Fashwave

Nazis in Neon-Optik

10:42 Minuten
Im Still aus "Tron" sitzen uniformierte Darsteller an einer futuristisch anmutenden Konsole.
Die sogenannte "Fashwave" kapert die Ästhetik der Vaporwave und erinnert dabei etwa an den Science-Fiction-Klassiker "TRON", 1982 ein Meilenstein in der Geschichte der Computeranimation. © imago / Mary Evans AF Archive Disney
Veronika Kracher und Manuel Bürger im Gespräch mit Max Oppel · 13.07.2021
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Die extrem Rechte setzt schon lange nicht mehr auf Frakturschrift und Eichenblatt, um ihre Botschaften zu verbreiten: Fashwave verpackt braune Inhalte in einer von den 80er-Jahren inspirierten Ästhetik, um junge Männer zu agitieren.
Faschisten sind unter uns – die Frage ist nur, wie man sie erkennt. Vor allem, wenn sich Sprache und Bildsprache der Rechtsextremen verändern, wenn sie im Netz Ästhetiken für sich vereinnahmen und nutzen.

Nazi-Botschaften im 80er-Jahre-Look

Die Amadeu Antonio Stiftung hat einen Report zum Thema "Fashwave" veröffentlicht. Bei Fashwave handelt es sich um faschistoides Netz-Design: neonfarbene Schriften, 80er-Jahre-Computerspielästhetik, dazu mehr oder weniger subtile Nazi-Botschaften - zum Beispiel ein Soldat mit einer Rune auf der Brust, gern poppig-pink und grau gemischt, darunter ein Slogan wie "Natur verteidigen" oder "Tradition bewahren".
Fashwave-Ästhetiken fänden sich auf den einschlägigen Telegram-Kanälen und Instagram-Profilen rechtsextremer Gruppierungen, berichtet Veronika Kracher von der Amadeu Antonio Stiftung, eine der Autorinnen des Reports. Es gehe einerseits darum, innerhalb der Szene "ein Selbstbild soldatischer Männlichkeit und Stärke zu vermitteln", andererseits dienten diese Grafiken als Propagandamittel, um junge Männer zu rekrutieren, die recht anfällig für faschistisches Gedankengut seien.

Abgekupfert vom Musikgenre Vaporwave

Die Textebene von Fashwave sei "kaum missverständlich", sagt der Grafikdesigner Manuel Bürger, der sich unter anderem intensiv mit der Meme-Kultur im Internet beschäftigt. Eine Fashwave-Aussage wie "Make democracy history" sei sehr eindeutig. Visuell kupfere Fashwave bei der Ästhetik von "Vaporwave" ab: einem Musikgenre der frühen 2010er-Jahre, das sich ebenfalls einer 80er-Jahre-Ästhetik bediente und dessen entschleunigte Discomusik als Kapitalismuskritik rezipiert wurde. Vaporwave sei sehr damit verbunden, die kommerzielle Welt ad absurdum zu führen.
Die progressive Kapitalismuskritik des Vaporwave werde von Fashwave regressiv umgedeutet, erklärt Veronika Kracher. Die Erkenntnis, dass das Leben im Kapitalismus entfremdet sei und man darunter leide, führe beim marxistisch beeinflussten Vaporwave zum Wunsch nach einer befreiten Gesellschaft. Bei Fashwave dagegen sei die Kapitalismuskritik anti-modern und das Ideal die völkische Gesellschaft, die mit Antisemitismus und reaktionären Geschlechterbildern einhergehe.

Coolness kapern und etablierte Ästhetiken kopieren

Für Kracher gibt es zwei Gründe, warum die extreme Rechte die Vaporwave-Ästhetik abkupfere: Erstens sei sie nicht sonderlich einfallsreich, gerade was Ästhetik angehe. Zweitens habe sie generell die Tendenz, Elemente aus bereits präsenten subkulturellen Strömungen zu kopieren. So hätten sich auch die rechtsextremen "Autonomen Nationalisten" bei der Ästhetik des antifaschistischen schwarzen Blocks bedient, "um den Coolness-Faktor abzukupfern".
Manuel Bürger ist der Meinung, dass Fashwave-Memes nicht wirklich erfolgreich darin seien, eine breite Masse anzusprechen. Ein herkömmliches Meme, das mit Humor agiere, funktioniere da besser. Da die Fashwave-Ästhetik genutzt werde, um junge Menschen zu agitieren, sei es dennoch wichtig, dass Eltern, Lehrkräfte und potenziell Betroffene die Ästhetiken und ihre Botschaften erkennen, betont Veronika Kracher.
(jfr)
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