Filterblasenprobleme

Warum wir es nicht haben kommen sehen

Donald Trump bei seinem ersten Besuch bei Amtsinhaber Barack Obama im Weißen Haus
Donald Trump bei seinem ersten Besuch bei Amtsinhaber Barack Obama im Weißen Haus © dpa / picture alliance / Ron Sachs
Von Max Paul Friedman · 14.11.2016
Hinterher hätte man es vorher wissen können. So geht es auch dem Washingtoner Geschichtsprofessor Max Paul Friedman, der im heutigen Politischen Feuilleton fragt, warum er den Erfolg von Donald Trump nicht hat kommen sehen.
Am Tag danach ist jeder schlauer. Nach dem der erste Schock überwunden ist, kann die amerikanische Elite – Publizisten und Professoren wie ich - viele gute Gründe für Trumps bestürzenden Sieg sehen.
Die Medien haben nicht mehr die gleiche Funktion wie früher. Kabelfernsehen bietet weniger Nachrichten, dafür mehr partei-konforme Bestätigung. In Washington gibt es einen Spruch: "Du hast ein Recht auf deine eigene Meinung. Aber du hast kein Recht auf deine eigenen Fakten."

Glauben, was man glauben will

Inzwischen erfinden aber viele ihre eigenen Fakten. Seriöse Zeitungen wie die "New York Times" und die "Washington Post" haben gründliche investigative Berichte zu Trumps Betrügereien veröffentlicht. Aber weder lesen Trumps Anhänger sie noch glauben sie ihnen. Sie sind überzeugt von "Fakten," die falsch sind: zum Beispiel, dass Obama insgeheim ein Moslem sei, dass die Grenze zu Mexiko von Kriminellen und Terroristen überrannt sei, dass die Wirtschaft seit 2008 schlechter geworden sei, obwohl die Aktienwerte um fast 200 Prozent gestiegen sind und die Arbeitslosenquote von 10 Prozent bis unter 5 Prozent gesunken ist.

Jedes politische Milieu hat seine eigene Filterblase

Social Media wie Facebook erlauben es, dass jeder sich in einer Blase von Gleichgesinnten bewegt. Allerdings sind nicht nur die Experten aus der linksliberalen Meinungsblase verblüfft. Auch die Insassen der konservativen Blase waren davon überzeugt, dass Trump nicht gewinnt – so etwa traditionelle Republikaner wie die Familie Bush und die sogennante "never-Trump" Bewegung mit ehemaligen hohen Sicherheitsbeamten und grauen Eminenzen der Partei.

Leben in homogenen Gemeinschaften

Es geht nicht nur um ein mediales Phänomen, sondern auch um ein geografisches. Das Buch "The Big Sort," "Die Grosse Sortierung", erklärt, wie wir mobilen Amerikaner uns in weitgehend homogene Gemeinschaften zurückziehen, die uns politisch angenehm sind. Hochschulabsolventen ziehen in die Großstädte an den beiden Küsten, praktizierende Christen bevorzugen ein ruhiges Dorfleben. Das führt zu einer stärkeren kulturellen Trennung als je zuvor. Demokraten kennen vornehmlich nur andere Demokraten, das Gleiche gilt für Republikaner. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass jeder, den ich kenne, für Clinton gestimmt hat. In anderen Kreisen jedoch kannten Trump-Wähler ausschliesslich andere Trump-Wähler. Und so lagen die Demoskopen völlig daneben.

Seit 30 Jahren nichts für "Joe Sixpack" getan

Der Triumph von Donald Trump markiert das Ende des neoliberalen Konsenses zwischen den beiden großen und alten Parteien. Die Demokraten standen mal für die Arbeiterklasse, zu der Zeit von Franklin Roosevelt hat diese Partei viel für sie getan. Seit Bill Clinton haben beide Parteien ihre Version der Globalisierung gefördert, wovon hauptsächlich die Elite profitiert hat. Nicht ohne Grund hat Trump immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass die Clintons seit 30 Jahren nichts für Joe Sixpack – den Otto-Normal-Arbeiter gemacht haben.

Rassismus als Urproblem der US-Gesellschaft

Warum haben so viele gegen ihre eigenen Klasseninteressen gestimmt? Dazu muss man verstehen, wie tief das Urproblem der amerikanischen Gesellschaft, die angespannten Rassenbeziehungen, immer noch ist. Nach der Wahl von Obama 2008 haben viele gerne von einem "post-racial" Amerikas gesprochen. Aber ein schwarzer Präsident hat leider dazu geführt, dass viele Weiße noch rassistischer geworden sind. Die Weißen waren immer auf dem höchsten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rang. In einer Generation wird diese traditionelle Mehrheit aber eine Minderheit sein. Deswegen der Wahlspruch: "Make America Great Again". Sie wollen Amerika so wiederhaben, wie es war - oder wie sie glauben, dass es war.
Aber anstatt wieder "groß" zu werden, wird Amerika jetzt zum sozialen Experiment für ein Land, das von rechts-außen übernommen wurde. Die Trump-Anhänger werden ihre Wahl schnell bereuen, da die Alternative zur Globalisierung, die Trump anbietet, ihre Leben ebenfalls nicht verbessern wird.

Max Paul Friedman ist Professor für Geschichte an der American University in Washington.

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