FDP-Politikerin: Bundeswehr wird weiterhin in Afghanistan gebraucht

Elke Hoff im Gespräch mit Christopher Ricke · 04.05.2011
"Wir haben uns verpflichtet, Afghanistan in einem relativ stabilen Zustand wieder zu übergeben, und ich glaube, dass ein überstürzter Abzug einfach verantwortungslos wäre", sagt die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, zur Forderung des Grünen-Politikers Christian Ströbele, den Bundeswehreinsatz angesichts von bin Ladens Tod zu beenden.
Christopher Ricke: Osama bin Laden ist tot, knapp zehn Jahre nach den Anschlägen am 11. September ist der Hauptverantwortliche gerichtet, ist eigentlich ein Kriegsziel erreicht. Mission erfüllt! Man könnte doch jetzt eigentlich die Soldaten zügig aus Afghanistan nach Hause holen, auch nach Deutschland. Bei der Opposition wird schon so argumentiert, ich spreche jetzt mit der sicherheitspolitischen Sprecherin der FDP, Elke Hoff, die ist zudem stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Südostasiatischen Parlamentariergruppe und darum doppelt zuständig für Afghanistan und Pakistan. Guten Morgen, Frau Hoff!

Elke Hoff: Schönen guten Morgen, Herr Ricke!

Ricke: Jetzt ist ja die zentrale völkerrechtliche Rechtfertigung für den Krieg entfallen, sagt zum Beispiel der Grünen-Parlamentarier Ströbele. Da muss man ihm doch recht geben, oder?

Hoff: Ich glaube, dass Herr Ströbele sich die Mühe machen sollte, das Mandant, das der Deutsche Bundestag zum Einsatz der Streitkräfte in Afghanistan verabschiedet hat, einmal genauer zu studieren. Das Ziel des Mandates der Bundeswehr ist eben gerade nicht, Terroristen zu bekämpfen, sondern wir haben uns verpflichtet, die afghanische Regierung beim Aufbau von Regierungsstrukturen zu unterstützen und die afghanischen Sicherheitskräfte so weit auszubilden, dass sie irgendwann in der Lage sind auch … beziehungsweise 2014 in der Lage sind, die Sicherheitsverantwortung selbst zu übernehmen. Er verwechselt hier das Mandat Operation Enduring Freedom, unter dem die US-amerikanischen Streitkräfte operieren, aber nicht die deutsche Bundeswehr.

Ricke: Was heißt das, dass die Amerikaner jetzt eigentlich abziehen müssten und die Deutschen bleiben?

Hoff: Nein, die Amerikaner beteiligen sich genauso wie über 40 andere Nationen an ISAF, an der Stabilisierungsmission, die ich gerade eben erwähnt habe, und man sollte hier wirklich sehr sorgfältig auch unterscheiden, was die politischen und militärischen Ziele anbetrifft. Wir haben uns verpflichtet, Afghanistan in einem relativ stabilen Zustand wieder zu übergeben, und ich glaube, dass ein überstürzter Abzug, so wie ihn jetzt beispielsweise Herr Ströbele fordert, einfach verantwortungslos wäre. Und es würde auch die Sicherheitslage in der Region nicht verbessern.

Ricke: Nun hat man ja in den vergangenen Jahren stufenweise, schrittweise und sicherlich auch unter großem Leid die Ziele, die man in Afghanistan eigentlich mal hatte, ziemlich zurückgefahren. Alsodass dort mal eine Demokratie entsteht, die nach unserer Ansicht wirklich diesen Namen verdient, den Glauben hat kaum noch einer. Müssten wir nicht dennoch den Zeitpunkt, den wir jetzt haben, nutzen, um vielleicht auch Schaden zu begrenzen, Gefahr auch von deutschen Soldaten abwenden?

Hoff: Ich bin gerade am Montagabend nach einem einwöchigen Truppenbesuch in Afghanistan bei unseren deutschen Bundeswehrsoldaten zurückgekommen, und es war wirklich überwältigend die Auffassung auch unter unseren Soldaten, dass sie natürlich die Mission, mit der wir sie in den Einsatz geschickt haben, auch zu Ende bringen möchten. Sie möchten die afghanischen Sicherheitskräfte in einem Zustand auch – ich sag's mal – hinterlassen, dass diese ihre Aufgabe übernehmen können. Es wird dort mit sehr, sehr viel Engagement, auch persönlichem Engagement, mit großen Opfern versucht, die afghanischen Sicherheitskräfte auf einen vernünftigen Stand zu bringen, und ich finde, wir dürfen unseren Soldatinnen und Soldaten jetzt nicht die politische Rückendeckung verweigern, weil es gibt Fortschritte, sie sind objektiv sichtbar. Und jetzt das Land zu verlassen, würde bedeuten, es wieder in einen Zustand zu versetzen, wo möglicherweise eine Bürgerkriegssituation entstehen könnte.

