Freihandelsabkommen von USA und EU

TTIP eröffnet Wettlauf nach unten

Kirchentagsteilnehmer halten bei einem Flashmob im Vorfeld einer Veranstaltung im Programm des deutschen evangelischen Kirchentags Schilder mit der Aufschrift "Stoppen Sie CETA!" und "Stoppen Sie TTIP"
Protest gegen TTIP kommt von Aktivisten, Wissenschaftlern, den Kirchen und einigen Parteien. © dpa/picture alliance/Bernd SettnikWolfram Kastl
Von Mute Schimpf · 14.07.2015
"Das trojanische Pferd TTIP muss gestoppt werden", fordert Mute Schimpf. Seit zwei Jahren engagiert sich die Aktivistin in Brüssel bei der NGO "Friends of the Earth Europe", um die Lebensmittelstandards in der EU mindestens zu erhalten. Der Kommentar der Food-Campaignerin warnt zum Beispiel vor einer Beeinflussung der Gentechnik-Gesetze.
Seit Herbst 2012 beschäftige ich mich mit TTIP und wie dieses Abkommen unsere Art Lebensmittel zu erzeugen, grundlegend verändern könnte. Das lese ich aus einigen Verhandlungspapieren der EU-Kommission und auch aus durchgesickerten Absichtserklärungen der US-Unterhändler. Die EU-Gesetzgebung wird in weiten Teilen als eine Handelsbarriere gesehen, die umgangen oder abgeschafft werden soll.
Doch Gesetze zum Schutz der Umwelt, der Lebensmittelsicherheit und für eine nachhaltige Landwirtschaft sind die Ergebnisse langwieriger gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Sie sind keine überflüssige Bürokratie, wie man es in der TTIP-Diskussion oft hören muss!
Bundesweite Gesetze in den USA greifen erst auf dem Schlachthof
Die gravierenden Unterschiede im Lebensmittelrecht zwischen den USA und der EU haben gute und wichtige Gründe: In der EU haben wir von der Kennzeichnung über die Hygienevorgaben bis hin zur Zulassung alle zentralen Gesetze EU-weit harmonisiert. Das heißt jeder Betrieb von Warschau bis Porto muss sie einhalten. Hinzu kommt, dass mögliche Risiken seit der BSE-Krise entlang der gesamten Kette verringert werden sollen. Von Anfang bis Ende.
Hühner in einem Geflügelschlachthof
Selbst die europäische Geflügelbranche sei nervös wegen TTIP, sagt Mute Schimpf.© dpa / picture alliance
In den USA ist das ganz anders. In den USA greifen beispielsweise bei der Fleischerzeugung bundesweite Gesetze erst ab dem Schlachthof. Aber was ist davor? Wenn die Tiere gefüttert werden oder Medikamente erhalten? Die Hygiene auf den Höfen oder der Weg zum Schlachthof - all das regeln bestenfalls die Bundesstaaten. Bundesweite Gesetze: Fehlanzeige. Das zeigt sich beispielhaft beim oft zitierten Chlorhühnchen. Da wird am Ende der Schlachtkörper in Chemikalien getaucht, um die Bakterienbelastung, die im Vorfeld entsteht, zu verringern. Selbst die europäische Geflügelbranche macht das nervös. Sie hat in Lobbygesprächen unterstrichen, dass die europäische Herangehensweise, Keimbelastungen entlang der Erzeugungskette zu vermindern, erhalten werden muss.
Was geschieht mit der Gentechnik?
Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage der Gentechnik. Besserer Marktzugang für Gentechnik-Ware aus den USA ist erklärtes Ziel der US-Verhandler Die EU-Kommission hingegen beteuert, die EU-Gentechnik-Gesetze werden nicht geändert. Das kann sie mittels eines Handelsabkommens auch gar nicht. Jedoch kann die Umsetzung dieser Gesetze sehr wohl via TTIP beeinflusst werden. Und Umsetzung heißt hier, nach welchen Regeln neue Gentechnik-Lebensmittel zugelassen werden, welche Grenzwerte festgelegt werden oder ob zum Beispiel Verunreinigungen mit nicht zugelassenen Gentechnik-Produkten in Lebensmitteln und Saatgut erlaubt werden sollen.
Das alles ist noch nicht klar, die Verhandlungen laufen. Bisher sieht es für mich so aus, dass TTIP uns im Bereich Lebensmittelerzeugung und Landwirtschaft in einen Wettlauf nach unten stößt. Deswegen muss das trojanische Pferd Freihandelsabkommen gestoppt werden.
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