"Fabrik" in Beirut

Deutscher Pavillon geht erstmals auf Weltreise

Das Gebäude des Sursock-Museums in Beirut - Museum für zeitgenössische libanesische Kunst.
Das Gebäude des Sursock-Museums in Beirut - Museum für zeitgenössische libanesische Kunst. © Deutschlandradio / Susanne Burkhardt
Von Susanne Burkhardt · 03.04.2017
Kurz bevor der Mega-Kunst-Sommer losgeht mit der documenta und der Biennale, ging erstmals eine Ausstellung des deutschen Pavillons in Venedig auf Weltreise. Die von Florian Ebner kuratierte "Fabrik" ist seit ein paar Tagen in Beirut zu sehen – im edlen Sursock-Museum.
Als Zaina Arida – die charismatische Direktorin des Beiruter Sursock- Museums gefragt wurde, ob Sie Interesse habe, die "Fabrik"-Ausstellung des deutschen Pavillons aus Venedig in ihrem Haus zu zeigen - da zögerte sie nicht lange.
Konzept und Künstler passten zu ihrer Vorstellung davon, was für die Beiruter Kunstszene relevant sein könnte.
Zaina Arida: "Vor allem Namen wie Hito Steyerl inspirieren uns sehr – es gibt enge Verbindungen zwischen ihren Arbeiten und denen libanesischer Künstler ihrer Generation – wie Walid Raad oder Akram Zataari."
Video "factory of the sun" von Hito Steyerl. 
Video "factory of the sun" von Hito Steyerl. © Deutschlandradio / Susanne Burkhardt
Mit Zaina Arida hat das Haus seit seiner Wiedereröffnung vor knapp zwei Jahren erstmals eine Leiterin, die einer neuen Gegenwartskunstszene angehört. Eine Szene, die nach dem Ende des Libanonkrieges 1990 die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst im Libanon stark unterstützt und geprägt hat.
Florian Ebner, Kurator des deutschen Pavillons in Venedig, hatte das monströse Gebäude vor zwei Jahren in eine Denkfabrik verwandelt. Ein "Resonanzraum in dem der Produktionstakt einer globalisierten Welt zu spüren sei" – nicht weniger sollte es sein: Dazu ließ er ein Künstlerpaar in einer Videoarbeit ehemalige ägyptische Arbeiter die Schließung ihrer Fabrik nacherzählen, Fotograf Tobias Zielony thematisierte die Geschichte von Flüchtlingen in Deutschland und ihrer Heimat. Die Künstlerin Hito Steyerl erfand eine "Factory of the sun" – ein Video in Computerspielästhetik, das Fragen rund um digitale Datenströme und ökonomische Transaktionen aufwirft.
Einer der Ausstellungsräume der Fabrik - mit der Arbeit von Tobias Zielony. 
Einer der Ausstellungsräume der Fabrik - mit der Arbeit von Tobias Zielony. © Deutschlandradio / Susanne Burkhardt

