Fotograf

Künstler und Promis vor der Linse

Fotograf Ludwig Rauch im Profil
Porträtfotograf mit Sinn für Poesie: Ludwig Rauch © Deutschlandradio Kultur
Von Gerhard Richter · 14.05.2014
In der DDR durfte er seine Bilder nicht veröffentlichen, also machte Ludwig Rauch Repliken und Abzüge für andere Künstler. Er beginnt, den Kunstbetrieb zu fotografieren. Das ist bis heute sein Erfolgsrezept geblieben.
"Ich bin ja nicht so der Sensationsfotograf oder sowas."
Ludwig Rauchs Bilder - die meisten in Schwarz-weiß - zeigen die Welt, wie sie ist. Sind Menschen abgebildet, wirken sie ganz unverkrampft. Mal freundlich, mal ernst. Immer konzentriert und präsent. Die Motive spiegeln die Haltung des Fotografen.
"Es ist halt die Frage, wie man dem Leben gegenübertritt, also ob man eine gewisse Empathie hat und versucht, das Leben oder die Welt zu beobachten, oder ob man versucht, ihr seinen eigenen Stempel aufzudrücken."
Seit rund 30 Jahren fotografiert Ludwig Rauch. Mit Augenzwinkern und Sinn für Poesie. Mit der altmodischen Plattenkamera auf Hochzeiten, mit der schnellen Spiegelreflex in Flüchtlingslagern, mit der Makrolinse im botanischen Garten, und mit Atemnot in der Abgaswolke eines Raketenstarts im russischen Baikonur.
"So hab ich mir Fotograf immer vorgestellt, dass man durch die Welt reist und viel erlebt und Leute kennenlernt, und vielleicht auch an ungewöhnliche Orte kommt. Oder in ungewöhnliche Situationen. Und das war ja der Traum meiner Kindheit sozusagen."
Als 13-Jähriger machte er sein erstes Foto
Geboren ist Ludwig Rauch 1960 in Leipzig und wächst im thüringischen Stadtroda auf, wo sein Vater Kreistierarzt ist und den Jungen häufig mitnimmt - zu Kleinbauern oder zu großen Milchviehanlagen. Vor seinen Augen passieren Zeugung, Geburt, Krankheit und Tod. Bilder, die prägen. Mit zehn Jahren zieht er mit seiner Familie nach Berlin, und mit 13 macht Ludwig Rauch sein erstes wirklich eigenes Foto:
"Ich wollte unbedingt ein Bild von einem Wolf."
Vom Naturkundemuseum borgt er sich Fotoapparat, Teleobjektiv und Stativ und postiert sich im Tierpark vor dem Wolfsgehege. Den belichteten Film bringt er abends ins Fotolabor des Naturkundemuseums.
"Frühmorgens hatte ich sozusagen meinen aller allerersten Film entwickelt und mein erstes Bild und ein Wolf war drauf und ich war glücklich."
DDR-Arbeiter - schmutzig und verschwitzt
Seitdem ist die Kamera ein häufiger Begleiter und wird zum beruflichen Mittelpunkt. Ludwig Rauch studiert Bildjournalistik in Leipzig. Der 1,90 große athletische junge Mann mit raspelkurzen schwarzen Haaren startet 1986 seine Karriere als Bildjournalist. Monatelang begleitet er die Brigade Karl Marx beim VEB Elektrokohle Berlin und zeigt die Arbeiter, wie sie wirklich sind. Schmutzig, verschwitzt, mit Bier und Zigarette in heruntergekommenen Werkshallen. Die Bilder werden vom Chefredakteur der Neuen Berliner Illustrierten rundweg abgelehnt.
"Der Grund wird wohl gewesen sein, dass man selber also in Form des Chefredakteurs, oder der Partei ein anderes Bild von der Arbeiterklasse im Kopf hatte, als das, was nun plötzlich vor ihm auf dem Schreibtisch lag."

Die Konsequenz: Ludwig Rauch darf seine journalistischen Bilder in der DDR nicht mehr veröffentlichen. Nach dem ersten Schock über das Publikationsverbot beginnt er ein zweites Studium, wieder in Leipzig, aber dieses Mal an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Um sich über Wasser zu halten, macht er Reproduktionen der Werke anderer Künstler.

"Künstler brauchten damals wie heute Bilder von ihren Bildern oder von ihren Plastiken oder von ihren Kunstwerken."
Sie haben in Rauchs Objektiv geblickt: Muhammad Ali, Walser, Adorf und Baselitz
Bei diesen Gelegenheiten fotografiert er auch gleich die Künstler selbst. Die Bilder des damals jungen Malers Neo Rauch beispielsweise gehören zum Grundstock einer langen Porträt-Reihe. Bis heute hat Ludwig Rauch 600 Persönlichkeiten abgelichtet. Muhammad Ali, Martin Walser, Mario Adorf. Georg Baselitz und Gerhard Schröder haben in Ludwigs Rauchs Objektiv geblickt.

Mittlerweile bittet er Promis vor die Linse, die langjährige Freundschaften miteinander pflegen. Reinhard Mey und Hannes Wader, zwei Sänger-Gefährten, beide im schwarzen Pulli, Dreitagebart, sanft aneinander gelehnt.

Die Bilderserie aus dem Kunstbetrieb ist ebenfalls lange gewachsen: dessen ausschweifende Parties, die schwerreichen Sammler und das scheinbar gewöhnliche Kunstpublikum auf der Biennale oder der Art Basel. Ludwig Rauch entdeckt die kleinen Sensationen: Das wirre Muster eines Bildes findet sich auf dem Hemd eines Betrachters wieder, oder eine kunstvolle Hochsteckfrisur korrespondiert plötzlich mit einer abstrakten Installation. Als ob die Bilder ihre Betrachter suchen.

"Dann guckt man genauer hin und dann merkt man eigentlich, was für skurrile und ulkige Situationen entstehen, wenn Menschen sich Bilder anschauen. Und das sind natürlich schon so Phänomene, die einen regelrecht dazu auffordern, jetzt ein Bild zu machen."
Manchmal macht Ludwig Rauch selber Kunst und bricht in seinem Berliner Atelier zu optischen Abenteuern auf. Er belichtet alte Motive neu, stellt sie nebeneinander oder schichtet sie. Dabei erzählt er rätselhafte Geschichten. Die Grenze zwischen Fotografie und Kunst verwischt.
"Ich hab' mir darüber immer mal wieder tiefere Gedanken gemacht, aber ich komm nicht auf den Dreh, wie das zu unterscheiden sein soll: Also warum, wann, eine Fotografie Kunst ist, also diese Erkenntnis habe ich noch nicht gewonnen."
Eine offene Frage, die er mit seiner Kamera vielleicht noch beantworten wird.
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