Franke: UCI ist "total korrupter Haufen"

Werner Franke im Gespräch mit Marietta Schwarz · 27.08.2012
Der Heidelberger Molekular-Biologe Werner Franke ist empört über den Umgang mit dem Thema Doping im Weltradsportverband UCI. Gleichzeitig lobt er das Vorgehen der US-Antidoping-Agentur USADA im "Fall Lance Armstrong" als vorbildlich. Doch trotzdem: Franke sieht in den aktuellen Vorgängen um Lance Armstrong keinen Epochenwechsel im Radsport.
Marietta Schwarz: Scheitern, das war nie seine Sache. Lance Armstrong hat den Krebs bekämpft, sämtliche Rivalen auf dem Rennrad besiegt und hat sich auch jahrelang gegen Doping-Vorwürfe gewehrt. Jetzt aber gibt er auf, genug ist genug, so seine Reaktion auf die Anschuldigungen der amerikanischen Anti-Doping-Behörde USADA. Seine sieben Tour-Siege dürften somit futsch sein. Für den Rest seines Lebens bleibt der 40-Jährige für jegliche Wettkämpfe gesperrt. Und was passiert jetzt mit Armstrongs Medaillen? Nur eine von vielen Fragen, die sich daraus ergeben. Fragen an den Anti-Doping-Experten und Molekularbiologen Professor Werner Franke, der jetzt am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Franke!

Werner Franke: Schönen guten Morgen!

Marietta Schwarz: Das Durchgreifen der USADA und der Rückzug Armstrongs - ist es der Epochenwechsel im Radsport, von dem jetzt viele sprechen, Herr Franke?

Franke: Das kann man nicht so sagen. Das sind ja einzelne Personen, auch bei USADA, vor allen Dingen Richard Young, den ich persönlich gut kenne. Das sind Leute, die einfach nicht aufgeben, wenn um sie herum auch alles korrupt ist, nicht. Das war ja schon wieder bei der Staatsanwaltschaft Los Angeles eingestellt. Es gibt aber mehr als zehn Aussagen von Zeugen, also Mannschaftskameraden von Armstrong und es gibt also sehr belastende, belastbare Dinge, und deshalb hat er jetzt, anscheinend von seinen Anwälten beraten, eben auch aufgegeben. Es wäre peinlich geworden vor Gericht. Und dann geht man in den USA ja in eine Falle, in die man in Deutschland nicht gehen kann. In Deutschland darf man ja, da gibt es ja Saaleschologie, nach dieser Richterin Saalesch benannt: Hat jemand eine Frage? - Die Wahrheit ist völlig uninteressant. Ich habe es auch schon in Gerichtsverfahren erfahren, übrigens zum Beispiel vor Jan Ullrich, da darf man lügen. In den USA gehen Sie da ganz schnell, vor einer Grand Jury, gehen Sie dann in den Knast. Sie haben das gesehen bei Marion Jones. So ein ähnliches Ding hätte ihm unter Umständen gedroht.

Marietta Schwarz: Ein harter Vorwurf. Die Reaktion, Herr Franke, des Weltradsportverbandes UCI, die steht ja noch aus - wird er sich nicht vor seine Sportler, vor Lance Armstrong stellen? Zumal es ja auch bei der Aberkennung der Titel um Verjährungsfristen geht?

Franke: Nein, also das ist das letzte, was einen interessieren kann, was die UCI macht, das war ein total korrupter Haufen in der Vergangenheit ja schon, die haben sich wohl von Lance Armstrong bezahlen lassen sogar, das ist ja auch erwiesen dabei, also Geld nehmen, schlimmer geht es ja gar nicht, und das ist geleitet immer durch sehr zwielichtige Figuren. Kann man also einfach vergessen, das tut sicherlich die USADA auch. Die UCI ist völlig bedeutungslos, was Ehrlichkeit angeht.

Marietta Schwarz: Aber die Frage ist doch jetzt natürlich, wer bekommt die Titel. Unter anderem käme ja auch ein wegen Dopings schuldig gesprochener Jan Ullrich an die Reihe, der sie offenbar gar nicht haben will.

Franke: Ja, was heißt: Nicht haben will? Da sind fünf, sechs Leute, das ist doch Kabarett. Die sind alle versaut! Alle, ja? Die da gewonnen haben. Und das ist ja auch dann schon bekannt, und deshalb ist - nein, Jan Ullrich ist eine Kabarettnummer. Das - also, was soll denn da noch ehrlich werden. Das einzige, hat ja schon der Vorsitzende des Ganzen, des Bundes Deutscher Radfahrer, Herr Scharping, gesagt, man sollte doch dann keinen Siegernamen einsetzen, das wäre dann das Ehrlichste in all den Jahren. Das finde ich auch.

