Euro gerettet – Europa gespalten?

Von Burkhard Birke · 29.10.2011
Die Eurozone braucht umgehend eine gemeinsame Steuerung der Wirtschafts- und Finanzpolitik inklusive der Harmonisierung der Steuern. Die wirtschaftlich robusten Staaten müssen das Tempo des Handelns und der Integration vorgeben.
EURO–Fiktion: Europa im Jahre 2020. Die europäische Wirtschaftsregierung hat die Haushaltsentwürfe der EURO-Staaten verabschiedet. Jetzt muss das Europaparlament und in zweiter Lesung müssen dann die nationalen Parlamente die Etats billigen. Die Vorsitzende des Gremiums, Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, schlug überdies vor, nach der Harmonisierung der Einkommens- und Körperschaftssteuern endlich auch die Kapitalertragssteuern in der EURO-Zone zu vereinheitlichen und auf das Niveau der Einkommenssteuern anzuheben. Im Übrigen beschloss die Wirtschaftsregierung die Fortführung des Marshallplanes für Griechenland, Portugal und Spanien.

EU-Finanzminister Jean-Claude Juncker betonte, die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer reichten aus, und könnten sogar Konjunktur belebend im neuen EURO-Land Polen eingesetzt werden! Die Beitritte anderer peripherer EU Staaten wie Rumänien, Kroatien und Bulgarien sollen erst auf der nächsten Sitzung der Wirtschaftsregierung erörtert werden. Die Sanktionen gegen Frankreich bleiben indes in Kraft. Mit Spannung wird auf das Tribunal Constitucional, das Verfassungsgericht in Madrid geblickt, wo ein Verfahren wegen Missachtung der Schuldenbremse anhängig ist.

So könnte Europa im Jahre 2020 funktionieren – oder: Die Drachme wurde um 15 Prozent abgewertet, der Escudo-Kurs gegenüber der D-Mark hat sich erholt, die Rezession verschärft sich, und Frankreich muss den Staatsbankrott erklären…

Zwei Visionen, die verdeutlichen: Europa hat keine Wahl. Völlig heterogene Länder sind durch den EURO zu einer Solidargemeinschaft auf Gedeih und Verderb zusammengeschweißt worden. Diese Erkenntnis hat offenbar die Macher in Europa beflügelt, buchstäblich fünf vor zwölf die entscheidenden Weichen zu stellen.

Ganz allmählich scheint die Ratlosigkeit der Einsicht zu weichen. Schluss mit Salami- und Verzögerungstaktik. Zeit, einige Wahrheiten auszusprechen: Wir leben alle über unsere Verhältnisse und müssen den Gürtel enger schnallen und die Ressourcen effizienter einsetzen, um künftige Generationen nicht über Gebühr mit Schuldenhypotheken zu belasten.

Euroland ist Transferland: Eine gemeinsame Währung erzwingt gegenseitige Solidarität. Griechenland ist der schlagende Beweis: Wenn ein Land untergeht, kann es alle anderen in seinem Strudel mit ertränken.

Die Eurozone braucht deshalb umgehend eine gemeinsame Steuerung der Wirtschafts- und Finanzpolitik inklusive der Harmonisierung der Steuern. Das bedeutet Souveränitätsverzicht und eine Änderung der EU-Verträge, die ohne Umschweife in Angriff zu nehmen ist. Entscheidend ist dabei die demokratische Legitimierung: Die Europaparlamentarier der EURO-Länder könnten erstinstanzlich agieren und kontrollieren: Die nationalen Parlamente das letzte Wort behalten.

Europa ist ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, wobei Deutschland den Takt vorgibt, leider das Tempo jedoch zu häufig verschleppt hat. Die Euro-Staaten werden und müssen noch enger zusammenrücken und das Einstimmigkeitsprinzip hinterfragen: Die schnellen und wirtschaftlich robusten Staaten müssen das Tempo des Handelns und der Integration vorgeben, nicht die langsamsten im Geleitzug. Die Slowakei lässt grüßen.

Die im deutsch-französischen Schulterschluss entwickelten Blaupausen für einen Embryo einer Wirtschaftsregierung, einer globalen Schuldenbremse in den Verfassungen der EURO-Länder und eines schärferen Stabilitätspaktes sind unverzüglich umzusetzen.

Griechenland braucht grundlegende Reformen, vor allem bei der Steuererhebung, aber vor allem einen Marshallplan. Einige Staatsausgaben waren sicher verzichtbar: Die aktuellen Renten-, Einkommens und Stellenkürzungen erschüttern jedoch nicht nur die Wirtschaft des Landes, sondern auch den Glauben an Europa. Griechenland braucht Strukturreformen, Investitionen, kurzum neuen Schwung, damit die Wirtschaft wieder wächst und das Land seine Restschuld eines Tages begleichen kann.

EU und IWF sollten ein Wachstumsprogramm auflegen statt immer nur noch weitere Einsparungen zu fordern. Fördern und Fordern muss auch für Griechenland gelten, wobei die Hilfe sich nicht auf den Schuldenerlass begrenzen darf. So kann das Vertrauen und ein Umdenken bewirkt werden. Das Signal an die Finanzmärkte, die Börsen, hätte viel früher kommen müssen: Wer Geld in Anleihen steckt, muss auch für das Risiko selbst haften. Nie wieder darf eine Krise so lange vor sich herdümpeln, bis das Gros der Forderungen privater Gläubiger, der Banken, direkt oder indirekt beim Steuerzahler, bei uns allen abgeladen ist!

Europa braucht ein Verfahren für eine geordnete Insolvenz - auch das ist eine Lehre aus den letzten Tagen und Monaten. Diese Woche wurde ein Etappensieg eingefahren: Das Ende der EURO-Tour oder sollte man sagen -Tortur ist aber noch lange nicht erreicht und die Ansteckungsgefahr der Krise alles andere als gebannt.
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