Faust Ausstellung in der Münchner Hypo-Kunsthalle

"Wir schließen tagtäglich einen Pakt mit irgendwelchen Teufeln"

von Tobias Krone · 21.02.2018
Goethes "Faust" ist für viele Deutschen Pflichtlektüre in der Schule gewesen. Wie in der Kunst mit dem "Faust" umgegangen wurde und wird – das zeigt die Ausstellung „Du bist Faust – Goethes Drama in der Kunst“. Tobias Krone hat die Schau besucht.
Am Anfang war da diese Wette: Gott und Mephisto und die Frage: Wer wird Fausts Seele bekommen? – der Prolog im Himmel, Generationen von Schülern haben ihn in ihren Reclam-Heftchen überblättert, hier in der Hypo-Kunsthalle gibt es kein Entrinnen: wer zum Faust will, muss hier hindurch, durch den roten Vorhang und durch das schummrige Foyer mit den Planeten auf dem Fußboden. Der Direktor der Hypo-Kunsthalle München Roger Diederen:
"Man betritt wahrlich die Bühne im Prolog im Himmel als Besucher der Ausstellung, wird da schon mit Mephisto konfrontiert, einer grandiosen, um nicht zu sagen spektakulären lebensgroßen Marmorskulptur aus Russland"

Alle sind verführbar

Mark Antokolskis Mephisto von 1883 ist ein Denker im Rodinschen Sinne, weniger Teufel als starrsinniger Mensch. Mit ihm befindet sich der Besucher vor einer verspiegelten Wand. "Du bist Faust." Das Programm der Ausstellung ist damit gesetzt.
"Wir sind alle verführbar. Wir schließen tagtäglich einen Pakt mit irgendwelchen Teufeln. Und wir wollten, dass es mehr ist als nur eine brave kunsthistorische Aneinanderreihung von Kunstwerken. Und somit sind wir auf diese Idee gekommen, diesen Titel zu wählen, um damit auch den Besucher herauszufordern."

Faust im Wandel der Zeit

Das Museum als Bühne, die Ausstellung als Spektakel. In der Hypo-Kunsthalle München durchlaufen die Besucher einige wichtige Szenen des Dramas – und erleben es nach in den Bildern, Skulpturen, Filmen und Liedern, die sich bis heute an den Stoff anlehnen. Kurator Thorsten Valk von der beteiligten Klassik Stiftung Weimar:
"Es ging uns nicht darum, eine kunstgeschichtlich gut gegliederte Ausstellung in epochengeschichtlichen Ausschnitten zu präsentieren, sondern immer wieder Nachbarschaften zu erzeugen, in denen Kunstwerke des 19. Jahrhunderts mit solchen des 20. Zusammentreffen und dadurch auch deutlich werden lassen, wie sich der Blick auf eine Figur oder eine bestimmte Szene des Dramas verändert."

Gretchen auf Abwegen

So hängt im Raum, der sich Fausts Verliebtheit widmet, neben viel romantischem Öl-Pomp Anselm Kiefers karges Ölgemälde von 1981, das drei Strohhalme integriert: "Dein goldenes Haar, Margarethe" ist es übertitelt. Es ist ein Zitat von einem Zitat, denn auch der Dichter Paul Celan hatte es in seiner Todesfuge aufgegriffen. Das Gemälde ist als Teil der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu verstehen – und mit dessen Missbrauch des Faust-Stoffes. Doch nicht nur die Nazis formten Gretchen nach ihrem Idealbild, auch die Belle-Epoque:
"..., wo wir plötzlich mit einer Frau konfrontiert werden, die alles ablegt, was Margarete mal ausgezeichnet hat, und dann auch in der Folge etwa der gounod‘schen Faust-Oper zu einem Idol der französischen Frau im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts avanciert. Wir haben große Operndiven, die in ihren Rollen als Margarete gefeiert werden, die regelrechte Popstars sind. So dass es dann am Schluss auch nicht verwundert, dass Margarete als Salondame dargestellt wird, als eine junge französische Frau, die mit einem galanten jungen Mann flirtet, also plötzlich Szenen, die mit dem ursprünglichen Gretchen gar nicht mehr viel gemeinsam haben."
In einem Ausstellungssaal wird der Aufstieg der Bürgerstochter auf die Bühne der Pariser Opéra Garnier sinnlich nacherlebbar, der Saal wird zur Bühne. Für die spektakuläre und didaktisch kluge Gestaltung der Räume engagierten die Ausstellungsmacher eigens den freien Bühnenbildner Philipp Fürhofer. Er meistert die Gratwanderung zwischen Mythos und Aufklärung, zwischen fettem Spektakel und kulturgeschichtlicher Distanz virtuos.

Das Thema ist zeitlos

Goethes Drama ist anschlussfähig bis heute. Für Thorsten Valk sind darin die entscheidenden Motive der Moderne angelegt. Fausts Ruhelosigkeit zum Beispiel, oder das Liebesmotiv. Fausts anfängliches Vergöttern und späteres Verstoßen von Margarete.
"All das sind Themen, die uns im Grunde genommen auch heute beschäftigen als moderne Individuen. Und noch deutlicher wird es, wenn wir auf den Faust II schauen, denn dort sind die ganz großen Themen unserer Gegenwart schon verhandelt: Die Folgen eines entfesselten Kapitalismus, die Frage, wie gehen wir mit der künstlichen Erzeugung des Menschen um, die Frage, welche Folgen für unsere Umwelt haben große Projekte wie Fausts Landgewinnung."

Faust kann Spaß machen

Wie ironisch, dass es gerade diese großen Themen des Faust II nur noch in Nischen der Kunstwelt schafften. Max Slevogt und Max Beckmann widmeten ihnen Zeichnungszyklen, die die Ausstellungsmacher augenzwinkernd in einen kleinen Nebenraum gepfercht haben; gekrönt von Robert Gernhardts satirischer Zeichnung eines gähnenden Mephisto, der sich bei der Lektüre von Faust II wohl genauso gelangweilt hat wie die gemeine Abiturientin in uns. Diese Münchner Faust-Show macht dagegen tatsächlich Lust, tiefer einzusteigen in den Klassiker – und Gelegenheit dazu wird es geben: Denn um die Ausstellung herum haben Kulturinstitutionen in München ein ganzes Festival mit 500 Veranstaltungen drapiert. Goethe, der zu Lebzeiten nur einmal, auf seiner Italienreise, kurz in München vorbeischaute, dürfte hier in diesem Frühjahr ganz gut vertreten sein.

Du bist Faust. Goethes Drama in der Kunst.
Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle München
vom 23. Februar – 29. Juli 2018
Weitere Informationen und Termine online

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