Fanny Krug über die Musik ihres Vaters

"Er schwebt über dem Ganzen"

Manfred Krug und Fanny Krug
Manfred Krug mit seiner Tochter Fanny Krug 2003 während eines Konzerts. © Copyright: imago/APress
Moderation: Mascha Drost · 19.02.2019
"Seine Lieder" heißt die Platte, die nach dem Tod von Sänger und Schauspieler Manfred Krug 2017 veröffentlicht wurde. Seine Tochter Fanny Krug bringt diese Songs auf die Bühne mit der "Manfred Krug Hommage".
Mascha Drost: Wenn ich singe, zeige ich, welch ein Mensch ist wirklich bin. Ein feinfühliger Mensch, nicht dieser proletarische Klotz. Das sagte Manfred Krug über sich, der als Schauspieler nicht nur einmal den proletarische Klotz mimte und auch privat manchmal, aber eben nur mimte und auch das sehr feinfühlig. Diejenigen, die Krug nur im Westen kennenlernten, für die war er der Tatortkommissar, dessen Markenzeichen eben die Jazznummern waren. Für das Publikum in der DDR war er ebenso Schauspieler wie Sänger.

Und um es mal zuzuspitzen, die DDR hatte die besseren Schlager – zumindest wenn Manfred Krug sang. Feinfühlich, niemals unecht, kitschig manchmal. Aber durch seine gerade direkte Art zu singen oder nicht zu singen, hatte er nichts mit dem Schnulzgesang vieler anderer Schlagersänger zu tun. Und natürlich waren seine Lieder auch mehr als Schlager – Jazz, französischer Chanson flossen ganz selbstverständlich ein.
Die Schauspieler Charles Brauer (li.) und Manfred Krug im Tatort
Die Schauspieler Charles Brauer (li.) und Manfred Krug in dem Tatort "Lauf eines Todes" Anfang der 90er-Jahre.© imago/teutopress
"Meine Lieder" - so sollte seine letzte Platte heißen, eine Bestandsaufnahme aus Jahrzehnten. Die Instrumentalaufnahmen waren fertig, es fehlte nur noch seine Stimme, da starb Manfred Krug. 2017 war das. Aber aus "Meinen Liedern" wurden "Seine Lieder". "Seine Lieder" gesungen von Weggefährten und Kollegen – von Uschi Brüning, von Jan Josef Liefers, Lisa Herbolzheimer, Heinz Rudolf Kunze, Stefan Gwildis und auch seiner Tochter Fanny Krug.


Mit dieser Hommage tourt sie seitdem durch Deutschland, Wie man dem großen Vorbild Manfred Krug gerecht werden?
Manfred Krug und Uschi Brüning 2016 im Gewandhaus Leipzig.
Manfred Krug und Uschi Brüning 2016 im Gewandhaus Leipzig.© imago/STAR-MEDIA
Fanny Krug: Das war ja in erster Linie nicht meine Courage, sondern zum Beispiel die von Lutz Krajenski, der ja die Platte gemacht hat und arrangiert hat. Der hatte das Opus fertig anlässlich des 80. Geburtstages, und ich würde gar nicht von Courage sprechen. Es wäre einfach schade gewesen, das im Sande verlaufen zu lassen.

"Für mich bleibt da eine fette Lücke"