Marietta Schwarz: Armstrongs amerikanische Radkollegen haben den Profi zu Fall gebracht, Sie haben das schon angedeutet, indem sie öffentlich ausgepackt haben. Ja, und in der deutschen Radsportszene, da herrscht ja nach wie vor Verschwiegenheit, also: Wird dieses Urteil Auswirkungen auf den deutschen Radsport haben?

Franke: Ob das amerikanische Verfahren Auswirkungen hat, das bezweifle ich noch. Gut, es hat die Auswirkung, dass man nun um so besser weiß, dass man niemand glauben kann dabei, nicht? Aber das war ja bei Jan Ullrich auch schon. Da gibt es mehrsprachige Erklärungen, er kenne Herrn Fuentes gar nicht, dabei ist er über 20 mal da hingereist und hat sich Blut abnehmen lassen oder wieder reingeben lassen und so weiter. Ihren Fragen entnehme ich, dass Sie immer noch einen Restglauben an irgendeine Ehrlichkeit im Profiradsport haben.

Marietta Schwarz: Aber natürlich! Nein. Herr Franke. Sie haben eben Einspruch eingelegt im Fall der Freisprüche der Freiburger Mediziner Heinrich und Schmid.

Franke: Nein, habe ich noch nicht.

Marietta Schwarz: Werden Sie aber tun?

Franke: Na, ich prüfe das noch. Da muss man ja sehen, was dahintersteht. Das ist eine ganz grundsätzliche Frage dahinter. Ich kann es Ihnen so sagen: Alle Urteile wegen Dopings bei DDR-, zum Beispiel, -Sportmedizinern und auch anderen Tätern sind gesprochen worden, nicht - obwohl es das auch in der DDR ganz ordentlich gab - [zu] Arzneimittelgesetzen, sondern wegen Beihilfe zur Körperverletzung oder direkt zur Körperverletzung. Dieses ist aber nun gar nicht - seitdem es die Wiedervereinigung gibt und vorher auch bei Westdeutschen - … Ermittlungsgegenstand gewesen. Und das können Sie auch - das ist unbefriedigend- zum Beispiel lesen, und zwar sehr direkt geschrieben, in dem Standardkommentarwerk zum Arzneimittelrecht, das ja gerade in Neuauflage erschienen ist von dem früheren Oberstaatsanwalt in Frankfurt, Herrn Körner. Das heißt also: Die Körperverletzung ist gar nicht ermittelt worden, das ist unabhängig übrigens davon, ob sie eintritt oder nicht. Wenn ich keinen ärztlichen Grund habe, weder einen therapeutischen noch einen diagnostischen, ein solches Mittel zu geben, das immer mit der Möglichkeit auch von schädlichen Nebenwirkungen (Das gilt für alle potenten Arzneimittel) behaftet ist, dann begehe ich eine Straftat. Und dieses ist erstaunlicherweise wieder einmal in Freiburg überhaupt nicht beachtet worden, was deshalb besonders grotesk ist, weil die Staatsanwaltschaft Freiburg gerade zur Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Dopingfragen ...

Marietta Schwarz: Aber warum tut sich die deutsche Justiz so schwer mit den Verurteilungen?

Franke: Ja, da haben wir wieder das Thema, ich komme wieder in dieses Wort, was ich "Staatskorruption" nenne: Man wollte das nicht. Man war ja fast schon so weit, es auch direkt ins Strafgesetzbuch aufzunehmen, ins Strafrecht. Und dann ist das ja in letzter Minute anscheinend durch eine Intervention von Herrn Bach oder von einem Olympiamenschen wieder mal daran gescheitert. Also das ist - bei uns gibt es Kräfte, die es im Staatssinne halten, sportliche Erfolge auch damit in Kauf zu nehmen. Ich erinnere nur an Herrn Schäuble, nicht wahr, von dem es ja direkte Zitate aus früheren Jahrzehnten gibt dazu.

Marietta Schwarz: Einschätzungen des Anti-Doping-Experten Werner Franke zum Fall Lance Armstrong und zur Doping-Aufklärung oder -nichtaufklärung. Herr Werner, vielen Dank für das Gespräch!

Franke: Danke!

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