Fatih Akin mit qualifiziertem Quatsch zu Weihnachten

Von Jörg Taszman · 25.12.2009
Nach "Gegen die Wand" und "Auf der anderen Seite" hatte Regisseur Fatih Akin große Lust, endlich einmal eine Komödie zu drehen. "Ich hab mich wirklich danach gesehnt, qualifizierten Quatsch, qualifizierten Unsinn zu machen", bekennt er. "Soul Kitchen" brachte auch die Jury in Cannes zum Lachen.
Kneipen, Feiern und Musik sind die anderen Leidenschaften des Filmemachers Fatih Akin. Für "Soul Kitchen" hat er zusammen mit dem Hauptdarsteller Adam Bousdoukos das Drehbuch geschrieben und eine Zäsur gesetzt.

Fatih Akin: "Clubs und Kneipen und Gastro. Das war schon immer so ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Ich bin so en Ausgehtyp, immer gewesen. Das hört jetzt auf so langsam aus verschiedenen Gründen. Das hat auch was mit Älterwerden zu tun und somit ist auch Soul Kitchen 'ne Form von Abschied von so einem gewissen Lebensstil. Ich habe früher zwei Schachteln Zigaretten am Tag geraucht, beim Auflegen drei. Ich habe aufgehört zu rauchen. Ich kann heut nicht mehr in eine Kneipe gehen, wo geraucht wird. Mit Trinken genauso. Ich konnte Trinken und Trinken und Trinken und am nächsten Tag aufwachen und alles klar und so ab in die nächste Kneipe. Das kann ich heute nicht mehr."

Mit "Soul Kitchen" hat Fatih Akin mit seinen Lieblingsschauspielern eine unterhaltsame Klamotte gedreht, in der viel geschimpft, gestritten, geliebt und gelacht wird. Alles dreht sich um zwei ungleiche Brüder: Zinios, gespielt von Adam Bousdoukos, der sein Restaurant retten will, während Illias - Moritz Bleibtreu - im Knast sitzt, aber regelmäßig Freigang erhält. Zinios, der sich nur auf Hausmannskost versteht, heuert einen extravaganten Gourmetkoch an. Ein Paradeauftritt für Birol Ünel.

"Ich weiß so viel von Restaurants, dass ich weiß, dass ich kein eigenes haben möchte. Backfisch, Spaghetti in Sahnesauce, Pommes in Sahnesauce. Den Mist koche ich nicht."
"Ich denke, du suchst einen Job?"
"Eine Hure ist eine Hure ist eine Hure. Ich bin ein Koch!"
"Da ist die Tür! Hey warte! Mir schmeckt mein Essen auch nicht, aber den Leuten schmeckt's."
"Die Leute wissen nicht, was schmeckt. Die Leute haben Löcher im Bauch und diese Löcher stopfen sie mit Dreck!"

Wieder hat Fatih Akin gekonnt die Genres gewechselt. Geschrieben hat er am Drehbuch schon seit 2003 während des Schnitts von "Gegen die Wand". Dann kamen andere Filme und andere Pläne dazwischen. So trug er sich ernsthaft mit der Absicht, nach Istanbul oder New York zu ziehen, wurde dann jedoch Vater und blieb zunächst auch aus Rücksicht auf sein Kind und seine Frau in Hamburg. Bis ihm dann klar wurde, dass dort seine Heimat ist. Und nach seinem Regiedebüt "Kurz und schmerzlos" wollte er nun einen anderen Hamburg-Film drehen, eine Komödie.

Fatih Akin: "Ich hab mich wirklich danach gesehnt, Quatsch zu machen, Unsinn zu machen. Qualifizierten Quatsch, qualifizierten Unsinn. Ich mach die Filme eigentlich immer aus einem Gemütszustand heraus. Ich war sehr wütend als ich 'Gegen die Wand' gemacht hab und dementsprechend ist der Film geworden und ich war in einer sehr nachdenklichen Phase, als ich 'Auf der anderen Seite' gemacht habe. Nach diesen beiden Filmen, vor allem nach dem Letzten, hatte ich wirklich auch die Sehnsucht, was zum Lachen zu machen."

Seit "Gegen die Wand" ist Fatih Akin international der erfolgreichste Regisseur aus Deutschland. Sein Dokumentarfilm "Crossing the Bridge" und der meisterhaft episodische Spielfilm "Auf der anderen Seite" liefen beim Filmfestival in Cannes und "Soul Kitchen" wurde nach Venedig eingeladen. Dort konnte er das Publikum wie die Kritik überzeugen. Von der Jury erhielt Fatih Akin den Regiepreis. Das überraschte ihn.

"Meine Bedenken waren, dass hinter Stade niemand mehr über meinen Film lacht, dass es nur in Hamburg funktioniert. Der größte Triumph war, dass der Film überhaupt eingeladen wurde nach Venedig. Das war nicht so selbstverständlich ... Es verging kein Tag beim Drehen, wo ich nicht hysterisch war. Ich hatte zwar Lust , diesen Film zu machen, aber es könnten ja auch zwei Schritte zurück sein. Ich kenn das Politikum jetzt der Jury. Es ist kein politischer Film und lalalala, aber er hat uns ja so gut gefallen. Und sie haben mir genau den richtigen Preis gegeben, der war wichtig. Alle Preise waren wichtig, aber ähnlich wie der Goldene Bär von der Symbolik, weil er zu einem Zeitpunkt kam, wo ich das nie gedacht habe. Mit 'ner Komödie international so zu punkten. Und die Leute haben gelacht."

"Soul Kitchen" wird nun oft als Heimatfilm betrachtet, vielleicht auch nur, weil Kritiker und Journalisten allzu gerne Filme in Genreschubladen pressen. Fatih Akin hat damit jedoch keine Probleme. Ihm ist nur aufgefallen, dass der Held erstmals in einem seiner Filme nicht mehr so auf der Suche nach einem zuhause ist. Er ist angekommen. Fatih Akin dagegen bleibt sich in seiner Unberechenbarkeit treu. Nun also eine Komödie und das am ersten Weihnachtsfeiertag.
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