Evangelischer Kirchentag

Auch Christen machen gute Popmusik

Ein Primas mit Gitarre
Christlicher Pop: Künstler und Fans bewegen sich auf einem schmalen Grat. © picture alliance / dpa / Matthias Schrader
Von Dirk Schneider · 03.06.2015
Das Musikprogramm des Kirchentags wird von Nichtchristen gerne belächelt. Aber viele anerkannte Popmusiker sind Christen. Manche bekennen sich dazu, bei anderen zeigt es sich in den Texten. Warum bloß hat christliche Popmusik einen so schlechten Ruf?
"Brothers And Sisters Of The Eternal Son" heißt das aktuelle Album des amerikanischen Musikers Damien Jurado. Dass "the eternal son", der ewige Sohn, eine christliche Bedeutung hat, daran lässt Jurado keinen Zweifel. Er ist bekennender Christ, seine letzten beiden Alben basieren auf einem Traum, den Jurado einmal hatte und der sein christliches Erweckungserlebnis markiert: Er handelt von einem Mann, der in die Wüste geht, auf der Suche nach der Stadt Maraqopa, in der er als Heiland verehrt wird und den Kontakt zu Gott findet. "Metallic Cloud" heißt eine Episode aus dieser Geschichte, und der weibliche Background-Chor, der im Videoclip zu sehen ist, erinnert stark an eine christliche Jugendgruppe.
Der Coolnessfaktor von Damien Jurado und seiner Musik ist also gleich Null. Dass man dennoch auch als Nicht-Christ Gefallen an dieser Musik finden kann, liegt natürlich vor allem an ihrer Qualität. Aber auch daran, dass Jurado mit ihr nicht als Missionar auftritt. Wie viele andere Künstler gibt Jurado darin seinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck und möchte sie ausdrücklich nicht als Plattform für die Verkündigung einer religiösen Botschaft verstanden wissen. In den USA muss man sich da deutlich abgrenzen, denn Popmusik mit Missionsauftrag hat in dem Land eine starke Tradition. Entstanden ist sie Ende der 60er Jahre im Umfeld des Jesus Movements, einer christlichen Variante der Flower-Power-Bewegung, Larry Norman war mit seinem Album "Upon This Rock" 1969 einer der ersten Stars des christlichen Rock.
Verkündung und Erweckung oder einfach nur Glaube als Lebensaspekt
"Jesus Music" war der genreübergreifende Begriff, zu ihren Vertretern gehörten und gehören Folkmusiker genauso wie R&B-Bands, Rockmusiker oder Heavy Metal Bands, die ihre Musik allerdings als White Metal bezeichnen. Von CCM, Contemporary Christian Music, spricht man heute. Musikalisch haben einige ihrer Vertreter durchaus Qualität zu bieten, wie etwa Chuck Girard, einer der großen Namen der Szene. Doch es geht in dieser Musik eben fast nur um das eine: Die Verkündigung der frohen Botschaft und die Stärkung im Glauben.
Der amerikanische Musiker Sufjan Stevens lehnt es ab, in Interviews über seinen Glauben zu sprechen. Das, so sagt er, sei eher Gegenstand von persönlichen Unterhaltungen. Dass Stevens Christ ist, stößt oft auf Erstaunen: Stevens ist einer der Vorzeigehipster der amerikanischen Popmusik der Nullerjahre. Mit seinen Konzeptalben über amerikanische Bundesstaaten hat er Maßstäbe gesetzt. Irrwitzige Hymnen, etwa auf eine real existierende Superman-Statue, zeugen von derselben tiefen, poetischen Weltsicht wie die traurige Ballade vom Massenmörder John Wayne Gacy.
Gewiss sind Stevens' Musik und seine Weltsicht eng mit seinem christlichen Glauben verbunden. Doch die Rezeption seiner Musik darauf verkürzen, hieße, seiner Musik Gewalt anzutun. Dasselbe gilt für Damien Jurado. Heißt diese Trennung nun aber, dass Kunst, die im Dienste der Religion steht, schlechte Kunst ist? Was ist mit den Werken von Michelangelo, mit der Kirchenmusik von Johann Sebastian Bach? Was ist mit Gospel, Soul, Jazzwerken wie "A Love Supreme" von John Coltrane?
Nicht zu viel Teufel
Viele Werke, die zum Lobpreis Gottes geschrieben sind, zählen zu den Meilensteinen der Musikgeschichte, einige gehören sogar dezidiert zum Kanon eines "coolen" Musikwissens. Warum tut sich nur die Kirche so schwer mit der populären Musik? Den Anschluss an die Gegenwart scheint die christliche Musik, ein halbes Jahrhundert nach der "Jesus Music", jedenfalls nicht gefunden zu haben.

Die Besucher des Evangelischen Kirchentags in Stuttgart erwarten musikalische Veranstaltungen mit Titeln wie "Christliche Popmusik, die Spaß macht", "Energiegeladene Pop-Rock-Musik mit Tiefgang" oder "Deutsche Popsongs, elektronische Beats, ehrliche Emotionen" – schon in den Überschriften steckt die Rechtfertigung: Christliche Popmusik? Na gut, aber sie macht wirklich Spaß.

Energiegeladene Pop-Rock-Musik? - Na ja, aber mit Tiefgang.
Deutsche Popsongs, elektronische Beats? - Ja, schon, aber mit ehrlichen Emotionen.

"Why should the devil have all the good music" – warum sollte man dem Teufel all die gute Musik überlassen, war das Motto der Gründerväter und –mütter der christlichen Popmusik. Vielleicht braucht gute Popmusik immer einen Schuss Teufel. Denn was ist schon Kunst wert, die keine Abgründe auslotet? Und das mit offenem Ausgang? Vielleicht ist es sogar ganz gut für das eigene Seelenheil, wenn man sich mal sieben Minuten lang einem Song hingibt, der "Sympathy for the Devil" heißt.
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