"Freier Fall"

Von Hannelore Heider · 22.05.2013
Behutsam und verständnisvoll nähert sich Regisseur Stephan Lacant einem schwierigen Thema: Nicht nur entsteht hier eine Beziehung zwischen zwei Männern in einem feindlichen Umfeld, alleine die Entdeckung seiner homosexuellen Leidenschaft löst im Helden einen Konflikt aus; er ist verheiratet, seine Frau schwanger.
Stephan Lacant erzählt in seinem Langspielfilmdebüt, das in diesem Jahr die Reihe "Perspektive deutsches Kino" der Berlinale eröffnete, eine schwule Liebesgeschichte in einem besonderen Umfeld – der Bereitschaftspolizei. Trotzdem liegt der Schwerpunkt seiner Geschichte nicht auf der Unmöglichkeit, eine homosexuelle Liebesbeziehung in einem feindlichen Umfeld zu leben, auch wenn das durchaus thematisiert wird, sondern in dem Konflikt, den allein schon die Entdeckung dieser Leidenschaft im Helden auslöst.

Marc (Hanno Koffler) ist nicht nur Polizist mit Leib und Seele, sondern auch verheiratet und werdender Vater. Gerade hat er mit seiner Frau Bettina (Katharina Schüttler) eine Doppelhaushälfte neben seinen Eltern bezogen, weil es einfach praktisch ist und bei der Kinderbetreuung helfen wird. Der Film hütet sich, diese engen familiären Bindungen oder die Ehe irgendwie zu diffamieren. Aber als Marc bei einem Fortbildungskurs Polizeikollegen Kay (Max Riemelt) kennenlernt, entdeckt er ein anderes Ich.


Kay ist sich seiner Homosexualität sicher, Marc noch lange nicht. Behutsam gefilmt und einfach grandios gespielt, erleben wir die beiden Männer gemeinsam beim Joggen, beim Rauchen, Sich Necken und endlich - qualvoll für Marc - dem ersten Kuss. Dass sich hier eine so leidenschaftliche wie innige Beziehung entwickelt, sieht der Zuschauer und auch, dass der Konflikt kommen muss. Trotzdem nimmt unser vorauseilendes Verstehen dem Film nichts von seiner Spannung oder Intensität. Es ist ein für Marc wie Kay quälender Prozess der Selbstfindung und letztlich unvermeidbar der Ablösung von ehelichem und väterlichem Glück, von der Geborgenheit in der Familie.

Hanno Koffler und Max Riemelt sind mit ihrer Darstellung die Seele des Filmes, aber eingerahmt wird ihr berührendes Spiel durch die durchweg gute Besetzung der Nebenrollen, vor allem mit Katharina Schüttler als Marcs Frau, und einer klugen Dramaturgie, die die Höhepunkte im Spiel der beiden Hauptdarsteller zu setzten weiß.

BRD 2013. Regie: Stephan Lacant. Darsteller: Hanno Koffler, Max Riemelt, Katharina Schüttler. 101 Minuten, ab 12 Jahren.