Flüchtlingsfrage

An Merkel kommt die CSU nicht vorbei

Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gast bei der CSU-Landtagsfraktion, 20.1.2016 Wildbad Kreuth
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der CSU-Landtagsfraktion © afp / Peter Kneffel
Von Katharina Hamberger · 23.01.2016
Der Druck auf die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage wächst, doch sie wird ihm vorerst nicht nachgeben – und sie sollte es auch nicht, meint Katharina Hamberger. Denn mögen ihre Kritiker aus der CSU auch noch so laut tönen, sie wissen doch: Ohne Merkel geht es im Bund nicht.
Es vergeht kaum eine Woche, die medial nicht mit dem Fazit endet: Bundeskanzlerin Merkel unter Druck. Weil CSU-Chef Seehofer enttäuscht ist, weil seine Partei, vor allem die Landtagsfraktion mal wieder laut brüllt, weil die Österreicher das Wort Obergrenze aussprechen und weil Briefe geschrieben werden, von denen einer bei genauerem Hinsehen kein Brandbrief, sondern ein Feuerlöscher ist.
Natürlich steht die Kanzlerin unter Druck – so wie jeder Politiker unter dem Druck steht, seine Politik zum Erfolg zu führen. In dem Fall kommt natürlich noch der Faktor Zeit hinzu, denn diese ist – angesichts der Stimmung in Deutschland und der tatsächlichen Kapazitäten des Landes – endlich. Aber Merkel wird dem Druck vorerst nicht nachgeben und sie sollte ihm auch nicht nachgeben.
Der Pessimismus darf nicht die Oberhand bekommen
Als im vergangenen Herbst die Entscheidung fiel, die zu "Wir schaffen das" geführt hat, wurde im politischen Berlin gerätselt, was der Plan der Bundeskanzlerin sein könnte. Hat sie tatsächlich einen? Wo ist das Ende, von dem ihr nachgesagt wird, dass sie immer von dort aus denken würde? Mittlerweile ist klar: Doch dieses Ende gibt es. Sie sieht die Europäische Union in Gefahr. Die sogenannte Flüchtlingskrise legt leider offen, dass diese eben an vielen Stellen nicht das erfüllt, für was sie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz noch 2012 bei der Verleihung des Friedensnobelpreises lobte: Sie sei ein einzigartiges Projekt, das Krieg durch Frieden, Hass durch Solidarität ersetzt habe, twitterte er damals. Aber warum die Hoffnung aufgeben, dass es dennoch gelingen kann, eine europäische Lösung zu finden, bevor man es überhaupt versucht hat? Der Pessimismus darf in diesem Fall nicht die Oberhand bekommen.
Weder durch den Druck der CSU, noch durch den aus der Unions-Fraktion. Natürlich kommen nirgendwo so viele Flüchtlinge an, wie in Bayern. Andererseits geht es der CSU auch um Machterhalt. Sie bangt um den rechten Rand, wo die AfD lauert. Hinzukommt kommt: Eine Regionalpartei, die vor allem für die Interessen eines einzigen Bundeslandes arbeitet, meint im Bund der Taktgeber sein zu können. Vor allem für die Landtagsfraktion, die keine Koalitionspartner hat, scheint es nur schwer vorstellbar zu sein, nicht alles durchsetzen zu können. Das schlug sich auch in der Agenda in Kreuth nieder: Nicht ein einziges Thema, das nicht direkt mit der Flüchtlingspolitik zu tun hat, aber vielleicht wichtig sein könnte für das Bundesland, stand auf der Tagesordnung.
Am Ende aber, wissen auch die Christsozialen, führt kein Weg an der CDU und an Angela Merkel vorbei. Das spricht Horst Seehofer sogar so aus. Ohne CDU keine Regierungsbeteiligung im Bund für die CSU, ohne Merkel nach wie vor keine erfolgreiche CDU, schon allein mangels Alternativen zur Parteivorsitzenden. Und selbiges gilt auch für die Gegner des Merkel-Kurses im Bund. Deshalb wurde am Ende aus dem Aufstand mit einem Antrag in der Unionsfraktion ein harmloser Brief. Auf Druck derjenigen, die zwar mit dem Kurs der Kanzlerin nicht zufrieden sind, aber dennoch den Weitblick haben, dass eine zerstrittene Partei nur verlieren kann. Geradezu offensichtlich ist es demnach, dass es denjenigen, die auch eine Abstimmung in der Fraktion riskiert hätten, tatsächlich nicht um eine Lösung geht, sondern vielmehr darum, Schlagzeilen zu produzieren; auch mit dem Kalkül, dann am Ende sagen zu können: "Ich hab ja zumindest was gesagt".
Merkel hat sich drei zeitliche Marker gesetzt
Wasser auf die Mühlen der Gegner von Merkels Kurs war natürlich in dieser Woche, dass Österreich von einer Obergrenze sprach. Dabei ist es so offensichtliche Symbolpolitik. Tatsächlich prüft das Nachbarland zunächst noch, ob das überhaupt möglich ist. Warum sollte Merkel also aufgrund dieses Prüfvorgangs ihren eigenen Weg überdenken, plötzlich zu dem Schluss kommen, dass ihr durchaus richtiger Satz, dass unser Asylrecht keiner Obergrenze kenne, nun deshalb nicht mehr gilt?
Merkel selbst hat sich drei zeitliche Marker gesetzt. Einmal die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen in dieser Woche, die Geberkonferenz zur Verbesserung der Lage in Syrien, Jordanien und dem Libanon Anfang Februar und Mitte Februar dann die Sitzung des EU-Rates. Diese drei Termine sind der wahre Druck, der auf Merkel lastet. Danach will sie Bilanz ziehen.
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