Fleischindustrie

Ausbau von Mastanlagen hat "keine Perspektive"

Zu sehen sind Schweine in einem Mastbetrieb.
Schweine in einem Mastbetrieb in Schleswig-Holstein © picture alliance / dpa / Foto: Carsten Rehder
Francisco Mari im Gespräch mit Gabi Wuttke  · 10.01.2014
Die Deutschen essen weniger, aber in Ländern wie China essen die Menschen immer mehr Fleisch. Darauf mit zusätzlichen Mastbetrieben und Export zu reagieren, sei aber der falsche Weg, meint Francisco Mari von der Hilfsaktion "Brot für die Welt". Im Ausland beginne man nämlich langsam auch selbst mit der Fleischproduktion.
Gabi Wuttke: Die Deutschen essen immer weniger Fleisch. Trotzdem stehen die deutschen Schweinefleischproduzenten auf der Weltbestenliste an Platz drei und sogar an zweiter Stelle der europäischen Geflügelhersteller. Wie das sein kann? Weil auf anderen Kontinenten der Bedarf an billigem toten Tier immer weiter zunimmt. Das wurde gestern vermeldet. Pünktlich zur grünen Woche wartet auch "Brot für die Welt" kommende Woche mit dem kritischen Agrarbericht auf. Francisco Mari ist ihr Agrarhandelsexperte. Einen schönen guten Morgen!
Francisco Mari: Guten Morgen!
Wuttke: Wieso ist Afrika für deutsche Fleischhersteller inzwischen ein lukrativer Absatzmarkt? Woher rührt der stetig steigende Bedarf?
Mari: Weil in Afrika es immer schwieriger wird, selber Tierhaltung zu haben. Natürlich können afrikanische Kleinbauern auch Fleisch herstellen, wie sie es jahrzehntelang gemacht haben, aber sie können gegen die deutschen und europäischen Preise nicht konkurrieren, weil es nicht das ganze Fleisch ist, das teure Fleisch, sondern eben die Fleischreste, wobei es nicht schlechtes Fleisch ist, sondern einfach das, was bei uns nicht konsumiert wird. Wir konsumieren immer mehr nur einzelne Teile der Tiere.
Globalisierung absurd
Wuttke: Felder in Afrika werden Mangelware, weil dort Soja und Mais für das Futter von Schweinen und Geflügel in Deutschland verwendet wird, und dann gehen die Reste – sage ich jetzt mal in Anführungszeichen – wieder nach Afrika zurück. Geht dann Globalisierung noch absurder?
Mari: Nein, eigentlich nicht. Also das Futter kommt auch nicht aus Afrika, sondern aus Südamerika, das heißt, es ist ein weltweiter Kreislauf, damit in Deutschland, was eigentlich ein Hochpreisland ist, normalerweise kaum auf dem Weltmarkt konkurrieren könnte, aber zum Beispiel durch billige Arbeitskräfte auf den Schlachthöfen es trotzdem schafft. Und durch die intensive Tierhaltung, die auch immer mehr ausgebaut wird, kann man mit armen Menschen, die eigentlich ja nicht viel dran verdienen, wenn sie ihre Tiere als Fleisch in den Märkten verkaufen, sehr gut konkurrieren.
Wuttke: Mal zwischengeschoben: Deutschland ist also wirklich ein Billiglohnmarkt, und deshalb geht es der deutschen Fleischwirtschaft so gut?