Drost: Wie wirkt denn seine Musik ohne ihn, ohne Manfred Krug?
Krug: Für mich bleibt da eine fette Lücke. Also das kann man nicht anders sagen, und ich hätte gerne unser Lied, das "Regenlied" zum Duett werden lassen.
Drost: Also war es auch klar, dass es nur als Team geht, diese Hommage sozusagen anzufertigen, damit auf Tournee zu gehen.
Krug: Ja, das war zumindest naheliegend, weil die Leute, die da sind, das fühlt sich auf der Bühne und hinter der Bühne auch an schon wirklich wie Familie. Das sind Leute, die sehr gut miteinander sind, und ich glaube, das kommt auch rüber auf der Bühne. Das sind alles Menschen, die auch mit meinem Vater eng waren.
Drost: Das ist ja auch eine Gradwanderung, so eine Hommage. Gerade jemanden wie Ihren Vater, wie Manfred Krug in seiner ganz eigenen Art, dieser lakonischen Art zu singen, den kann man ja auch kaum kopieren. Wie haben Sie das gemacht?
Krug: Wir kopieren ihn nicht. Wir kopieren ihn einfach nicht! Ich muss Ihnen recht geben, eine Hommage ist erst mal etwas, was mich persönlich gar nicht so in den Bann zieht. Ich weiß gar nicht, ob ich irgendwo hingehen würde, wo eine Hommage ist.
Trotzdem ist es uns gelungen, ihn tatsächlich hinunter zu zaubern. Also es ist eine so verdichtete Atmosphäre, und die ist so voller Freude, und es macht irren Spaß, dass es tatsächlich so ist, als wäre er da, und irgendwie ist er spürbar und auch hörbar.

"Da bin ich auch ein bisschen stolz auf uns"

Drost: Also er schwebt über Ihnen.
Krug: Er schwebt über dem Ganzen, und das ist toll, und da bin ich auch ein bisschen stolz auf uns, dass das wirklich so ist.
Drost: Also von ihm lösen mussten Sie sich und wollten Sie sich auch gar nicht.
Krug: Nein, es ist eher eine, für mich persönlich eher eine Möglichkeit, die ja einzigartig ist. Wer hat diese Möglichkeit, seinem Vater auf diese Weise zu huldigen und zu feiern irgendwie auch. Das ist ja auch nicht nur mein Vater, den ich natürlich kritischer sehe, als Tochter sah zu Lebzeiten als seine Fans zum Beispiel, aber das Werk von ihm noch mal spürbar zu machen und hörbar zu machen, und das wissen die Leute auch sehr zu schätzen.

Manfred Krug gibt 1974 in der Buchhandlung "Internationale Buch" am Alexanderplatz in Ost-Berlin eine Autogrammstunde.
Manfred Krug 1974 während einer Autogrammstunde in der Buchhandlung "Internationale Buch" am Alexanderplatz in Ost-Berlin.© picture alliance/dpa/Foto: ADN
Drost: Die meisten Platten Ihres Vaters entstanden ja noch in der DDR. Wie unterscheiden sich denn die Reaktionen des Publikums in Ost und West? Gibt es da verschiedene Reaktionen?
Krug: Ja, sehr verschiedene Reaktionen. Ich musste das erst nach dem Tod meines Vaters begreifen, was der für eine epochale Gestalt für die Menschen war. Für mich war es ja doch in erster Linie mein Vater, der war einfach viel unterwegs und weg, aber wenn mir wirklich so eine alte Frau gegenübersteht und sagt, boah, den habe ich das erste Mal … das war meine erste Single, die habe ich gekauft, da war ich 14, und dann habe ich ihn getroffen, weil ich habe in der Kantine gearbeitet und habe ihm Stullen gemacht oder so, dann merke ich, was da abgeht, was das sein muss, was die Bedeutung ist.
Drost: Und wie präsent ist Ihnen Ihr Vater heute noch?
Krug: Sehr präsent, und vor allem natürlich in dem Moment, wo ich auf der Bühne stehe. Das ist schon ein toller Augenblick, mit meinem Vater im Kontakt zu sein – beziehungsweise waren wir überhaupt über die Musik sehr im Kontakt.

"Wir durften nicht groß stören"

