Fitness-Boom

Personal Trainer für dicke Kinder

Ein übergewichtiges Mädchen stochert in seiner Nachspeise herum.
Ein Mädchen stochert in seiner Nachspeise herum: Einige Fitnessstudios richten sich inzwischen explizit an übergewichtige Kinder. © picture alliance / dpa / Markus Scholz
Von Bettina Ritter · 04.01.2015
Die Deutschen werden immer dicker und ihre Kinder mit ihnen. Öffentlich finanzierte Vereine kämpfen dagegen an. Doch selbst private Fitness-Studios bieten inzwischen Kurse und sogar Personal Trainer für Kinder an.
Sechs Kinder toben unter der Anleitung eines Trainers durch eine Turnhalle. Alle sind auf den ersten Blick übergewichtig. Alle haben ein Ziel:
"Abnehmen. Abnehmen und schneller werden."
Der neunjährige Emil ist seit einem Monat beim Berliner Bewegungsprojekt für übergewichtige Kinder, Fidelio. Bei anderen Turnvereinen ist er durchs Raster gefallen.
"Die waren alle doof, die Trainer waren scheiße. Sie haben immer gehetzt, haben gesagt, der Beste ist der Coolste. Sie haben immer gebrüllt."
Puskas: "Die Kinder begreifen ganz schnell: hier sind alle so wie ich. Das Dicksein spielt beim Sport keine Rolle. Ganz wichtig am Anfang!"
Endre Puskas ist Leiter der Abteilung Kindersport bei Fidelio, ein Angebot des gemeinnützigen Vereins Sport-Gesundheitspark Berlin, der durch öffentliche Gelder unterstützt wird. Derzeit trainieren hier 350 Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 18 Jahren. Meist werden sie von ihren Ärzten geschickt, manche mit einer Reha-Verordnung. Erfolgsgeschichten gibt es viele, sagt Puskas:
"Ein Junge, der am Ende 52 Kilo abgenommen hat nach zweieinhalb bis drei Jahren, der am Anfang mit sehr viel Gewicht kam, 137 Kilo, und der fünf, sechs Schritte an der Wand gegangen ist und sich abstützen musste, Da war einfach die Luft alle."
Um 100 Kilo sind keine Seltenheit
Kein Einzelfall, so Puskas. Ab 12, 13 Jahren explodiert bei vielen das Gewicht. Um die 100 Kilo sind keine Seltenheit. Das Sitzen vor dem Computer ist nur ein Grund für den Bewegungsmangel, sagt der Sportlehrer. Ein anderer sei das schlechte Sportangebot in Kindergärten und Schulen.
"Wir kennen Studien, da hat man Grundschüler - vierte, fünfte Klasse - untersucht mit einem Accelerometer, das sind Bewegungssensoren an der Hüfte, und dort stellte sich heraus, dass man von 45 Minuten effektiv acht bis zehn Minuten Sport - richtig bewegt, richtig aktiv - der Rest ist Aufbauen, Abbauen, Anwesenheit quittieren, Anziehen."
Nach spätestens vier Jahren haben die Kinder so viel Gewicht verloren und sind so fit, dass sie sich anderen Vereinen anschließen können. Oder einem Fitness-Studio.
Bei manchen privaten Anbietern trainieren schon die Kleinsten. Im Kurs "Sportliche Kids" dieses Studios in der Nähe des Berliner Kurfürstendamms toben 5-Jährige unter Anleitung einer Trainerin durch den Übungsraum. Mit Sport kann man gar nicht früh genug anfangen, meint eine wartende Mutter. Und die 30 Minuten in der Kita pro Woche seien nicht genug:
"Man hat halt schon die Möglichkeit, viele Sachen mit dem Kind auszuprobieren. Aber wenn sie nachher Boxen möchte oder Basketball spielen möchte, dann hat man das halt hier in einem. Und sie kennt sich aus dann."
Von Wassergewöhnung bis Ballett
43 Kurse bietet das Studio, von Wassergewöhnung und Seepferdchen bis Ballett, Pilates und Cardio-Training für Kinder ab 9. Christian Kaiser, der Sports und Activity-Manager:
"Wir legen so richtig los mit den Kursen bei den Kindern ab zwei bis drei. Bei den ganz Kleinen hat es eher einen koordinativen Hintergrund oder die Ausprägung von gewissen Fähigkeiten wie Stabilisation und Körpergefühl und umso älter die Kids werden umso höher wird der sportliche Anspruch."
Für diesen Fall bietet das Studio sogar Personal Trainer für Kinder.
"Wir haben Kinder, die beispielsweise privat schon Ballettunterricht nehmen und in Bezug darauf ein spezifisches Training möchten, um beweglicher zu werden, um spezielle Muskelpartien zu kräftigen, wir haben aber auch Personal Training für Kids, wo es nur um eine aktive Bewegung geht."
Manchen Kindern müsse man eben etwas Besonderes bieten, Turnhalle und Sprossenwand kämen bei vielen nicht mehr an. Kinder und Fitness-Studio - einige finden diese Idee absurd. Bälle werfen und fangen könne man auch selbst draußen mit seinen Kindern üben, meint diese Mutter:
"Für mich klingt das nach Stress, für das Kind wie auch für die Eltern, die alles so dicht organisieren, dass sie schon ihre eigene Zeit im Fitness-Studio mit der ihres Kindes zusammen machen."
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