Francisco Mari, Brot für die Welt
Francisco Mari, Referent "Brot für die Welt"© picture-alliance/ dpa / Foto: Horst Galuschka
Mari: Nicht nur, auch dadurch, dass man eben tausende von Tieren in Ställen unter nicht sehr tiergerechten Bedingungen aufziehen kann, das ist der zweite Grund, und natürlich sehr günstig eben auch auf Kosten der Umwelt – zum Beispiel durch Regenwaldabholzung oder eben, indem man Menschen Land wegnimmt, um Soja anzubauen – eben sehr gut an Futter drankommt. Das macht ja mit das meiste aus beim Investment in Tiermast.
Wuttke: In China will man sich von Importen gerade unabhängig machen und die Fleischherstellung auf Masthöfe umstellen, also weg von hier ein Tierchen, dort ein Tierchen. Das ist auch keine wirklich gute Nachricht, oder?
Massentierhaltung bringt riesige Umweltprobleme mit sich
Mari: Nein. Also China hat schon, wie in vielen Bereichen, Ställe mit einer Million, bei Hühnern sogar zehn Millionen Tieren, das haben wir ja vor ein paar Jahren gemerkt, wenn in solchen Massenställen Krankheiten ausbrechen – damals war es die Vogelgrippe –, dann vermehrt sich das so schnell, dass es gleich zum weltweiten Problem und vielleicht auch zu einer weltweiten Seuche wird. Aber auch insgesamt – die Umweltprobleme, die solch eine Mast mit sich bringt, sind natürlich noch riesiger, als sie bei uns sind, und das ist natürlich auch keine Lösung.
Wuttke: Haben Sie eigentlich Menschen, die in China für eine andere Tierhaltung werben, oder machen die Chinesen ihrs?
Mari: Es gibt wie in vielen Ländern auch in China durchaus Diskussionen, auch im Internet, über Umweltfolgen. Diese Agrarwirtschaft, das ist ja nicht nur die Tiermast, die bisher ja immer noch sehr kleinbäuerlich geprägt war, aber eben durch den riesigen Bedarf der wahnsinnig groß steigenden Städte und städtischen Bevölkerung, die vor allem auch sich Fleisch leisten kann, was früher nicht der Fall war, … Das wird auch diskutiert. Und auch "Brot für die Welt“ hat Partner in China, die sich um Umweltfragen in verschiedenen Städten auch kümmern.
Wuttke: Das heißt, kümmern ist gut zureden oder in welcher Form tritt „Brot für die Welt“ da auf?
Auch in China gibt es alternative Produktionsmöglichkeiten
Mari: Wir beraten oder wir fördern Organisationen, die auch versuchen, unter den gegebenen Möglichkeiten auch politisch Einfluss zu nehmen, aber vor allem eben auch in eine andere Landwirtschaft auch zu investieren. Auch dort gibt es ja… Ich meine, inzwischen ist China ja auch einer der größten Exporteure von Bioprodukten. Also auch das gibt es in China, alternative Möglichkeiten, Ernährung und Nahrungsmittel zu produzieren.
Wuttke: Kann man also aus dem Westen alles lernen, dass man das eine kann, ohne das andere zu lassen?
Mari: Das kann man auch, und es gibt ja auch sozusagen auch im Exportmarkt Möglichkeiten, mit Produkten einer anderen Landwirtschaft Geld zu verdienen.
Wuttke: Wenn sich China jetzt, Herr Mari, auf eigene Füße stellt mit großen Masthöfen und, wie gehört, in Deutschland immer weniger Fleisch gegessen wird – können Sie uns sagen, was das langfristig für die deutsche Fleischindustrie bedeutet?
Nur nachhaltige Mästung bietet Tierhaltern langfristig eine Existenz
Mari: Das sind ja nicht nur wir als „Brot für die Welt“, die ja eigentlich … Unsere Aufgabe ist es ja nicht, die Fleischwirtschaft zu beobachten. Aber das sagen viele auch innerhalb der Fleischwirtschaft, dass dieser riesige Ausbau in Schlachthöfen und Mastanlagen langfristig zumindest in so einem normalerweise Hochpreisland Deutschland eigentlich keine Perspektive hat, was den Export angeht. Natürlich, wenn im Inland mehr Geld für Fleisch, was nachhaltiger gemästet und verkauft wird, da wäre, dann gäbe es halt eben für eine bestimmte Menge an Tierhaltern auch eine Existenz. Aber den Export als die Zukunft für die europäische und für die deutsche Landwirtschaft anzusehen, … Das sieht man ja daran, dass Russland als Markt zusammenbricht, weil Russland nämlich auch selber in Mastanlagen und Fleischproduktion angefangen hat. Und wenn China das noch machen würde, wo ich meine Zweifel habe, also China vollkommen unabhängig bei dem großen Fleischbedarf – das kann ich mir nicht vorstellen –, aber natürlich baut es das aus und wird natürlich weniger aus Europa und aus Deutschland importieren in Zukunft.
Wuttke: Fleischproduzenten und der Fleischmarkt weltweit, dazu der Agrarhandelsexperte von „Brot für die Welt“ Francisco Mari im Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Mari: Ja, Ihnen auch, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema