genau vier Jahre ist es her, da begann es in den arabischen Staaten im Maghreb und im Mittleren Osten zu rumoren. Was mit der Selbsttötung eines tunesischen Gemüsehändlers begann, weitete sich aus zu einer Demokratie- Bewegung in der ganzen Region. Regierungen stürzten, Diktatoren flohen oder mussten ins Gefängnis und eine Zeit lang sah es so aus, als sollte sich die arabische Welt grundlegend verändern.
Die Aktivisten vom Tahrir- Platz in Kairo, aber auch von vielen anderen Plätzen in Algier, in Tunis, in Bahrain oder Benghasi, sie haben damals Geschichte geschrieben, auch wenn sich die Meisten von ihnen am Ende doch nicht dauerhaft durchsetzen konnten. Die Lieder allerdings, sagt Erik Hillestad, die von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erzählen, sind geblieben.
"Musik und auch einzelne Lieder waren schon immer wichtige Elemente in Freiheitskämpfen. Nimm doch nur mal die Bürgerrechtsbewegung in den USA und den Song 'We shall overcome' – der hat damals vielen Aktivisten Mut gemacht. Oder bei der Antiapartheid- Bewegung in Südafrika, auch da waren die Musiker enorm wichtig. Das hatte ich im Hinterkopf, als der Arabische Frühling begann und ich im Fernsehen die Bilder sah von den Musikern auf dem Tahrir- Platz. Ich dachte mir, das muss man irgendwie festhalten: Da entstehen bestimmt eine Menge neuer Songs, die gut sind und die auch interessant sind für den Rest der Welt."
Musikalische Protagonisten des arabischen Frühlings
Erik Hillestad ist seitdem viel in der arabischen Welt unterwegs gewesen: Gemeinsam mit einer alten Bekannten, der palästinensischen Sängerin Rim Banna, machte er sich auf die Suche nach den musikalischen Protagonisten des arabischen Frühlings. Musiker wie die ägyptische Band Eskenderella lernte er so kennen, die im Frühjahr 2011 mehrere Wochen lang auf dem Tahrir- Platz für die Demonstranten gespielt hatten.
Oder den Sänger Ramy Essam, dessen Song "Irhal" auf youtube millionenfach abgerufen wurde und so zur inoffiziellen Revolutions-Hymne mutierte. Sie alle waren sofort bereit, bei Hillestads Projekt mitzumachen, allerdings nicht unter dem Titel, den er ursprünglich für den Sampler vorgesehen hatte.
"Als wir mit dem Projekt angefangen haben, wollten wir das Album eigentlich 'Tribute to the Arab Spring' nennen. Aber wir haben schnell gemerkt dass der Begriff 'Arabischer Frühling' bei den Künstlern dort nicht sehr beliebt ist. Für sie hat das alles heute nicht mehr viel mit Frühling zu tun. Im Gegenteil, es ist wieder Winter geworden und die Zustände in manchen Ländern sind sogar schlimmer als vor der Rebellion. Deswegen haben wir uns für einen neuen Titel entschieden – 'Songs from a Stolen spring' – Lieder eines gestohlenen Frühlings".
Globaler Wille zum Frieden
Erik Hillestad wollte aber nicht einfach nur eine Anthologie der wichtigsten Revolutionslieder aufnehmen. Seine Idee war es, die arabischen Lieder mit westlichen Protest-Songs zu verbinden, eine Art Manifest, also des globalen Freiheitswillens, zu schaffen. Nicht alle Musiker im Westen, die er dafür ansprach, waren von dieser Idee angetan. Hillestad handelte sich auch eine Menge Absagen ein. Die einen waren vom künstlerischen Wert eines solchen Unterfangens nicht überzeugt, die anderen hatten inhaltliche Probleme.
"Westliche Musiker für ein solches Projekt zu gewinnen, ist nicht ganz einfach. Ich habe sowas schon mal gemacht, bei dem Sampler 'Lullabies from the Axis of Evil'. Da haben wir amerikanische Folksänger Schlaflieder aus den Ländern der sogenannten 'Achse des Bösen' singen lassen, aus Nordkorea oder aus dem Iran, einfach um zu zeigen, in diesen Ländern wohnen auch ganz normale Menschen, da gibt es auch Kinder. Es gibt natürlich Musiker, die sagen: da fühle ich mich unwohl, bei einem solchen Projekt, mit Songs und mit Musikern, die ich gar nicht kenne. Aber es gab zum Glück auch genügend Leute, die gesagt haben: Das klingt interessant. Da bin ich mit dabei!"
Demonstranten halten eine Fahne mit dem Gesicht des jamaikanischen Sängers Bob Marley hoch. Das ist eine Demonstration für die Legalisierung von Marihuana in Brasilien
Demonstranten halten eine Fahne mit dem Gesicht des jamaikanischen Sängers Bob Marley hoch© Imago / Fotoarena
Bei den "Songs from a Stolen Spring" fließt nun also Richie Havens Woodstock- Klassiker "Freedom" mit einem Song vom Tahrir Platz zusammen, "Many Rivers To Cross" mischt sich mit einer Ballade aus Tunesien und "Beyond these doors" von der ägyptischen Sängerin Dina el Wedidi verwandelt sich auf einmal in das unverwüstliche "Get up, stand up" von Bob Marley und seinen Wailers. Das ist – zumindest beim ersten Hören – durchaus gewöhnungsbedürftig.
"Many Rivers to Cross" und "Get up, stand up"
Erik Hillestad ist mit seinem Sampler aber trotzdem sehr zufrieden. Für den Norweger geht es ohnehin in erster Linie um die Botschaft. Die Menschen im Westen dürften den Arabischen Frühling auf keinen Fall vergessen, sagt er. Und die in den betroffenen Ländern sollten die Hoffnung nicht verlieren, dass sich ihre Ziele von einst eines Tages doch noch verwirklichen lassen
"Die Aktivisten von damals sollten den Mut nicht sinken lassen. Sie können mit den Neuen Medien umgehen, sie wissen, wie man Leute mobilisiert. Wenn sie geduldig sind, wenn sie es gut planen, dann werden sie es auch irgendwann schaffen, das politische Klima in ihren Ländern zu verändern. Und was natürlich auch geblieben ist vom Arabischen Frühling, das sind die Lieder. Lieder, die die Leute begeistern können, die mitreißen können. Deswegen haben wir ja dieses Album gemacht, um die Funken der Hoffnung zu konservieren, die es in den Herzen vieler Menschen im Mittleren Osten noch immer gibt."
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