Fernsehen für Fernsehverächter

Von Michael Köhler · 30.05.2012
Das deutsch-französische Freundschaftsprojekt ist mehr als nur ein Kulturfeigenblatt für die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten der Nachbarländer. Es ist und bleibt die anspruchsvolle Alternative zu Casting- und Blödel-Shows.
"Am Anfang war das Fernsehen, und dann kam Arte ... "

Der Erfolg des Senders, war immer auch sein Hemmnis. Das erkannte auch der ehemalige NDR-Intendant und Arte-Chef Jobst Plog:

"Der Zuschauer vermisst bei Arte Wärme, persönliche Gesichter, persönliche Beziehungen, die ihn ein Stück binden an den Kanal."

Doch, wo gab es schon springende Schafe zum Sendeschluss? Wo ganze Themenabende über deutsche Dirigenten im Exil oder die Intelligenz von Tiefsee-Tintenfischen? Der Nischenkanal Arte bot und bietet es. Neben der Hardcore-Kultur mit exzellenten Dokumentationen und Spielfilmen fanden sich zuletzt auch vermehrt Blicke in soziale Niederungen, etwa über Teenie-Mütter, Mehrlingsgeburten und Großfamilien. Ein normaler Sender war und wurde Arte nie. Der Medienjournalist und ehemalige Grimme Instituts-Leiter Bernd Gäbler:

"Arte ist wie kein anderer Sender, im Grunde genommen, Produkt eines zentralstaatlichen Schöpfungsaktes, wenn man so will, des Handschlags von Helmut Kohl und Mitterrand. Dennoch hat es nach wie vor, so ein bisschen das Image eines Independent Radios."

Die Kriegsteilnehmer Helmut Kohl und Francois Mitterrand reichten sich nicht nur die Hände, sie gründeten einen Sender, der zeigt, was Kerneuropa auch ausmacht: Literatur, Musik, Kunst, gemeinsame Kultur. Daran zu erinnern, ist nicht wenig. Natürlich ist das auch schrullig, wenn nach einem gelungenen Themenabend über Väter oder Kindererziehung plötzlich eine Diskussion folgt, die mehr von einem Match oder Sparring zwischen dem französischen und dem deutschen Experten hat.

Trotzdem ist es Arte gelungen, eine Art erfolgreiches Anti-Fernsehen zu machen: Fernsehen für kulturkritische Fernsehverächter. Das politische Freundschaftsprojekt, am Vorabend der Wiedervereinigung ausgedacht, wurde mehr als nur ein Kulturfeigenblatt für die öffentlich-rechtlichen Anstalten der Nachbarländer. Es ist und bleibt die anspruchsvolle Alternative zu Casting- und Blödel-Shows der anderen Sender. Und jetzt wird Arte 20. Das ist doch was.



Europäisches Fernsehen mit höchstem Anspruch - Heute vor 20 Jahren ging Arte auf Sendung