Frankreich

Bürgerrechte und Freiheiten in Gefahr

Der französische Präsident François Hollande neben einer EU-Flagge.
Hollande müsste endlich gegen die Ausgrenzung von Millionen Franzosen aus den Banlieues vorgehen, meint Burkhard Birke. © dpa/picture alliance/Javier Lizon
Von Burkhard Birke · 18.11.2015
Nach den Anschlägen von Paris avanciert ausgerechnet ein sozialistischer Präsident zum Kriegsherrn und Hardliner, kommentiert Burkhard Birke. Doch in einem zum Krieg erklärten Kampf gegen den Terror drohten nun Prinzipien und fundamentale Bürgerrechte über Bord zu gehen.
Die Grande Nation schlägt zurück. Erfolgreich hat sie durch die Razzia in Saint- Denis heute weitere Anschläge verhindert, gefährliche Terroristen dingfest gemacht. In Syrien bombardiert Frankreichs Luftwaffe Stellungen des erklärten Feindes, des Islamischen Staates. Ausgerechnet ein sozialistischer Präsident avanciert dabei zum Kriegsherrn und Hardliner.
Eine total verunsicherte Bevölkerung mag das beruhigen – obwohl sie weiß, dass es kein wirklich probates Mittel gegen Terrorismus gibt, es aber sehr wohl eine Strategie geben könnte, das Problem an der Wurzel zu packen.
Heiligt der Zweck in diesem Fall wirklich die Mittel? Ist auch dieser Krieg nach Clausewitz nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mittel, und wenn dann welcher Politik? Nur weil sein Feind auch unser Feind ist avanciert der wegen seiner Ukrainestrategie geschmähte russische Präsident Putin plötzlich zum Verbündeten! In einem zum Krieg erklärten Kampf gegen den Terror drohen nun Prinzipien und fundamentale Bürgerrechte über Bord zu gehen.
Das Volk, das Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Werte in die Welt getragen hat, klatscht unter dem Schock der 129 Todesopfer sogar noch Beifall: Laut Umfrage haben 84 Prozent der Franzosen kein Problem mit einer Beschränkung ihrer Freiheiten, drei Viertel möchten sämtliche 11.000 als potenzielles Sicherheitsrisiko eingestuften Personen im Land am liebsten hinter Gittern sehen, auch wenn diese sich nichts zuschulden kommen gelassen haben.
Europa muss Terrorismus gemeinsam bekämpfen
Drei Fünftel wollen die Grenzen für Migranten dicht machen. "Au revoir" Europa: Das vereinte Europa der offenen Grenzen könnte zur Freude von Marine Le Pen und anderen Rechtspopulisten wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Das, was die EU-Politiker nicht geschafft haben, ist den Terroristen gelungen: Sie haben ihr Netzwerk europaweit gespannt. Es ist höchste Zeit, dass sich Europa beim Kampf gegen Terror und Verbrechen besser organisiert, dass gemeinsam und nicht gegeneinander in der Flüchtlings- und Integrationspolitik agiert wird.
Dabei fördert die schreckliche Attacke Versäumnisse zutage: Die identifizierten und mutmaßlichen Attentäter des schwarzen Freitag, dem 13., waren den Sicherheitsbehörden keineswegs unbekannt. Saint-Denis, Molenbeek, vor allem aber Toulouse und andere Orte waren bekannt als Nährboden für Hassprediger und Radikalisierung. Weshalb hat man nicht längst agiert? So wichtig und richtig es sein mag, die Instrumente und Kräfte für Sicherheit aufzustocken - unter Missachtung des Stabilitätspaktes -, entscheidend wäre, endlich gegen die Ausgrenzung von Millionen Franzosen aus den Banlieues vorzugehen. Solange sich die meist arbeits- und perspektivlose Jugend dort der Grande Nation nicht zugehörig fühlt, wachsen dem Terror wie bei einer Hydra ständig neue Köpfe nach.