Ricke: Es geht aber auch darum, unseren Soldaten Sicherheit zu gewährleisten. Und wie sich die Situation entwickelt seit dem Tod Osama bin Ladens, zeigen die Meldungen der vergangenen Stunde, des vergangenen Tages: Drei Attacken auf deutsche Soldaten, drei Männer wurden verletzt. Ist es das alles wert?

Hoff: Ich glaube, es weiß niemand besser als unsere Soldatinnen und Soldaten, in welch gefährlichem Einsatz sie sind. Und es ist unsere Aufgabe als Politiker zu Hause, auch darauf hinzuweisen. Unsere Verpflichtung ist es, den Soldaten so viel passiven und aktiven Schutz, was die Ausstattung, Ausrüstung und vor allen Dingen auch die Ausbildung anbetrifft, mit auf den Weg zu geben. Hier hat es in den letzten Jahren signifikante Verbesserungen gegeben, aber es ist noch nicht alles das umgesetzt, was auch notwendig ist. Deswegen werde ich auch jetzt nach meiner Rückkehr noch Gespräche in Berlin führen, um auf die Defizite aufmerksam zu machen, die noch vorhanden sind.

Ricke: Frau Hoff, in Ihrer Arbeit als stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Südostasiatischen Parlamentariergruppe, da wissen Sie auch und kennen auch Vertreter des pakistanischen Parlaments, auch Regierungsabgeordnete – das ist ja eine Regierung, die sich auf der einen Seite von den USA recht kräftig unterstützen lässt und gleichzeitig Osama bin Laden über Jahre im Land hatte. Glauben Sie denn den Beteuerungen, man habe von dem Aufenthaltsort nichts gewusst?

Hoff: Ja, ich selbst bin auch häufig in Pakistan vor Ort, einfach um dort auch die Lage zu begreifen, und ich habe den Eindruck, dass Teile der Regierung wirklich nichts davon wussten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Sicherheitskräfte, der Sicherheitsapparat in Pakistan nicht auch involviert war. Es gab in den letzten Wochen und Monaten einen regen Besucherverkehr zwischen Washington und Islamabad, wo eben auch gerade die Dienste und das Militär sich auf höchster Ebene ausgetauscht haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Aktion völlig ohne Wissen von Teilen der Sicherheitskräfte abgelaufen ist, aber niemand von uns war dabei und kann die Fakten bestätigen. Aber dass Teile der Regierung es nicht gewusst haben, verblüfft mich nicht.

Ricke: In den USA wird ja heftig diskutiert, ob Pakistan die Milliardenhilfen jetzt noch verdient hat, die es seit Jahren bekommt. Wie unterstützenswert ist denn aus Ihrer Sicht Pakistan?

Hoff: Also wenn Pakistan weiter in seinen Strukturen zerfällt, ist die Stabilität in der Region, wo vier Nuklearmächte auf engstem Raum angesiedelt sind, wirklich sehr, sehr schwierig aufrechtzuerhalten. Ich finde schon, dass wir Pakistan jetzt nicht alleine lassen dürfen, wir müssen uns mehr darum bemühen, die zivilgesellschaftlichen Strukturen, die dort mehr vorhanden sind als in Afghanistan, massiv zu unterstützen. Und ich glaube auch, dass die Gelder, die die Amerikaner jetzt nun auch in die pakistanische Regierung hineinpumpen, wesentlich zielgerichteter erfolgen müssen und dass man auch eine klare Vereinbarung treffen muss, wie das Geld einzusetzen ist. Also den Blankoscheck dürfte es nicht mehr geben, und wir müssen mehr auch für den Aufbau der Zivilgesellschaft im Lande tun.

Ricke: Gibt es Aufgaben, die die Deutschen zu erledigen haben?

Hoff: Ja, wir können das Land unterstützen, die riesigen Probleme der Energieversorgung, Energieverteilung besser in den Griff zu bekommen. Was ein ganz wesentliches Problem in Pakistan ist, ist, dass es kein vernünftiges staatliches Schulsystem gibt, das Land ist überflutet von Madrassas, also von islamischen Koranschulen, wo natürlich die jungen Leute sehr einseitig indoktriniert werden. Ich glaube, das dringendste Problem, das in Pakistan zu lösen ist, ist der Aufbau eines vernünftigen Schulsystems.

Ricke: Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, die gleichzeitig stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Südostasiatischen Parlamentariergruppe ist. Vielen Dank, Frau Hoff!

Hoff: Gerne, vielen Dank!
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