FDP-Europaparlamentarier: Finanzmarktsteuer wird nicht kommen

Wolf Klinz im Gespräch mit Marcus Pindur · 25.06.2010
Der Vorsitzende des Sonderausschusses zur Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise des Europaparlaments, Wolf Klinz (FDP), glaubt vor dem heutigen G-8-Treffen und der morgen beginnenden G-20-Konferenz nicht an eine entschiedene Verhandlungsposition von Bundeskanzlerin Merkel für eine Finanztransaktionssteuer.
Marcus Pindur: Das wird kein Kuschelgipfel in Toronto. Bundeskanzlerin Merkel wird Gegenwind insbesondere von der Obama-Administration bekommen, und zwar wegen des Vorwurfs der USA, Deutschland streiche seine Staatsausgaben zu radikal, das gefährde die Konjunktur. Da will die Kanzlerin aber hart bleiben, und dagegen wird US-Präsident Obama wohl wenig tun können.
Beim nächsten Thema, der Finanzmarkttransaktionssteuer, da wird wohl die Kanzlerin dicke Bretter bohren müssen, weil da Obama und einige andere auf die Bremse treten.
Ich begrüße jetzt den FDP-Europaabgeordneten Wolf Klinz. Guten Morgen, Herr Klinz.

Wolf Klinz: Guten Morgen!

Pindur: Sie sind Vorsitzender des Sonderausschusses zur Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise im Europäischen Parlament. – Die Kanzlerin ist ja schon sehr skeptisch beim Thema Finanzmarkttransaktionssteuer, wie sie das gestern sagte. Wie beurteilen Sie denn die Chancen der Europäer, so etwas durchzusetzen?

Klinz: Ich glaube, die Chancen sind minimal, um nicht zu sagen, sie sind gleich null. Eine solche Steuer macht ja wirklich nur Sinn, wenn sie global erhoben wird, denn sonst laden wir die Finanzmarktteilnehmer nur ein, eben auszuweichen von den Regionen, wo die Steuer erhoben wird, in andere, und das ist ja heutzutage binnen der globalen Finanzwelt gar kein Problem mehr. Also es ist ziemlich klar, dass diese Steuer nicht kommen wird, weil sich schon vor dem Gipfel eben so wichtige Teilnehmer wie die USA strikt dagegen ausgesprochen haben. Insofern glaube ich, dass wir da keine Chance haben.

Pindur: Sie sehen also auch nicht, dass man das in Europa zunächst einmal nur einführt?

Klinz: Europa wäre dann, ich sage mal, die zweitbeste Lösung und wenn alle mitziehen, könnte das auch ein erster Ansatz sein. Aber es müssten dann in der Tat alle mitziehen, nicht nur die Mitglieder der Euro-Zone, sondern auch und vor allem auch Großbritannien, denn Großbritannien hat ja mit London nach wie vor einen der größten Finanzplätze der Welt und sicherlich den größten in Europa, und auch hier scheint mir im Moment die Bereitschaft, zusätzlich zur Bankenabgabe, auf die man sich ja im Prinzip schon verständigt hat, eine Finanzmarkttransaktionssteuer einzuführen, diese Bereitschaft scheint mir sehr gering zu sein.

Pindur: Die Bankenabgabe, die kann man ja in jedem Land einzeln einführen. Bei der Finanzmarkttransaktionssteuer ist das anders. Aber da treten die Europäer nicht gerade kraftvoll auf. Also der Kompromiss, auf den man sich geeinigt hat, ist: Man wolle die Transaktionssteuer erforschen und entwickeln.

Klinz: Ja.

Pindur: Geht da die Kanzlerin lediglich mit einer gesichtswahrenden Haltung in diese Verhandlungen?

Klinz: Ja, ich weiß gar nicht, ob man sagen kann, sie geht mit der strikten Forderung in die Verhandlungen. Es ist ihr Vorschlag, oder sie hat sich diesem Vorschlag angeschlossen, eigentlich kommt der Vorschlag ja von Kommissar Barnier in Brüssel, der gesagt hat, wir brauchen eine Bankenabgabe und eine Transaktionssteuer, und sie hat sich, so wie auch Frankreich, dem angeschlossen. Aber ich glaube nicht, dass sie mit knallharten Forderungen danach in die G-20-Treffen hineingeht.

Pindur: Eine weitere Frage, die auch darüber hinausgeht, ist ja die Frage der grundsätzlichen Regulierung des Finanzmarktes. Im amerikanischen Kongress steht ein scharfes, relativ scharfes Regulierungsgesetz kurz vor der Verabschiedung. Das EU-Parlament gerät da aber in Verzug, weil die Verhandlungen blockiert sind. Warum?

