Forschungsprojekt an der TU Berlin

Weltgeschichte des Kunstraubs

Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy
Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy © AFP / Patrik Stollarz
Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 19.09.2017
Seit es Kriege gibt, gibt es auch den Raub von Kunst- und Kulturgütern durch die erobernden Truppen. Ein Forschungsteam an der TU Berlin will jetzt eine Art Weltgeschichte des Kunstraubs erstellen. Projektleiterin Bénédicte Savoy will aber den Begriff Kunstraub vermeiden.
Wie umgehen mit geraubter Kunst? Bei der Konzeption ethnologischer Museen, beim Humboldt-Forum in Berlin, im Falle der Kunstsammlung Gurlitt wurde und wird darüber diskutiert. Doch das Thema Kunstraub hat die Menschen auch schon in der Antike beschäftigt: Der römische Politiker und Philosoph Cicero hat den ersten großen Text über Provenienzforschung verfasst.
Bénédicte Savoy, Kunsthistorikerin an der TU Berlin, will mit einem internationalen Team eine Weltgeschichte des Kunstraubs erarbeiten.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft verlieh der Wissenschaftlerin 2016 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis. Mit 2,5 Millionen Euro ist dieser der am höchsten dotierte Wissenschaftspreis in Deutschland. Nun startet das aus den Forschungsgeldern finanzierte dreijährige Projekt "translocations – Historical Enquiries into the Displacement of Cultural Assets".
Savoy und ihr Team wollen das Thema universell angehen:
"Wir wollen es versuchen, transnational zu sehen und in die historische Tiefe zu gehen, denn schon seit Cicero redet man über den Umgang mit Translokationen von Kulturgütern."

Das Wort "Kunstraub" sei wertend

Savoy und ihr Team haben sich entschlossen, den Begriff "Translokationen von Kulturgütern" zu benutzen, statt z.B. von Kunstraub zu sprechen. Das klingt nicht nur wertfrei, sondern meint es auch so, weil:
"Alle Wörter, die man sonst benutzt in den unterschiedlichen Sprachen, nicht nur in der deutschen Sprache, Emotionen und Perspektiven mit sich tragen, die schon eine Deutung des Geschehens sind. Also man spricht in Deutschland von Beutekunst, wenn es um die Russen geht, aber von Kunstraub, wenn es die Nazis sind, in Frankreich spricht man heute noch bei Napoleon von Kunst-Eroberungen, jedes Wort hat eine Sicht mit sich."
Die Experten für Provenienzforschung im Museum Wiesbaden, Miriam Merz und Peter Forster, untersuchen am 10.12.2013 im Landesmuseum Wiesbaden (Hessen) die Rückseite eines Bildes. Das Museum Wiesbaden hat 1999 begonnen, alle zwischen 1933 und 1945 erworbenen Kunstwerke auf ihre Herkunft zu überprüfen.
Provenienzforscher untersuchen im Landesmuseum Wiesbaden die Rückseite eines Bildes.© picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Translokation ist ein Wort aus der Chemie und bedeutet "den Transfer von Punkt A nach Punkt B und die Transformationen, die damit verbunden sind", so Savoy. In dem Sinne wolle sie mit ihrem Team "verschiedene Formen von Verlagerung unter die Lupe nehmen, die möglicherweise kein Kunstraub sind, sondern ganz redliche archäologische Ausgrabungen oder Kunstmarktgeschichten".

Welches Kunstwerk wanderte wohin?

In einer Gruppe von 16 Forschern aus acht Nationalitäten und acht Disziplinen soll das Thema aufgearbeitet werden in vier Kernthemen: So sollen Bilder gesammelt und untersucht werden, die seit der Antike in Reliefs, Bildern, Stichen, Filmen Bewegungen von Kunstwerken zeigen.
Ferner soll ein Atlas erstellt werden, der die Bewegungen von Kunst nachvollziehbar macht. Eine Sammlung wichtiger Quellen zum Thema soll erstellt werden. Ihre Forschung wird Museen, Sammler und Kunsthändler nicht unter Zugzwang setzen, glaubt Savoy.
"Das neue, was wir leisten wollen, ist ein historischer Beitrag zur Entspannung und Reflexion, der auch die sogenannten, ich finde den Ausdruck immer etwas komisch, sogenannten Herkunftsländer miteinbezieht."
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