Förderung von Start-ups in Berlin

Im "hub:raum" der Deutschen Telekom

Ein Pfeil als Wegweiser zeigt in Berlin auf der Digital-Konferenz Next Berlin 2013 "Here be Dragons" im Berlin Congress Center den Weg zur Start-up Stage von Hub:raum, dem Accelerator Programm der Telekom. Foto: Jens Kalaene/dpa
Schild "Start-up Stage" vom Hub:raum der Deutschen Telekom © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Susanne Arlt · 28.07.2015
Keine festen Bürozeiten, dafür Raum für Kreativität: Für viele Berufseinsteiger existiert der klassische Arbeitstag schon lange nicht mehr. Selbst große Unternehmen wie die Telekom zeigen sich flexibel, der Konzern betreibt in Berlin einen Extrabereich nur für Start-ups.
Hier liegt sie also, die schöne neue Arbeitswelt der Deutschen Telekom. Nicht im schicken Berlin-Mitte, sondern im schnöden Schöneberg. In dem roten Backsteingebäude in der Winterfeldstraße firmierte vor knapp 100 Jahren das Fernmeldeamt eins, größte Vermittlungsstelle Europas.
"Grüß Gott und herzlich willkommen im ´hub:raum'."
Peter Borchers ist der Schöpfer des "hub:raums". Der jungenhaft wirkende Mittvierziger mit Brille denkt aber keineswegs an schwere Limousinen mit acht oder zwölf Zylindern – aber irgendwie doch an ein Kraftzentrum.
"Also der ´hub:raum` ist Inkubator der Deutschen Telekom."
Der "hub:raum" als Inkubator der deutschen Telekom? Erst einmal müssen die Begriffe geklärt werden. "hub:raum" kommt aus der Welt der Motoren und Inkubator stammt eigentlich aus der Medizin. Die Telekom als Kraftzentrum für Frühchen? Na ja: "Brutkasten für Frühgeborene" – als Arbeitsplatz klingt das irgendwie komisch. Dabei soll der "hub:raum" genau das sein. Ein Lebensretter. Ein Ort, der ein optimales Klima schafft, in dem Frühgeborene in aller Ruhe heranreifen.
Ortsbesichtigung: Auf der "Station" im ersten Stock liegen allerdings keine Säuglinge. Hinter ihren Schreibtischen sitzen unternehmerische Frühchen. So genannte Start-ups.
"Man soll sich wohlfühlen und dabei möglichst auch gute Arbeit machen."
Café, bequeme Lounge-Sessel, moderne Kunst
Darum finden innovative Köpfe im "hub:raum" ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Umfeld. Neben den Büroräumen im ersten Stock gibt es im Erdgeschoss ein Café, bequeme Lounge-Sessel, moderne Kunst an den Wänden. Internetanschluss und eine Gamer-Höhle gehören zur Grundausstattung, erzählt Peter Borchers stolz.
"Wir haben sogar ein eigenes Fitnessstudio... Das ist ja auch jetzt so nix Neues. Na, für die Telekom schon... Hier ist ne Küche. Das ist einer der zentralen Treffpunkte sowohl für unsere Start-up-Teams als auch für uns selbst."
Der Name "hub:raum" wurde mit Bedacht gewählt. In ihm steckt das englische Wort hub für Netzknoten oder Drehkreuz. Es soll sich etwas bewegen. Auch in der Nähe eines großen Konzerns, der sonst eher als träger Tanker daherkommt. Co-Working heißt das Zauberwort. Drei Jahre lang musste Peter Borchers seine Vorgesetzten bearbeiten, bis er sie von der Idee des "hub:raums" überzeugte. Inzwischen ist die Neugierde groß. Fast alle Dax-Konzerne waren zu Besuch. Sie wollen wissen, wie diese Ideenschmiede funktioniert. Aber Überlebenschancen im Inkubator haben nur Gründer, deren Produkte für die Telekom interessant sein könnten.
"Wir geben ihnen Geld, bis zu 300.000 Euro. Wir geben ihnen einen Arbeitsplatz hier in unserem Co-Working-Space. Wir unterstützen sie aktiv in allen gründungsrelevanten Dimensionen."
Eine Zukunftsinvestition. Natürlich ist in einem Konzernleben nichts umsonst.
"Wir bekommen von den Start-ups Anteile, durchschnittlich zwischen zehn und 15 Prozent."
Dafür hilft ein Team der Telekom den unternehmerischen Frühchen bei der Entwicklung ihrer Prototypen. Sucht für sie kompetente Software-Entwickler auf der ganzen Welt. Begleitet sie, wenn sie an den Markt gehen. Und verbindet – bei Erfolg – ihre Ideen mit dem Konzern.
"Dadurch ist der "hub:raum" im Grunde eine Art neues schönes Werkzeug im großen Werkzeugkasten der Innovationen eines großen Konzerns."
