Facebooks "Oversight Board"

Internationales Gremium entscheidet über strittige Inhalte

15:47 Minuten
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Mit dem "Oversight Board" schafft Facebook mehr Selbstkontrolle. © picture alliance / dpa / Lehtikuva / Emmi Korhonen
Simon Hurtz im Gespräch mit Vera Linß und Teresa Sickert · 13.02.2021
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Das "Oversight Board" soll final über umstrittene Inhalte bei Facebook urteilen. Das unabhängige Gremium wurde von Facebook initiiert – und fällt bindende Entscheidungen: Auch Trumps Facebook-Account steht zur Debatte.
Das unabhängige Facebook-Gremium soll beim Streit zwischen dem Online-Netzwerk und den Nutzerinnen und Nutzern entscheiden. Auch über Donald Trumps Zukunft auf Facebook wird das "Oversight Board" in den nächsten Wochen ein Votum abgeben. Bisher hat das Gremium über fünf Fälle entschieden, beispielsweise aus Frankreich, Brasilien oder Armenien. "Es ging einmal um nackte Brüste, es ging um Rassismus – es war so alles dabei", berichtet der Journalist Simon Hurtz.

Wie unabhängig ist das Gremium?

In vier Fällen habe das Gremium Facebooks ursprüngliche Entscheidung rückgängig gemacht. "Das zeigt, dass es kein reines Abnickgremium ist, sondern: Facebook muss sich durchaus auf Widerspruch einstellen." Dabei verwies das Board in seinen Urteilen auch darauf, dass rein automatisierte Entscheidungen problematisch für die freie Meinungsäußerung seien. Damit hat das Gremium dem Bestreben Facebooks nach zunehmender Automatisierung durch Algorithmen eine Absage erteilt.

Wie setzt sich das Gremium zusammen?

Bisher hat das "Oversight Board" 20 Mitglieder. Mit dabei sind unter anderem eine ehemalige Regierungschefin und eine Friedensnobelpreisträgerin. Langfristig soll das Gremium auf 40 Personen anwachsen. Es werde versucht, aus jeder Region der Welt möglichst viel Expertise abzudecken, so Hurtz. Mit jedem Fall beschäftigen sich fünf Mitglieder. Ihrem Urteil müssen die anderen Mitglieder zustimmen. Die Entscheidung ist bindend für Facebook.

Was bewirken die Entscheidungen?

Hurtz geht davon aus, dass Facebook die Urteile des Gremiums ohne Murren umsetzen wird. Schließlich habe das Unternehmen das Board selbst eingesetzt und auch ein großes Eigeninteresse. "Weil sie massiven externen Druck haben. Es heißt ja immer wieder seit Jahren: Ein privates Unternehmen wie Facebook sollte so grundlegende Entscheidungen nicht selbst treffen. Und dieser Meinung hat sich Facebook mittlerweile auch angeschlossen. Sie sagen: Ja, wir wollen nicht so viel selbst entscheiden." Insofern sei das Board auch ein Bestandteil der Selbstregulierung und der Versuch, den externen Druck etwas abzuschwächen.
"Ich glaube, dass das ‚Oversight Board’ durchaus auch einen gewissen PR-Aspekt hat. Aber das muss ja gar nichts Schlechtes sein", meint Hurtz. Es sei zumindest ein Anfang. Allerdings beschäftige sich das Gremium nur mit sehr wenigen, ausgewählten Fällen. "Sie können nur so eine Art Rahmen setzen, und dann kann man hoffen, dass Facebook diese Richtlinien mittel- bis langfristig auch umsetzt."

Was macht Facebook sonst gegen Hasskommentare und Fake News?

Außerdem hat Facebook seine Vorgaben bei Thema Hasskommentare und Fake News weiter verschärft, beispielsweise bei Gesundheitsthemen wie Corona und Impfungen.
In einem aktuellen Report hat das Unternehmen bekanntgegeben, im vergangen Jahr doppelt so viele Posts gelöscht zu haben wie im Jahr zuvor. "Facebook macht in der Hinsicht große Fortschritte", betont Hurtz. Auch die automatisierten Systeme würden langsam "wirklich intelligenter" und erkennen mehr Hasskommentare. "Da muss man FB erst einmal Anerkennung zollen." Außerdem sei Facebook das erste Unternehmen, das überhaupt so detaillierte Angaben zu dem Thema veröffentliche.
Über die eigenen Algorithmen informiere das Unternehmen in seinen Transparenzberichten allerdings nicht. Wie diese entscheiden, was dem jeweiligen Nutzer oder der Nutzerin angezeigt werde, bleibe weiterhin ein Geheimnis.

Weniger politische Inhalte als Facebook-Ziel

Facebook hat außerdem angekündigt, weniger politische Inhalte anzeigen lassen zu wollen. Dies sei einerseits sicher eine Reaktion auf die Nutzer- und Nutzerinnenwünsche, meint Hurtz. Sie geben an, sich von aggressiven politischen Inhalten gestresst zu fühlen und diese nicht so oft im Newsfeed sehen zu wollen.
"Und dann denke ich aber auch, dass Facebook da ein Eigeninteresse hat", meint Hurtz. "Weil es ja gerade in den USA unter massivem politischen Druck steht, und zwar von beiden Seiten, von Demokraten und Republikanern." Es drohe, zwischen den Lagern zerrieben zu werden. Auch harte Regulierungen könnten folgen. "Je heiler die Welt ist, die auf Facebook stattfindet, desto lieber ist es Facebook."
(lkn)
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