Fernbus-Haltestellen

Die Infrastruktur hinkt hinterher

Ein Schild weist auf eine Haltestelle für Fernbusse hin
Haltestelle für Fernbusse © dpa / Jan Woitas
Von Dieter Nürnberger · 01.09.2015
Seit der Liberalisierung des Fernbus-Marktes haben sich Busse zu einer kostengünstigen Alternative zur Bahn entwickelt. Doch wer mit dem Fernbus reisen will, muss einige Strapazen auf sich nehmen - viele Haltestellen sind weder komfortabel noch liegen sie zentral.
Es ist ein ganz normaler Vormittag an der Fernbushaltestelle Berlin Alexanderplatz. Ein paar Dutzend Fahrgäste sind schon da, und die meisten sitzen - allerdings mitten auf dem Gehweg. Einige haben sich den Rucksack oder einen Minikoffer als Unterlage gewählt. Die Haltestelle ist nicht mehr als eine Standspur mit Bürgersteig. Keine Sitzgelegenheit, nichts zum Unterstellen, wenn es mal regnen sollte, keine Toilette - immerhin gibt es ein Haltestellenschild - und daran befestigt, einen An- und Abfahrtsplan. Doch die Kunden scheint es nicht groß zu stören:
"Schönes Reisen? Also mich stört das nicht." - "Es ist ja ein Bahnhof in der Nähe - wenn man mal auf Toilette muss, kann man da hingehen." - "Ich habe kein Problem damit - ist halt ein Fernbus und insofern kann ich nicht den gleichen Komfort erwarten wie etwa bei der Bahn." - "Das ist für uns unerheblich."
Die Fernbushaltestelle Alexanderplatz wurde geschaffen und genehmigt, weil der Zentrale Omnibusbahnhof am Berliner Messegelände inzwischen aus allen Nähten platzt.
Gregor Hinz, der Sprecher von "Mein Fernbus Flixbus" ist dennoch ganz zufrieden, weil überhaupt noch eine weitere Haltemöglichkeit in der Innenstadt gefunden wurde, er spricht von einer Bedarfshaltestelle.
"Sehr zentral - da ist es dann sozusagen auch für die Fahrgäste verschmerzbar, dass es keine Sitzbänke gibt und auch keine wirklich tolle Anzeigetafel. Da gibt es noch Verbesserungs- und Nachholbedarf."
Überraschender Boom
Am ständig überfüllten Zentralen Omnibusbahnhof wird es in diesem Jahr rund 200.000 Busabfertigungen geben, eine Verdreifachung seit der Liberalisierung des Fernbusmarktes zu Beginn des Jahres 2013.
Ein Boom, mit dem nur wenige Experten gerechnet haben. Auch Hilmar von Lojewski, er leitet beim Deutschen Städtetag das Dezernat Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr, sieht deshalb viel Nachholbedarf - nicht nur in Berlin, sondern in den meisten Städten der Republik. Es geht um den Ausbau der Infrastruktur für die Fernbusse.
"Wenn man bauen will, dann braucht es etwas Zeit - und es braucht eine Menge Geld. Und das Geld haben viele unserer Städte nicht dafür."
Immerhin will der Berliner Senat in den nächsten Jahren den Zentralen Omnibusbahnhof für rund zwölf Millionen Euro schrittweise ausbauen. Die Busunternehmen unterbieten sich derzeit noch mit Billigpreisen - da bleibt kein Geld für den Haltestellenausbau. Auch beim Marktführer "Mein Fernbus Flixbus" sieht man eine Beteiligung eher verhalten. Man zahle ja in den meisten Städten schon Nutzungsentgelte. Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag sieht das ähnlich:
"Die Finanzierungsfrage liegt in erster Linie beim Bund. Da ist unsere Forderung, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz entsprechend zu erweitern. Und wir fordern auch die Busmaut: Nun hat sich die Bundesregierung darauf festgelegt, dass es in dieser Legislaturperiode keine Maut für Busse geben soll. Das finden wir bedauerlich. Denn mit diesen Mauteinnahmen könnte man in der Tat auch Infrastruktur erstellen."
Gegenwehr gegen die Abschiebung ins Randgebiet
Und für die Fernbusbetreiber gibt es derzeit auch noch ein anderes Problem: Der Bus gilt zwar neben der Bahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel, doch ist er in vielen ohnehin vom Verkehr verstopften Innenstädten gar nicht gern gesehen. Gregor Hinz von "Mein Fernbus Flixbus" spricht sich jedoch vehement gegen eine Verbannung an den Stadtrand aus.
"In Köln gibt es derzeit Pläne, dass man die Busse an den Flughafen Köln / Bonn bringen verlagern will. Von dort aus haben dann die Touristen, die den Kölner Dom sehen möchten, dann aber noch mal eine Fahrzeit von 40 Minuten. Gerade auch für den Tourismus ist es wichtig, dass wir zentrumsnahe Haltstellen haben. Für die Menschen, die in die Städte wollen."
Hinz zitiert deshalb gern Kundenbefragungen, wonach für die meisten Nutzer eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel das Wichtigste sei. Neben dem bislang unschlagbaren Preis natürlich. Am Berliner Alexanderplatz sieht man deshalb über so manche Unannehmlichkeit an der Haltestelle hinweg. Ein älteres Paar aus Dresden muss sogar länger darüber nachdenken, was sie denn nun wirklich gezahlt haben:
"Wir fahren nach Hamburg. Was wir zahlen? Keine Ahnung - ja, es ist günstiger als alles andere." - "20 Euro. Von Dresden nach Hamburg."
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