Bislang hat der Konzern 4500 Start-ups kennengelernt und somit einen exzellenten Marktüberblick darüber, was es an innovativen Ideen in ihrem Bereich so gibt. Der "hub:raum" bleibt aber Experimentierfeld. Nicht alle Ideen werden in die Tat umgesetzt.
"Natürlich, das gehört zum Spiel dazu."
Peter Borchers verlässt das Erdgeschoss, läuft hinauf in den ersten Stock. Ein riesiger Fabrik-Loft.
"Jetzt kommen wir im Grunde genommen ins Herz in den "hub:raum", nämlich ins Co-Working-Space, den Ort wo unsere Start-ups arbeiten…"
Lautlos im Weltraum. Dank eines guten Schallschutzkonzeptes lässt es sich auf der Fabriketage erstaunlich leise arbeiten. Meetings oder Telefonkonferenzen finden hinter gläsernen Büros statt. Abheben wollen hier alle. Nicht unbedingt ins Weltall. Lieber in den Gründerhimmel. Die Atmosphäre im Co-Working-Space: möglichst keinen Druck ausüben.
"Die Start-ups sind völlig frei darin, wann sie kommen, wann sie gehen. Manchmal finden wir morgens hier noch jemand, der hier auf oder unterm Tisch schläft. Manchmal ist auch gar niemand da. Wir schreiben den Start-ups nicht vor, wie und wo sie arbeiten."
Lieber arbeiten im Start-up als Masterarbeit schreiben
Felix Anthon sieht nicht so aus, als würde er nachts hier schlafen. Der junge Mann trägt die dunklen Haare ordentlich gekämmt, ein weißes Hemd, eine schwarze Hose. Er hat Internationales Management studiert, auf die Masterarbeit verzichtet, dafür ein Unternehmen gegründet. Flexperto, so heißt sein Start-up, bietet eine digitale Kommunikationsplattform an. Konsumgüter werden schon seit Jahren übers Internet angeboten. Nicht aber Beratungsgespräche. Eine heikle Sache. Was ist schon sicher im Netz. Der 25-Jährige will trotzdem Banken oder Versicherungen diesen Kundenkontakt auf sicherem Weg online anbieten. Kein Wunder, auch die Telekom interessiert an solchen Kommunikationslösungen ist. Doch diese Idee innerhalb eines Konzerns zu entwickeln, kam für Felix Anthonj nie in Frage. Er wollte unabhängig bleiben.
"Weil ich meine eigene Vision verfolge und nicht irgendwo von oben gesagt bekomme, das jetzt bitte machen. Und wenn das Projekt dann doch von irgendeinem Vorstand dann ausgeschaltet wird, dann muss ich es halt wieder sein lassen, dann muss ich was anderes machen, sondern das ist mein Projekt und da lassen wir uns eben auch nicht reinreden."
Statt Festanstellung lieber Risiko. Statt Hierarchie lieber "hub:raum". Doch als Investor sei die Telekom Gold wert, sagt Anthonj. Dieser Konzern denke nicht kurzfristig, sondern strategisch. Er unterstütze ihn bei der Anschubfinanzierung, aber auch bei technischen Problemen. Und sein Name: ein unbezahlbarer Türöffner. Dass sein Unternehmen nicht mehr ihm allein gehört, sondern zum Teil auch der Telekom, das sei halt der Preis dafür. Anteile gibt man ungern als Gründer ab. Aber wenn kein Weg daran vorbeiführt, dann muss man schauen, wem man die Anteile gibt.
Wer in der digitalen Arbeitswelt konkurrenzfähig bleiben möchte, der sollte sich Arbeitsmodellen wie dem Co-Working öffnen. Egal ob Großkonzern oder mittelständisches Unternehmen. Davon ist Ivo Betke überzeugt. Er hat sich darauf spezialisiert, internationale Softwareentwickler nach Berlin zu holen. Auch für die Telekom. Mit zwei Freunden hat er eine Beratungsfirma gegründet, um anderen Unternehmen moderne Arbeitsmethoden näherzubringen. Co-Working sei ein wunderbarer Methodenkoffer. Für beide Seiten, meint Ivo Betke.
"Um eben die jungen Talente, die keine Lust mehr auf den Großkonzern oder das mittelständische Unternehmen haben, sondern sagen, ich will in flexiblen Strukturen arbeiten oder eben zu sagen zu sagen, wie bekomme ich denn Lösungen, die sozusagen außerhalb meiner Sichtweise als Unternehmen passieren, überhaupt auf mein Radar. Und dann ist eben Co-Working ein probates Mittel, um mir diese Innovationskraft ins Unternehmen zu holen und daraus lernen zu können."
Der Inkubator der Telekom, eine Brutstätte für junge Unternehmensgründer. Eine Doppelsieg-Strategie mit dem Ziel, dass alle Beteiligten davon profitieren. Ein Konzept, das auf langfristigen Erfolg und Zusammenarbeit setzt und nicht auf kurzfristigen Gewinn.
Mehr zum Thema