Flüchtlingsdebatte

Schattenkämpfe helfen nicht weiter

Flüchtlinge aus Albanien in der zur Flüchtlingsunterkunft umgebauten Alfred-Fischer-Halle in Hamm
Asylbewerber aus den Balkanstaaten werden jetzt schon länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen gelassen, um die Verfahren zu beschleunigen. © picture alliance/dpa/Ina Fassbender
Von Gudula Geuther · 15.08.2015
Ob Forderungen nach Kontrollen an den Schengen-Innengrenzen oder nach eigenen Einrichtungen für Balkan-Flüchtlinge - viel Spiegelfechterei werde betrieben in der Flüchtlingsfrage, meint Gudula Geuther. Dabei gehe es vor allem um eins: ein Klima der Hilfsbereitschaft zu erhalten.
Es gäbe doch so wirkungsvolle Maßnahmen im Umgang mit den vielen Flüchtlingen. Man könnte wieder Kontrollen an den Schengen-Innengrenzen einführen, wie es zuletzt die sächsische CDU in den Raum gestellt hat. Man könnte mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, wie es die Union seit langem fordert. Man brächte Flüchtlinge aus dem Balkan in Deutschland nur noch in eigenen Einrichtungen unter, wie es Horst Seehofer gerade vorführt – oder man täte genau das gerade nicht. Wäre der Bund nur vernünftig, könnten die Länder mit besseren Prognosen sicherer planen, sie hätten mehr Geld und die Asylverfahren liefen ohnehin viel schneller.
Schade, dass es nicht so einfach ist. In der politischen Diskussion zum Umgang mit den Flüchtlingen zeigen viele mit dem Finger aufeinander. Und das oft zu Unrecht. Beispiel Grenzen im Schengen-Raum: Hier wieder Kontrollen einzuführen, würde die EU vielleicht ihrem Ende näher bringen als es das Griechenland-Debakel tut. Asylanträge könnten Flüchtlinge trotzdem noch stellen. Solche Forderungen dürfte also vor allem aufstellen, wer nicht an ihre Erfüllung glaubt.
Beispiel sichere Herkunftsländer: Noch ist nicht bewiesen, dass dieses umstrittene Instrument etwas bringt. Für die Dauer der Asylverfahren ist die sogenannte Priorisierung viel wichtiger. Das bedeutet, dass die Anträge von Menschen aus diesen Staaten vorgezogen werden. Und das geschieht mit allen Balkanstaaten, für sicher erklärt oder nicht. Für einen abschreckenden Effekt war etwa im Fall des Kosovo die Informationskampagne vor Ort nach allgemeiner Ansicht die wirkungsvollste Maßnahme – und auch für die bedarf es keiner Einstufung der Herkunftsstaaten. Der Vorwurf, dass hier Schattenkämpfe ausgetragen werden, trifft allerdings nicht nur die Befürworter, sondern auch die Gegner. Denn der Effekt einer solchen Einstufung ist gering: Nach wie vor muss es eine Prüfung in jedem Einzelfall geben. Und ob man das nun gut findet oder nicht: Schnellverfahren sind das bei Balkanflüchtlingen ohnehin.
Streitereien zwischen Bund und Ländern
Beispiel eigene Einrichtungen für Menschen, die aus dem Balkan kommen: Tatsächlich verfolgt Bayern dieses Konzept besonders lautstark. Nur: Alle Bundesländer, auch die mit linker und grüner Beteiligung, haben sich schon im Juni verpflichtet, Asylbewerber aus diesen Herkunftsstaaten länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen, um die Verfahren zu beschleunigen. Angesichts der hohen Zahlen bedeutet das: Dort sind überall besonders viele dieser Flüchtlinge, die anderen werden schneller auf die Kommunen verteilt. Viel Spiegelfechterei wird also betrieben bei diesen parteipolitisch besetzten Fragen.
Bei den Streitereien von Bund und Ländern geht es dagegen tatsächlich um etwas, nämlich um Geld. Aber auch da sind die Rollen von Gut und Böse nicht so klar verteilt, wie es manche Länderfürsten gerne sähen. Natürlich muss der Bund viel mehr zuschießen, natürlich hätte er das längst schon tun sollen, natürlich ist es unverständlich, wie weit die Vorhersagen an Flüchtlingszahlen den aktuellen Entwicklungen hinterherhinken. Aber genauso unverständlich ist es, dass die Länder keine durchschaubaren Berechnungsgrundlagen vorlegen können, dass sie sich nicht einigen können, welche Kosten sie den Kommunen erstatten. Und dass der Vorwurf weiterhin im Raum steht, Länderminister hätten klebrige Hände, an denen das Geld für die Kommunen schon mal hängen bleibt. Und was die Länge der Asylverfahren betrifft: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge will bis November 1000 Leute eingestellt haben. Und die größten Schwachstellen in der Verwaltung liegen derzeit bei den Kommunen.
Trotz Pegida – die Hilfsbereitschaft ist groß
Was folgt daraus? Selbstverständlich muss an all dem gearbeitet werden. Selbstverständlich müssen sich Bund und Länder einigen, wenn sie sich Anfang September treffen. Selbstverständlich muss das Land Berlin seine Verwaltung verbessern, wie es das gerade versucht. Dass aber reihenweise Verantwortliche mit dem Finger aufeinander zeigen, die Schuld den anderen geben, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil.
Trotz Pegida, trotz Anschlägen auf Flüchtlingsheime: Insgesamt ist die Aufnahmebereitschaft, die Hilfsbereitschaft groß. Verständnis und ehrenamtliches Engagement werden dringend gebraucht. Und das wird noch eine ganze Weile so bleiben. Die Zahl der Flüchtlinge wird nicht so schnell sinken. Auch der ganz große Teil derer, die in Aufnahmeeinrichtungen, in Gemeinden, in Schulen, in Behörden, auch in Ministerien mit Flüchtlingen arbeiten, tut das mit viel Einsatz. Aber die ständigen gegenseitigen Schuldzuweisungen lassen den Eindruck entstehen, das Flüchtlingsproblem wäre hausgemacht. Das ist nicht die perfekte Art, das Klima zu erhalten, das nötig und das ja offenbar auch möglich ist.
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