Drost: Sie sind ja Sängerin – wie hat er Sie gefördert, wie hat er Sie beeinflusst?
Krug: Das Zweite zuerst. Beeinflusst, glaube ich, völlig unbewusst, so wie ich meine Tochter auch beeinflusst habe. Wenn ich irgendwas, wenn mir irgendwas gefiel, dann habe ich es ihr vorgespielt. Das machen wir heute noch. Jetzt ist sie 20. Natürlich habe ich immer durch die Tür, durch die Türritzen hindurch gehört, was für Klänge da produziert wurden. Wir durften nicht groß stören. Das war jetzt nicht so, dass man durch das Zimmer laufen durfte, aber wenn zum Beispiel Günther Fischer, von dem diese ganzen Klassikeralben aus den 70er-Jahren waren, da war – und die haben produziert und die haben gemacht und gesungen –, das habe ich ja mit der Muttermilch, mit der Vatermilch – ich korrigiere mich – aufgenommen. Das Zweite war, was Sie fragten …?
Drost: Wie er Sie gefördert hat.
Krug: Gefördert. Also eigentlich hat er mich gar nicht gefördert, bis zu dem Moment, wo ein Anruf kam, ob ich mit ihm zusammen auf Tournee gehen würde, und das habe ich aber auch nicht als Förderung wahrgenommen, weil das nicht seine Art war. Der hat seine Kinder nicht fördern wollen, weil er selber ein Typ war, der alles aus eigener Kraft erschaffen hat, –
Drost: Also eher fordern.
Krug: – war ihm das eklig.
Drost: Also nicht fördern, sondern fordern.
Krug: Ja, fordern … Der fand mich gut! Ich muss es einfach mal so sagen! Der fand mich gut und wahrscheinlich sogar ziemlich gut, und deswegen musste er sich überwinden – so war das eher –, mich zu fragen, ob ich mitmache. Das war für mich überhaupt keine Frage. Ich habe sofort zugesagt. So ähnlich war es auch bei der Hommage jetzt, als ich gefragt wurde.


Drost: Um darauf noch mal zurückzukommen: Aus welcher Schaffensperiode – in Anführungsstrichen – Ihres Vaters stammen denn die meisten Songs?
Manfred Krug 1979 in Hamburg
Manfred Krug am 6.2.1979 in Hamburg mit seiner ersten im Westen veröffentlichen Schallplatte "Da bist du ja".© picture alliance/dpa/Foto: Heidtmann
Krug: Ganz breit aus dem, wie sagt man, Gemüsegarten, also das volle Programm, alles. Weniger die für mich nicht so spannenden Sachen, nicht so sehr viel "Tatort"-Sachen, nicht so sehr das Spätwerk, sondern mehr das Frühwerk. Das ist natürlich auch der Knaller, weil es jetzt lange nicht gespielt werden konnte, lange nicht gespielt wurde, diese Musik, diese Günther-Fischer-Musik, und das sind aber wirkliche Musikjuwelen, die sind schillernd und bunt. Ja, so ist das.
Drost: Und passen perfekt in die Zeit, also ironisch, lakonisch, und dann mischt sich trotzdem immer so … auf einmal kommt da so die ganz große Geste raus, mischt sich so dazwischen.
Krug: Ja, und dann natürlich von der Platte, die heißt "Da bist du ja", das war seine erste Platte im Westen, die gar nicht so eine große Anerkennung fand, die aber brillant ist, diese Platte. Die ist von Ingfried Hoffmann arrangiert. Da hat Peter Herbholzheimer mitgemischt.

"Musik ist ja wie ein eigener Organismus"

Drost: Inwieweit haben sich denn die Interpretationen verändert in den zwei Jahren, in denen Sie mit der Hommage auf Tournee sind?
Krug: Das ist ja lebendig, Musik ist ja wie ein eigener Organismus, und jeder Abend ist wieder anders. Das ist ja auch das Coole bei dieser Art von Musik. Also einerseits manchmal ist es eng am Original, wenn das Original besonders schön ist und unübertreffbar, dann haben wir es einfach so stehen lassen, und manchmal darf das sich auch entwickeln und ganz woanders hingehen.
Drost: Und das beugt dann auch Routine beziehungsweise Abnutzungserscheinungen vor, die ja auch eintreten können.
Krug: Überhaupt nicht, also überhaupt nicht. Ich konnte mir das vorher auch nicht so vorstellen. Wie gesagt, eine Hommage konnte ich mir nicht vorstellen. Ich dachte, ich probiere es mal aus, guck mal. Aber das entflammt und entzündet sich immer wieder neu und macht einen Riesenspaß, und das überträgt sich auf die Leute.
Drost: Heute im Wintergarten Varieté in Berlin, andere weitere Termine folgen in ganz Deutschland – Fanny Krug war das.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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