Freiwilliges Engagement

Hilfsbereitschaft - ein sozialer Kitt?

Man sieht die Hände von Menschen, einen Teller Suppe und ein Stück Brot.
Ein Syrer verteilt Essen an Flüchtlinge auf dem Alexanderplatz in Berlin. © picture-alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert
Gäste: Historiker Tillmann Bendikowski / Ansgar Klein, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement · 17.12.2016
Hilfsbereitschaft ist fundamental wichtig für unsere Gesellschaft, glaubt der Soziologe Ansgar Klein. Er sagt: Wer Engagement fördert, fördert die Demokratie. Der Historiker Tillmann Bendikowski warnt vor einer Zunahme der Denunzierung von Helfenden, etwa in der Flüchtlingsbetreuung.
Sie engagieren sich in der Flüchtlingshilfe, der Altenpflege, im Rettungsdienst, in Stadteilzentren und Vereinen: Ohne die Arbeit der vielen freiwilligen Helfer sähe es hierzulande düster aus. 31 Millionen, das sind mehr als 40 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren, engagieren sich ehrenamtlich. Hilfe ist aber auch in der Familie gefragt: Mehr als Zweidrittel der Pflegebedürftigen werden zu Hause und dort meist von ihren Angehörigen versorgt. Und sie ist nicht zuletzt im Alltag wichtig, wenn jemand in einer Notsituation Unterstützung benötigt.
Wie wichtig ist diese Hilfsbereitschaft für unser Miteinander, für unsere Gesellschaft?
"Solange wir uns gegenseitig helfen, geht es der Gesellschaft gut", sagt der Historiker Tillmann Bendikowski, Autor des Buchs "Helfen. Warum wir für andere da sind". Er sieht die Hilfsbereitschaft als sozialen Kitt, der die Menschen verbindet.

Wenn die Kultur des Helfens Risse bekommt

"Der Mensch ist erst mal ein soziales Wesen, und das Helfen wohnt uns sozusagen inne. Es ist eine menschliche Grundtechnik, die aber nicht einfach da ist und sich fortentwickelt und sich jederzeit zeigt, sondern wir müssen das Helfen auch als eine Kulturtechnik verstehen. Als eine Kulturtechnik, die erlernt wird, die weitergegeben wird, die Vorbilder braucht, die Erfahrungen braucht – und die an strukturelle Bedingungen geknüpft ist."
Eine wichtige Rolle komme dabei der Familie zu: "Die Familie ist gewissermaßen die Schule des Helfens. Hier wird das Helfen eingeübt. Eltern, Großeltern und Nachbarschaft leben es den Kindern vor."
Mit Besorgnis beobachtet Tillmann Bendikowski die wachsende Denunzierung von Helfenden, zum Beispiel in der Flüchtlingsbetreuung. Seine Mahnung: "Wo die Kultur des Helfens Risse bekommt, bekommt die Zivilisation Risse."

"Der Sozialstaat darf sich nicht aus seiner Verpflichtung stehlen"

"Engagement macht einen Unterschied und bewegt etwas", sagt Ansgar Klein, Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Im BBE sind mehr als 23 Millionen engagierte Bürgerinnen und Bürger zusammengeschlossen; es vereint mehr als 240 Mitgliedsorganisationen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat.
"Wer sich engagiert, gewinnt nachweisbar wichtige Kompetenzen, steigert seine Kontakte und mischt sich mehr ein." Dem Soziologen geht es um das Helfen als gesellschaftliches Mitgestalten, um Partizipation – und um die Anerkennung dieses Dienstes für das Gemeinwohl.
"Man lernt viel fürs Leben und verändert die Gesellschaft. Deshalb sagen wir: Wer Engagement fördert, fördert die Demokratie." Allerdings habe alle Hilfe auch Grenzen. Freiwilliges Engagement dürfe nicht dazu führen, dass sich der Sozialstaat aus seiner Verpflichtung stehle.
Hilfsbereitschaft – Wie wichtig ist sie für unser Miteinander? Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 Uhr bis 11:00 Uhr mit Tillman Bendikowski und Ansgar Klein. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – und auf Facebook und Twitter.

Informationen im Internet:
Über das BBE
Literatur:

Tillmann Bendikowski: "Helfen. Warum wir für andere da sind"
Bertelsmann Verlag, München 2016
352 Seiten, 19,90 Euro

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