FARC in Kolumbien

Der schwierige Weg zum Frieden

Friedensgespräche in Havanna
Ricardo Tellez (l), Luciano Marin (m) und Pablo Catatumbo (r) von der FARC während der Friedensgespräche in Havanna,Kuba. © picture alliance / dpa / Foto: Ernesto Mastrascusa
Von Burkhard Birke  · 15.03.2016
Der Krieg zwischen Guerillagruppen, Armee und Paramilitärs hat in Kolumbien mehr als 220.000 Menschen das Leben gekostet. Bei Verhandlungen von FARC-Anführern mit der kolumbianischen Regierung in Kuba besteht erstmals die Hoffnung auf ein Ende des Konflikts.
Bis auf die Zähne bewaffnete Guerilleros warben in einem Dorf für den Friedensprozess: Die Bilder waren kontraproduktiv: 57 Prozent der Kolumbianer glauben laut Umfrage, dass die Friedensverhandlungen in die falsche Richtung laufen, die Popularität des Präsidenten Juan Manuel Santos ist auf 24 Prozent gesunken.
Nicht ausgeschlossen, eher aber unwahrscheinlich – Justizminister Yesid Reyes will dennoch weiter an den 23. März als Datum für die Unterzeichnung eines Friedensabkommens glauben. Es gilt die Dynamik der Verhandlungen mit den noch etwa 7000 Kämpfer zählenden bewaffneten Revolutionären Streitkräften Kolumbiens‘, den FARC, aufrechtzuerhalten. Harte Nüsse wie die Entwaffnung und der künftige Aufenthaltsort der seit 1964 aktiven Guerilla gilt es bei den Verhandlungen in Havanna, Kuba, noch zu knacken. Über vier entscheidende Kapitel wie Landreform, politische Teilhabe, Kampf gegen Drogen und Übergangsjustiz mit weitreichenden Zugeständnissen konnte Einvernehmen erzielt werden.
"Alle Vergehen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt werden der Sonderjustiz unterstellt. Für einige Delikte, insbesondere die politischen, wird es Amnestie und Strafminderung geben."

Menschenrechtsverletzungen sollen ausgenommen bleiben

Mit Haftstrafen von maximal fünf bis acht Jahren. Schwere Menschenrechtsverletzungen sollen jedoch ausgenommen bleiben, wie Justizminister Yesid Reyes gegenüber Deutschlandradio Kultur betonte. Statt mit der Waffe im Dschungel wollen die Anführer der FARC künftig an der Urne für ihre Ziele kämpfen. Die hätten sie schon längst bei den Verhandlungen durchgesetzt, behauptet die Opposition. Das Centro Democratico, die Partei des früheren Präsidenten Alvaro Uribe, schreit Verrat, spricht von einem Ausverkauf des Landes an die Terroristen der FARC. Senator José Obdulio Gaviria:
"Präsident Santos will den Frieden um jeden Preis. Er will den Frieden um des Friedens willen und schluckt jede Kröte. Wir sagen: Nein – so nicht. Staaten müssen auch ethische Prinzipien haben."
Wirkliche Alternativen hat die Opposition nicht zu bieten: Sie würde am liebsten weiter auf den bewaffneten Kampf gegen die Guerilleros von den FARC und des Nationalen Befreiungsheeres, ELN, setzen. Die Politik der harten Hand des früheren Präsidenten Uribe hat die Guerilla zwar enorm geschwächt, nicht aber besiegt, und war dem Paramilitarismus förderlich. Santiago Uribe, der Bruder des früheren Präsidenten, wurde gerade wegen Verwicklung in die blutigen Aktivitäten von Paramilitärs vor über 20 Jahren verhaftet. Das hat einen politischen Sturm der Entrüstung ausgelöst und die Gegner des Friedensprozesses in Havanna auf den Plan gerufen. Dennoch: Die Einsicht, dass dieser Konflikt nicht militärisch zu lösen ist, hat sich durchgesetzt, auch bei der Guerilla, sagt Senator Ivan Cepéda, vom linken Polo Democratico. Er glaubt sogar an baldige Verhandlungen mit der zweiten Guerillagruppe, ELN, deren Kampfstärke auf noch 1700 geschätzt wird.


"Zum ersten Mal haben sich Regierung und ELN auf einen Themenkatalog für Verhandlungen verständigt. Das ist kaum bekannt, aber enorm wichtig. Es fehlt nur noch ein kleiner Schritt, damit sie sich an den Verhandlungstisch setzen, aber ich bin überzeugt, dass es dazu kommt."
Burkhard Birke und Yesid Reyes 
Burkhard Birke im Gespräch mit dem kolumbianischen Justizminister Yesid Reyes© Deutschlandradio / Burkhard Birke

FARC-Kämpfer könnten sich den ELN-Kämpfern anschließen

Ein Frieden ohne ELN wäre nur ein halber Frieden. Frustrierte FARC-Kämpfer könnten sich den ELN-Kämpfern anschließen. Befürchtet wird ohnehin, wie seinerzeit bei der Demobilisierung der rechtsgerichteten Paramilitärs, dass sich viele kriminellen Banden anschließen. Probleme der Sicherheit, der Kriminalität und des Drogenhandels werden bleiben, zumal auch Paramilitärs wieder oder immer noch aktiv sind. Das Gros der Kolumbianer glaubt oder vielmehr hofft dennoch, dass dieser Friedensprozess unumkehrbar ist.
"Frieden bedeutet nicht nur ein Dokument zwischen Regierung und einer Gruppe bewaffneter Leute zu unterschreiben. Den Frieden müssen alle mittragen: Angefangen vom Straßenverkäufer an der Ecke bis hin zum Regierungschef im Palacio Narino. Wir müssen das Verhalten ändern, das wir seit fast zweihundert Jahren gezeigt haben."

Eine Herkulesaufgabe

Endemische Gewalt nannte Literaturnobelpreisträger Garcia Marquez dieses Verhalten, das Ricardo Suarez anprangert: Acht Jahre lang kämpfte er mit und bei den FARC, jetzt will er Lehrer werden und mit an der friedlichen Zukunft seines Landes bauen helfen. Eine Herkulesaufgabe, die – so Konfliktforscherin Angelika Rettberg von der Universidad de Los Andes – jedoch bewältigt werden könnte.
"Diese Realität, dass hauptsächlich wir Kolumbianer dafür verantwortlich sein werden, dass das hier funktioniert oder nicht, glaube ich, bedeutet auch, dass wir die Kosten kennen, dass keiner an weiße Friedenstauben glaubt, sondern weiß, dass Frieden eine harte Aufgabe sein wird, die für uns alle bedeutet, dass wir große Kosten weiter übernehmen müssen, aber das es sich letztendlich lohnen wird, sowohl vom humanitären aus, dass einfach die Morde ablassen werden, und dass es letztendlich auch dazu beitragen wird, dass dringende soziale Aufgaben wie die Bewältigung der Erziehungsdefizite, der Gesundheitsdefizite usw. endlich in Angriff genommen werden können."
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