Europäischer Theaterpreis für Yael Ronen

"Die Wahrheit ist riskant, sie lässt uns unsere Herzen öffnen"

Die in Berlin lebende österreichisch-israelische Regisseurin Yael Ronen, aufgenommen am 15.05.2016 in Berlin während der Verleihung des Theaterpreises.
Die in Berlin lebende österreichisch-israelische Regisseurin Yael Ronen, aufgenommen am 15.05.2016 in Berlin während der Verleihung des Theaterpreises. © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Christina Höfferer · 15.12.2017
"Das Publikum fühlt es, wenn die Schauspieler etwas auf's Spiel setzen", sagt Yael Ronen. Mit humorvoller Distanz bringt die in Berlin lebende österreichisch-israelische Regisseurin politische Themen auf die Bühne. Dafür wurde sie jetzt ausgezeichnet.
"Nachdem ich so viele Jahre in Israel gearbeitet habe, mit geringer internationaler Anbindung, empfinde ich meinen Umzug nach Europa als eine große Öffnung hin zur Welt."
sagt Yael Ronen. Vor vier Jahren ging sie nach Berlin. Was anfangs als ein kurzes Abenteuer gedacht war, hat ihren Lebensweg nachhaltig verändert. Emigration und Nationalgefühl sind Themen ihrer Theaterarbeit. Im Stück "Roma Armee" bringt sie Schauspieler mit Roma-Herkunft aus verschiedenen europäischen Ländern auf die Bühne, gesprochen wird Englisch, Deutsch, Rumänisch und Spanisch.
In "Hakoah Wien" zeigte Ronen 2012 ihre eigene Familiengeschichte. Ihr Großvater emigrierte aus Österreich in den 30er-Jahren nach Tel Aviv. Sie und ihr Bruder beantragten und bekamen die österreichische Staatsbürgerschaft, jedoch erst nach dem Tod des Großvaters, den eine Hassliebe mit Österreich verbunden hat.
"Hakoah Wien lief sehr erfolgreich in Wien - eine Art Fest der Rückkehr der Juden nach Wien."

Reflektionen über die Rolle der Frau

Ilan Ronen, Yaels Vater, war mit 27 schon erfolgreicher Theaterintendant in Jerusalem, heute ist er Direktor der Habimah, des israelischen Nationaltheaters in Tel Aviv. Die Mutter war Schauspielerin. Die Kinder wuchsen mit der Bühne auf. In der von Männern geprägten israelischen Gesellschaft, sagt Yael Ronen, wurde es für sie notwendig, über die Rolle der Frauen zu reflektieren.
"Die Menschen in Israel drücken sich anders aus. Das betrifft vor allem ihre direkte Art, zwischen Ehrlichkeit und Unhöflichkeit und die Mischung der Kulturen. Die israelische Gesellschaft ist sehr interessant was die Frauen betrifft. Das beginnt bei dem problematischen Status der Frauen in religiösen Gesellschaften bis hin dazu, dass israelische Frauen eine Art männlichen Ausdrucksweise für ihre Weiblichkeit haben."
In regelmäßigen Abständen taucht für Yael Ronen die Frage auf, worin die Kraft des Theaters besteht. Im besten Fall ist eine Aufführung für sie eine sehr starke, sinnlich-emotionale kollektive Erfahrung, wo eine Geschichte erzählt wird, die Herz, Hirn und Sinne öffnet. In Israel ist es schwierig, politische Stücke auf die Bühne zu bringen.
"Was die Zuschauer betrifft, ist es sehr schwierig, sie in politisches Theater zu bekommen. Es gibt viel weniger Toleranz und Offenheit dafür. Ich würde sogar von einer Gehirnwäsche von Seiten der Regierung sprechen, die in die Köpfe der Leute eindringen konnte."
Yael Ronen begegnet ihren Themen mit Humor. Karin Czerny nennt Ronen im Spiegel online die lustigste Frau im deutschsprachigen Theater. Doch wenn das wahr ist, so meint Ronen, dann ist Deutschland in großen Schwierigkeiten.
"Um Humor zu haben, muss man Distanz schaffen. Eine distanzierte Haltung ist immer eine gute Perspektive, um auf die Dinge zu blicken."
Yael Ronen will Theater machen, das die menschlichen Begegnungen feiert. Die Regisseurin erzählt von der Interaktion zwischen Israelis und Palästinensern, Deutschen und Menschen aus Ex-Jugoslawien, oder Roma. Hoffnung vermitteln ihre Arbeiten mit multinationaler Besetzung. Paarbeziehungen, Geschlechterverhältnisse und Emotionen werden auf höchst originelle Weise auf die Bühne gebracht.
"Die Wahrheit ist riskant für uns, sie macht uns verbindlicher und lässt uns unsere Herzen öffnen. Ich denke, das Publikum fühlt es, wenn die Schauspieler etwas auf's Spiel setzen, wenn sie sich wirklich auf der Bühne aussetzen. Wenn man mit der Wahrheit konfrontiert wird, ist eine heftige Vibration im Raum zu spüren, das macht etwas mit den Menschen."
Die Jury des europäischen Theaterpreises zeichnet Yael Ronen in Rom für ihre Arbeit als kosmopolitische Autorin und Regisseurin aus. Die Jurybegründung lautet: "Ihr gelingt es, tragische sozio-politische Szenarien mit Humor und scheinbarer Leichtigkeit zu beschreiben und so bei ihren Zuschauern ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Geschilderten und die politischen Umstände zu schaffen".
(mw)
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