Fakten und Fiktion

27.01.2011
Eveline Hasler hat schon in zahlreichen Romanbiographien Fakten und Fiktion gemischt. Zwischen hinreißend erfundene Szenen mischt sie Zitate aus Briefen und Tagebüchern. Nicht immer gelingt es Hasler, die drei Protagonisten stilistisch ihren Vorbildern anzunähern.
Drei Schriftstellerexistenzen, drei Welten. Was sie verband, als sie sich im Dezember 1920 hoch über dem Luganer See zum ersten Mal begegneten, war zunächst nur die Vorliebe für das Tessiner Dorfleben. Hesse hatte gerade "Demian" veröffentlicht. Ball und Hennings hatten im Züricher Club Voltaire Dada mit aus der Taufe gehoben. Ihnen galt der Romancier als Vertreter einer althergebrachten, überlebten Auffassung von Literatur.

Alle drei standen an Wendepunkten ihres Lebens und suchten, in der Bergeinsamkeit neu Fuß zu fassen. Hesse steckte mitten im "Siddharta" mit einer Schreibblockade fest und flüchtete sich in eine unselige Beziehung zur Fabrikantentochter Ruth Wenger. Hugo Ball entdeckte den katholischen Glauben als identitätsstiftenden Halt und versenkte sich in die Lebensläufe byzantinischer Heiliger. Emmy Hennings verarbeitete ihre Vorkriegserfahrungen als Drogenabhängige in einem autobiographischen Roman.

Durch die Beschäftigung mit fernöstlicher Philosophie kam man sich näher. Die Männer entdeckten auch verwandtschaftliche Züge, beide hatten gegen strenge Elternhäuser rebelliert und waren im Krieg als Verräter gebrandmarkt worden. Hennings, seit kurzem mit Hugo Ball verheiratet, wandte sich Hesse in schwärmerischer, untergründig erotischer Verehrung zu.

Eveline Hasler hat schon in zahlreichen Romanbiographien, über die erste Juristin der Schweiz etwa, Emilie Kempin-Spyri, oder über Julia Bondeli, eine verkannte Zeitgenossin der Aufklärung, Fakten und Fiktion gemischt. Auch in "Und werde immer Ihr Freund sein" arbeitet sie nach diesem Prinzip. Zwischen hinreißend erfundenen Szenen wie Hesses Versuch, Foxtrott zu lernen, um das "Dionysische" in sich freizusetzen, oder der verhalten erotischen Annäherung Hugo Balls an die Gattin seines Arbeitgebers mischt sie kursiv gesetzte Zitate aus Briefen und Tagebüchern. Nicht immer gelingt es Hasler, die drei Protagonisten stilistisch ihren Vorbildern anzunähern.

So malerisch sie die Künstlerfreundschaft auch gestaltet – man unternimmt lange Wanderungen durch die Bergwelt, singt gemeinsam, diskutiert über Gott, die Psychoanalyse und genießt die geistige Nähe –, Hasler zeichnet keine Idylle. Die Natur ist rau, die Winter sind kalt, es fehlt an allem. Die Autorin enthüllt eindrucksvoll die andere Seite der Bohème: den trostlosen Mangel an Erfolg, die bittere Armut. Ein Dauerthema ist der Mangel an Geld. Hugo Ball verdient es sich mühsam eine Weile als Musiklehrer bei der Fabrikantenfamilie Brown. Emmy Hennings, die immer wieder reisend das Weite sucht, arbeitet als Putzfrau. Hesse hatte weitaus mehr Glück. Er versammelte eine Reihe von Mäzenen um sich, die einsprangen, wenn ein Sanatoriumsaufenthalt anstand.

Eveline Hasler entfaltet die Geschichte dieser Freundschaft von der privaten Seite. Die künstlerische Arbeit der drei fließt nur am Rande ein. Bedauern darf man das im Falle von Emmy Hennings, deren Gedichte, soweit sie zitiert sind, verheißungsvoll klingen: eine viel zu wenig bekannte Stimme der Moderne.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Eveline Hasler: Und möchte immer Ihr Freund sein. Hermann Hesse, Emmy Hennings, Hugo Ball
Nagel & Kimche, München 2010
224 Seiten, 18,90 Euro
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