Flüchtlingspolitik

Wo liegen unsere Grenzen bei der Integration?

Anhänger der islamkritischen Bewegung Bagida (Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes) in München halten ein Plakat mit der Aufschrift "Köln ist überall" in den Händen. Bagida ist ein regionaler Ableger der islamkritischen Pegida-Bewegung
Anhänger des bayerischen Pegida-Ablegers Bagida versuchen in München die Silvesterübergriffe von Köln zu instrumentalisieren. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Moderation: Matthias Hanselmann · 16.01.2016
Forderungen nach schärferen Gesetzen, Instrumentalisierung von rechts: Nach Köln hält die Debatte über die Konsequenzen an. Was müssen beide Seiten jetzt tun? Brauchen wir eine offenere Debatte über Integration? Darüber sprechen wir mit der Ex-SPD-Abgeordneten Lale Akgün und dem Politologen Hans Vorländer.
Auch mehr als zwei Wochen nach den Silvester-Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof ebbt die Diskussion über die Konsequenzen nicht ab. Politiker quer durch alle Parteien überbieten sich mit Forderungen nach Gesetzesverschärfungen im Sexual-, Straf- und Asylrecht. Gleichzeitig wächst der Druck von rechts - Bewegungen wie Pegida oder auch die AfD sehen sich in ihrem Weltbild bestätigt und heizen die Stimmung weiter auf.
Wie muss eine ehrliche Diskussion über die Integration aussehen? Was müssen beide Seiten dafür tun? Welche Regeln wollen wir uns als Gesellschaft geben?
"Ich befürchte, dass sich solche Ereignisse wiederholen werden, wenn nicht jetzt sehr klar in der Gesellschaft auch Konsens darüber besteht, was für uns wichtig ist – und was wir eben nicht akzeptieren wollen", sagt die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Psychotherapeutin Lale Akgün. Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Integration; unter anderem hat sie das Landeszentrum für Zuwanderung NRW geleitet.
Ihre Überzeugung: "Wir müssen eine Balance finden zwischen den kulturellen Differenzen und den allgemeinen Werten; wir brauchen auch eine neue gesellschaftliche Konstruktion. Wir können nicht mehr sagen: Wir haben 15 Millionen Gäste. Dann haben wir hier Apartheid." Beide Seiten – die Zuwanderer, wie die aufnehmende Gesellschaft – hätten eine Bringschuld.
"Die Politik hat deutlich an Vertrauen verloren", konstatiert Prof. Hans Vorländer.
Der Politikwissenschaftler hat den Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Dresden inne – und hat unter anderem eine umfangreiche Studie über die Pegida-Bewegung erarbeitet.
"Die Politik muss zeigen, dass sie handlungsfähig ist; und sie ist in der letzten Zeit Handlungsvollzüge schuldig geblieben." Das werde durch den aktuellen Gesetzesaktionismus nicht besser. "Wir beobachten ein praktisches Versagen im Staatshandeln, zum Beispiel bei der Polizei. Wir haben eine ungesteuerte Zuwanderung, das darf man nicht in Abrede stellen – und wir haben ein großes staatliches Nichtwissen: Offiziell sind es 1,1 Millionen Flüchtlinge, wir können durchaus von weiteren 300.000 bis 400.000 ausgehen."
Hier sei nicht nur die Gesellschaft gefragt, mitzuhelfen – was sie im Übrigen bewundernswert tue – auch der Staat müsse zeigen, dass er die Sache im Griff hat. Dazu gehöre auch eine ehrliche Diskussion:
"Wenn 40 Prozent der Maghreb-Migranten auffällig werden, aber nur 0,4 Prozent der eingewanderten Syrer, dann muss man das benennen. Das Einzige, was hilft, ist Differenzieren."
Derzeit herrsche eine geradezu verbarrikadierte Diskussion, dabei seien dringend Maßnahmen erforderlich, die Zuwanderung – und das Zusammenleben – zu regeln.
"Wir müssen uns darüber klar werden, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft sind, die aber Regeln hat – und darauf muss man sich einigen."
Wendepunkt Köln – Wo liegen unsere Grenzen bei der Integration?
Darüber diskutiert Matthias Hanselmann heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Lale Akgün und Hans Vorländer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de und auf Facebook und Twitter.
Informationen im Internet:
Über Dr. Lale Akgün
Über Prof. Dr. Hans Vorländer
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