Film der Woche: "The Ballad of Buster Scruggs"

Die Kehrseite der amerikanischen Ideale

Der Schauspieler Tim Black Nelson steht als Buster Scruggs in einem Wester-Szenario und hält eine Fahndungsrolle mit seinem Gesicht und Name hoch.
Der Schauspieler Tim Black Nelson spielt die Titelrolle Buster Scruggs. © Everett Collection/ Netflix
Von Patrick Wellinski · 15.11.2018
In dem Film der Coen-Brüder "The Ballad of Buster Scruggs" geht es in fünf Episoden zu den Ursprüngen Amerikas. Mit viel Sarkasmus werden dort die amerikanischen Gründermythen auseinandergenommen. Es ist ein unterhaltsam düsterer Film - mit einem Makel.

Worum geht es?

Die Coen-Brüder ("Fargo"; "Big Lebowski"; "No Country for old man") arbeiten sich abermals an den Mythen des Wilden Westens ab. In ihrem Anthologie-Film, den sie für den Streaming-Dienst Netflix gedreht haben, erzählen sie in fünf Episoden und einem Epilog Geschichten über die Ursprünge Amerikas.
Da wäre zum Beispiel die titelgebende Ballade von Buster Scruggs, dem singenden Cowboy mit weißer Weste, der alle Duelle gewinnt – bis auf das letzte. Oder die tragische Geschichte eines Goldgräbers, der kurz vor dem großen Fund erschossen wird. Böse und ironisch öffnet sich so ein Blick auf die Geschichte Amerikas als Geschichte der Gewalt.

Was zeichnet den Film aus?

Mit ihrer unnachahmlichen Mischung aus Sarkasmus, Humanismus und Genrefestigkeit erzählen Ethan und Joel Coen von der Kehrseite amerikanischer Ideale und Ideen. Dabei verklären sie die Mythen nicht. Ihnen geht es eher um das Offenlegen von Gewalt, Lüge und Verrat, die den Grundstein des modernen Amerika legten.
Die Form der Anthologie wirkt im ersten Moment etwas veraltet - eigentlich sollte "The Ballad of Buster Scruggs" eine Miniserie werden. Doch die poetische Kraft der einzelnen Geschichten hält das ganze Projekt auch dramaturgisch gut zusammen. Die herausragende Besetzung von Zoe Kazan über Liam Neeson bis hin zu Tom Waits tut ihr Übriges für diesen vergnüglichen Reigen, der zu den besten Arbeiten der Coens zählen darf.

Bewertung

Mit ihren cleveren Miniaturen über Glücksritter und Loser im Wilden Westen demonstrieren die Coens einmal mehr, dass sie zu besten amerikanischen Filmerzählern gehören. Unerschrocken zeigen sie die dunklen Seiten der amerikanischen Geschichte und lassen die Luft raus aus dem Pathos der US-Gründerlegenden.
Glorreiche Heldenabenteuer des Wilden Westens sucht man bei den Coens vergebens. Unterhaltsam, intelligent und mutig – ohne Frage eines der besten Filmprojekte des Jahres, dessen einziger Makel darin besteht, dass man The Ballad of Buster Scruggs nur via Netflix und nicht flächendeckend auf der großen Leinwand sehen kann.

The Ballad of Buster Scruggs
Western-Anthologie, USA 2018
Regie/Buch: Ethan und Joel Coen
Darsteller: Tim Blake Nelson, James Franco, Liam Neeson, Brendan Gleeson, Zoe Kazan, Tom Waits
133 Minuten

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