Klinz: Na ja, ich weiß gar nicht, ob wir in Verzug geraten, denn wir haben immerhin eine Reihe von Regulierungsschritten ja schon beschlossen. Wir haben die credit rating agencies, also die Kreditbewertungsagenturen, ja schon vor geraumer Zeit beschlossen; das tritt am 1. 1. des kommenden Jahres in Kraft. Wir haben einen Vorschlag auch schon abgestimmt im Parlament, zumindest im zuständigen Ausschuss, über die sogenannten alternativen Investmentfonds, sprich Hedgefonds, Finanzbeteiligungskapital und andere. Wir sind im Moment – und das geht halt nicht anders – in sogenannten Trilog-Gesprächen zwischen Parlament, Kommission und Rat, um hier zu einem Konsens zu kommen, und da haben sich in der Tat die Positionen ein bisschen verrannt – einfach deshalb, weil es zwei Punkte gibt, wo wir noch nicht einig sind. Das Parlament will eine ganz harte Regelung auch und gerade für Fonds, die nicht in Europa angesiedelt sind, das heißt, damit die in Europa Geschäfte machen können. Auch in Zukunft müssten sie die harten Regulierungsauflagen, die wir nun beschlossen haben, erfüllen. Und dagegen wenden sich die Länder außerhalb Europas, gerade USA, Cayman Islands und so weiter, und die haben in Großbritannien zum Beispiel einen Fürsprecher im Rat, und insofern sind wir als Parlamentarier noch nicht mit dem Rat hier einig. Aber ich hoffe, dass wir einig werden, sicherlich nicht mehr vor der Sommerpause, aber doch sagen wir mal bis zum Herbst.
Das zweite große, wichtige Thema der Regulierung ist, dass wir in Europa eine europäische Finanzmarktaufsicht einführen wollen – für Banken, für Versicherungen, für Wertpapiere und Märkte -, und auch hier stocken die Gespräche zwischen Parlament und Rat, weil wir vom Parlament weitergehen wollen. Wir wollen diesen europäischen Agenturen mehr Kompetenzen zubilligen, als es im Moment der Rat sieht. Der Rat fürchtet, dass bei solchen weitgehenden Kompetenzen im Prinzip die Souveränität der Mitgliedsstaaten, die ja nationale Aufsichtsbehörden haben, eingeschränkt wird.

Pindur: In den USA wird diskutiert, den Banken nur jeweils zu erlauben, 2 Prozent ihres Kernkapitals in risikoreiche Geschäfte wie zum Beispiel Hedgefonds oder andere zu investieren. Denken die Europäer auch über solche Regelungen nach?

Klinz: Ja, wir haben ja grundsätzlich ein anderes System. In Amerika haben wir ja Banken, die sich praktisch ausschließlich auf Kapitalmarktgeschäfte konzentrieren. Das waren die sogenannten Investmentbanken. Die haben zwar ihren Status vor Kurzem geändert, damit sie auch unter die Regulierung der Banken fallen, aber eigentlich machen die das. Die haben keine Einlagen von Sparern und Kleinkunden sozusagen. Und es gibt eben die anderen, die im Prinzip Kredite vergeben und die sich im Wesentlichen durch Einlagen von Bürgerinnen und Bürgern refinanzieren, die bei ihnen Konten unterhalten. Und was die Amerikaner wollen ist, dass die Banken, die einlagenfundierte Geschäfte haben, nicht mit diesem Geld ihrer Kunden sozusagen risikoreiche Geschäfte machen. Und das ist an sich eine vernünftige Forderung. Bei uns ist das in der Form nicht umzusetzen, weil wir das sogenannte Universalbankensystem haben. Das heißt, bei uns werden unter einem Dach, wenn auch in verschiedenen Abteilungen, alle Geschäfte getätigt. Grundsätzlich halte ich die Forderung, dass man den Banken verbietet, risikoreiche Geschäfte, also auch Eigenhandel an den Börsen zu beschränken, diese Forderung halte ich grundsätzlich für richtig. Wir sollten generell darauf achten, dass die Banken sich mehr und mehr auf ihre eigentliche Kernaufgabe wieder konzentrieren, und das ist, die Realwirtschaft mit Finanzmitteln zu versorgen.

Pindur: Herr Klinz, vielen Dank für das Gespräch!

Klinz: Ich danke Ihnen! Schönen Tag.

Pindur: Der FDP-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Sonderausschusses zur Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise Wolf Klinz.
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