Laute Fluggeräusche durchdringen die Räume

Assoziationswand zum Thema Dach - von Olaf Nicolai.
Assoziationswand zum Thema Dach - von Olaf Nicolai. © Deutschlandradio / Susanne Burkhardt
All diese Arbeiten ließen sich ganz gut in die Räume des Sursock-Museums übertragen. Nur eine nicht: Olaf Nicolais Performance "Giro" vom Dach des Pavillons in Venedig. Sechs Monate hatten damals, für die Besucher kaum sichtbar, Männer auf dem Dach des Pavillons Bumerangs gebaut und geworfen – auf der Suche nach der richtigen Flugbahn. Wie schickt man so etwas auf Weltreise? Die Frage geht an Olaf Nicolai:
"Also die erste Überlegung war klarzustellen, wir können die Arbeit nicht woanders zeigen – weil sie ist ortsspezifisch gewesen und hat auch mit der Zeitspezifik gearbeitet."
Statt Performern werden jetzt Bilder gezeigt. Flugbilder- entstanden durch winzige Kameras, die Olaf Nicolai an den Bumerangs befestigt hat. Zwei große Leinwände am Eingang der Ausstellung zeigen die Aufnahmen.
"Weil dieses Fliegen des Bumerangs ist das eine – aber dieses im Fliegen drin sein was durch diese Videos möglich ist, ist was ganz Anderes. Das hat den schönen Effekt, dass man die Umgebung des Deutschen Pavillons auf verschiedene Weise wahrnimmt und dass sich das dadurch zu dem Thema dieser Reiseausstellung in Beziehung setzen lässt..."
Hinter den kreiselnden Bildern, und lauten Fluggeräuschen, die die Ausstellungsräume durchdringen – eine Wand mit Assoziationen zur Ikonografie des Daches: das Dach als Fluchtraum oder als Schutzort.
Zu entschlüsseln nur für Besucher, die sich Zeit nehmen, viel Zeit und die die angebotenen Texte lesen. Arbeit also auch für den Besucher dieser "Denkfabrik":
Florian Ebner: "Der muss sich erstmal einarbeiten, ja, und dann entschließt sich so nach und nach worum es in all diesen Arbeiten geht: Es geht in vielen Arbeiten eben auch neben Arbeit auch um so Dinge wie das Zirkulieren, das Migrieren von Bildern, das Zirkulieren von Daten – die heute eben sehr viel leichter reisen, als Menschen…und das ist auch so ein Band, das durch die Ausstellung geht. Denn letztlich in vielen Arbeiten geht’s um so etwas wie Revolte und was vielleicht das letzte ist, warum vielleicht auch gerade libanesische Künstler wichtig gewesen sein könnten, ich glaube in allen Arbeiten, in denen es um Kamera-Bilder geht, ist es nicht mehr so, dass die Kamera einfach aufzeichnet, was ist – sondern – dass es darum geht, wie Bilder die Wirklichkeit verändern können. Bis hin in den Eingriff von Bildern – es gibt keine richtig dokumentarische Haltung mehr - sondern es gibt die Frage inwieweit Bilder eine Rolle spielen, die Wirklichkeit zu verändern."

Zuschauer lassen sich absorbieren

Kurator Florian Ebner setzt darauf, dass sich die Zuschauer absorbieren lassen von dieser Ausstellung. Dazu müssen sie genügend Zeit mitbringen. Die haben am Eröffnungsabend nicht alle:
Besucherin: "Ich verstehe so ein bisschen das grobe Thema – Entwurzelung, Ungerechtigkeit, Gewalt – ich hab aber nicht so viel im Detail verstanden, wie ichs gern verstehen würde…"
Besucher: "Wenn du erstmal eintauchst, verstehst du sehr viel mehr.. ich sehe hier in den Arbeiten – dass es um Flüchtlinge geht und um Menschen, die nach Deutschland kommen. Das ist wichtig, auch politisch , dass man solche Themen in einem deutschen Pavillon zeigt – dass man etwas man spüren kannn – in zeitgenössischer Kunst musst du fühlen – mehr als lesen – oder reden."
Eine Besucherin aus der Schweiz ist dagegen eher kritisch:
Besucherin: "Es geht um Arbeit und Migration und das ist mega viel passiert in den letzten zwei Jahren –– und es ist wie eingefroren – es sind ja exakt dieselben Positionen und in der Welt hat sich viel verändert.. darum finde ich es ein bisschen seltsam."
Eine Auffassung, die die junge libanesische Künstlerin nicht teilen kann:
Besucherin: "Das sehe ich ganz anders: Kunst muss reisen – schön – wenn sie die Chance hatte, das in Venedig zu sehen – wir haben nicht diese Möglichkeit. Diese Ausstellung spiegelt sehr schön die aktuelle Situation – politisch und künstlerisch : Künstler beziehen sich aufeinander, denn die globale Krise betrifft ja alle – man wird sehen, dass der Libanon früher oder später damit beginnen wird, über das Thema Flüchtlinge zu sprechen – weil es viele spannende Künstler aus den USA gab, die hier waren, um die Flüchtlingslager zu besuchen und zu thematisieren - das ist die Situation überall."
Die deutsche Denkfabrik der Biennale Venedig als Exportgut. Weg vom exklusiven Venedig hin in Regionen, in denen junge Künstler oder Kunstinteressierte sonst kaum eine Chance hätten, diese Arbeiten zu sehen. Das ist eine gute Idee.
Die Autorin reiste auf Einladung des ifa Institut für Auslandsbeziehungen und des Goethe-Instituts.