FDP-Politiker erwartet neue Verhandlungen über Vorratsdatenspeicherung

Max Stadler im Gespräch mit André Hatting · 04.03.2011
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), rechnet mit guten und sachgerechten Verhandlungen mit dem neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über eine Lösung für die Vorratsdatenspeicherung.
André Hatting: Zwei neue Minister und viele Baustellen – Thomas de Maizière hat eine riesige, und die heißt Bundeswehrreform. Für seinen Nachfolger im Amt des Innenminister, Hans-Peter Friedrich, CSU, sind es eher viele kleinere - Polizeireform, Integrationspolitik und vor allem die Terrorismusbekämpfung. Hier gibt es Streit mit dem Koalitionspartner FDP. Das Reizwort heißt Vorratsdatenspeicherung.

Gudula Geuther über den Diskussionsstand in Sachen Vorratsdatenspeicherung. Mitgehört hat Max Stadler, er ist parlamentarischer Staatssekretär im FDP-geführten Bundesjustizministerium. Guten Morgen, Herr Stadler!

Max Stadler: Guten Morgen!

Hatting: Herr Stadler, das Bundesverfassungsgericht verlangt eine neue Regelung des Gesetzes. Warum gibt es bis heute keinen Entwurf dazu aus Ihrem Haus?

Stadler: Eigentlich verlangt nicht das Bundesverfassungsgericht eine neue Regelung, sondern wir haben die Situation, dass es eine EU-Richtlinie gibt. Die erste Umsetzung ist ja gescheitert beim Bundesverfassungsgericht, und das Bundesverfassungsgericht hat sehr hohe Hürden aufgestellt für den Fall, dass der Gesetzgeber es für notwendig hält, eine neue Fassung der Vorratsdatenspeicherung einzuführen.

Wir vom Bundesjustizministerium sind allerdings der Auffassung, dass wir einen Gesichtspunkt dabei immer beachten sollten: Uns geht es zu weit, wenn Millionen Telefonverbindungsdaten von völlig unverdächtigen Bürgerinnen und Bürgern, nämlich von allen, die in Deutschland wohnen und hier telefonieren, gespeichert werden ohne Anlass, ohne Verdacht. Und deswegen hat die Justizministerin einen Vorschlag gemacht, dass bei begründetem Anlass Daten gespeichert werden. Das ist eigentlich der Sinn dieser Maßnahme, und darüber verhandeln wir, sowohl auf der EU-Ebene, als auch jetzt mit dem neuen Innenminister Friedrich.

Hatting: Der alte, de Maizière, hat aber schon mal angedeutet, dass er die nicht mittragen will. Sein Gegenvorschlag ist: weniger als sechs Monate speichern. Warum lassen Sie sich darauf nicht ein?

Stadler: Das ist ja genau ein Vorschlag, der das Grundproblem nicht anpackt, denn bei dem Vorschlag von Herrn de Maizière ging es ja nur um eine Verringerung der Speicherdauer. Was uns als Liberale stört, ist, dass eine völlig rechtmäßige Betätigung des Alltags – nämlich man telefoniert mit jemandem, man schickt jemandem eine Mail, das ist ja nichts Verbotenes –, dass das gespeichert wird für staatliche Zwecke, obwohl man selber nicht in Verdacht ist und keinen Anlass gegeben hat für eine Überwachung.

Da, wo sich jemand verdächtig gemacht hat, ist es ja richtig, dass man auch in das Fernmeldegeheimnis eingreift, und dieses Grundproblem wollen wir eben lösen, indem wir das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, also das sofortige Einfrieren von Daten bei Verdacht, einführen wollen, und darüber hinaus ja auch noch Bestandsdaten für eine Woche sichern wollen, um vor allem gegen die Nutzung von Kinderpornografie im Netz vorzugehen.

Hatting: Aber Hans-Peter Friedrich, der Nachfolger von de Maizière, hat da schon ganz klar gesagt, er stimme im Wesentlichen mit seinem Vorgänger überein. Warum wollen Sie jetzt den alten Kompromissvorschlag dem neuen Innenminister vorliegen, wenn klar ist, dass er ihn ablehnen wird?

Stadler: Ja, der neue Innenminister ist jetzt gerade im Amt. Ich kenne ihn übrigens persönlich gut, weil wir in einer früheren Legislaturperiode gemeinsam in einem Untersuchungsausschuss tätig waren. Dort war Herr Friedrich stellvertretender Vorsitzender. Ich habe ihn kennen und schätzen gelernt als einen sehr sachlichen Politiker. Ich glaube, dass man mit ihm gute und sachgerechte Verhandlungen führen kann, und die führen wir natürlich jetzt dann intern, und dann wird man sehen, was dabei herauskommt.

Zugleich darf man aber nicht übersehen, dass ja auf der europäischen Ebene auch Bewegung in die Debatte gekommen ist. Sieben Staaten haben diese Richtlinie nicht umgesetzt, weil sie ebenfalls Bedenken haben, und in der EU wird eine Evaluierung durchgeführt, also es wird überprüft: Wie hat sich denn die Richtlinie in den Staaten, die sie schon umgesetzt haben, eigentlich bewährt? Welche Folgerungen muss man daraus ziehen? Und ich glaube schon, dass der Vorschlag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit der Speicherung bei begründetem Anlass auch die Debatte in der EU befruchten wird. Man muss also auch abwarten, wie dort der weitere Verlauf der Debatte ist und welches Ergebnis auf der EU-Ebene erzielt wird, denn die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie kommt ja von der EU, allerdings mit Zustimmung der seinerzeitigen Bundesregierung, der Großen Koalition.

Hatting: Ja, Herr Stadler, Sie haben gesagt, man müsse abwarten, wie sich das bewährt habe in Deutschland, bevor das Bundesverfassungsgericht das kassiert hat. Hat es sich ja offensichtlich bewährt? Zumindest sagen die Polizeien der Länder, beispielsweise NRW oder Sachsen-Anhalt, dass, seitdem dieses Gesetz nicht mehr angewandt werden kann, die Zahl der aufgeklärten Straftaten, zum Beispiel wegen Kinderpornografie, stark zurückgegangen sind, und der Innenminister von NRW hat sogar von Strafvereitelung gesprochen.

Stadler: Bei Kinderpornografie haben wir in der Tat einen Sonderfall, weil man da sehr schnell feststellen können muss, wer derjenige war, der eine inkriminierte Webseite besucht hat. Da gibt es ja nur einen Zahlencode, und da muss man in der Tat – das sehen wir auch vor – vorhalten für einige Tage, welche natürliche Person das gewesen ist. Das ist ein Punkt, den wir in unserem Vorschlag bedacht haben.

Im Übrigen zeigen aber die Zahlen, dass in der Zeit, als die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland praktiziert wurde, keineswegs die Aufklärungsraten in die Höhe gegangen sind. Wir haben ja auch sonstige Instrumentarien für Polizei und Justiz, die Vorratsdatenspeicherung ist ja beileibe nicht das einzige Mittel, und im Gegenteil: In vielen Fällen benötigt man sie eben nicht. In anderen mag sie hilfreich sein, das ist dann eine Abwägung. Wir haben im Übrigen ein Gutachten in Auftrag gegeben beim Max-Planck-Institut, das uns aufzeigen soll, ob es wirklich die behaupteten Schutzlücken gibt oder nicht. Auch dies wird für die weitere Debatte Bedeutung haben.

Hatting: Das war ein Gespräch mit dem parlamentarischen Staatssekretär im FDP-geführten Bundesjustizministerium, das war Max Stadler. Herr Stadler, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Stadler: Dankeschön!
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