EU-US-Freihandelsabkommen

Das wird eine "Mammut-Aufgabe"

In einer Tasse mit einem EU-Symbol steckt eine US-Fahne.
In einer Tasse mit einem EU-Symbol steckt eine US-Fahne. © picture alliance / ZB
Moderation: Nana Brink · 16.07.2014
Es werde nicht einfach, den Zeitplan für die Verhandlungen um das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) einzuhalten, glaubt der US-Wissenschaftler Jackson Janes. Sehr viel hänge davon ab, ob die führenden Politiker der Verhandlungsländer die Bedeutung des TTIP vermitteln könnten.
Nana Brink: Spätestens seit der Europawahl ist TTIP ein heißes Thema. TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership. Gemeint ist das Freihandelsabkommen, das seit geraumer Zeit zwischen den USA und der Europäischen Union verhandelt wird. Seit Anfang der Woche läuft die sechste Verhandlungsrunde, und die Kritik in Europa entzündet sich besonders an den unterschiedlichen Vorstellungen, die wir auf beiden Seiten des Atlantiks zum Beispiel zu der Frage haben: Darf man Lebensmittel gentechnisch verändern. Oder die Kulturszene sorgt sich um unsere gewachsenen Förderstrukturen, die amerikanischen Standards widersprechen. Was aber treibt die Amerikaner um? Jackson Janes ist Direktor des American Institute for Contemporary German Studies, das ist eine deutsch-amerikanische Denkfabrik in Washington. Schönen guten Morgen, Herr Janes!
Jackson Janes: Guten Morgen!
Brink: Welche Sorgen gibt es denn in den USA?
Janes: Ob es nicht klappt, ganz schlicht und einfach gesagt. Ich meine, wir haben ja natürlich dann eine Phase momentan, wo Präsident Obama, der natürlich sehr viel Wert darauf legt, dass das jetzt abgeschlossen wird, zwei Jahre noch hat. Und ich glaube, die Sorgen aufgrund von der Administration, also die Leute, die Verfechter sind für diesen Vertrag, wollen natürlich, dass das abgeschlossen werden sollte in 2016. Weil in 2016 haben wir Wahlen. Und die Wahl wird alles dann überdecken. Insofern ist die Frage: Kann man eigentlich hoffen, dass bis 2015 die Einzelheiten ausgebügelt sind, und damit haben wir vielleicht möglicherweise schon einen Vertrag zu unterschreiben bis März 2016.
"Es hakt eigentlich an den Interessengruppen"
Brink: Ja, wie sehen Sie das denn, woran hakt es denn aus amerikanischer Sicht?
Janes: In gewisser Weise sind es eigentlich die Fragen in Europa, die Sie eben genannt haben, der Buchbindungspreis, diese GMO-Geschichte, auch dann Kultur – es gibt ja natürlich auch eine ganze Menge NGOs, also diese Gruppen, die dagegen streuen wegen zum Beispiel politischer Beteiligung an dem ganzen Prozess. Mit anderen Worten: Es hakt eigentlich an den Interessengruppen, die unmittelbar involviert sind.
Beispiel: Gewerkschaften. Es gab ja letzte Woche, glaube ich, eine Aussage von sowohl hier als auch da, Gewerkschaften, die sagen, wir müssen dann sehen, ob das mit Investitionsschutz und allem, was dazu kommt – das ist auch so ein ganz winziger Teil von der Verabredung, uns schützt, uns selber schützt, die Arbeiter. Jeder hat irgendwie ein bestimmtes Interesse am Erfolg, aber jeder hat einen gewissen Interessenwinkel, und das unter ein Dach zu bekommen, ist eine Mammutaufgabe, und ich bin nicht so sicher, wie es dann laufen wird am Ende.
Brink: In Europa laufen ja, weil Sie gerade die Verbraucherschützer genannt haben, die Verbraucherschützer eben Sturm. Was in Amerika üblich ist – also ich nenne mal so die roten Tücher – Chlorhühnchen, Wachstumshormone bei Tieren, genmanipulierter Mais. Das haben wir ja schon so oft gehört. Kann man denn in Amerika diese Ängste verstehen?
Janes: Man kann die einigermaßen verstehen, aber ich glaube, und ich bin nicht hundertprozentig genau, wo die Einzelheiten sind oder die Fakten sind, aber manche Amerikaner sagen, hör mal, die Europäer schreien, weil wir die Hühnchen so sauber machen mit Chlorin, und die machen das selber mit ihrem eigenen Salat. Also insofern ist es irgendwo schon mal ein auch Vorbeireden über die Frage, was ist tatsächlich eine Gefahr und was ist nicht eine Gefahr. Was können wir denn eigentlich an Annäherungen organisieren, sodass wir anerkennen, dass – darum geht es eigentlich nicht, die Homogenität in dieser Abmachung, sondern die Anerkennung von Standards, die einigermaßen sich überlappen.
Ob man zum Beispiel hier kulturpolitisch agieren kann, sodass die Franzosen nicht beleidigt sind oder dass die Deutschen sich nicht so ganz aufregen über Chlorhühnchen. Das sind eigentlich Einzelheiten, die eine Rolle spielen, aber am Ende ist man auf beiden Seiten eigentlich, meiner Ansicht nach, verantwortlich zu sagen, was akzeptieren wir und was akzeptieren wir nicht. Nicht nur, was wir nicht akzeptieren. Das ist momentan sehr konfus.
Brink: Das Problem ist ja genau, Sie haben es eigentlich genau genannt, finden wir Schnittmengen. Da gibt es ja die großen Ängste, auch Bedenken, die man oft auf europäischer, auch auf deutscher – Sie haben Frankreich jetzt als Beispiel genannt mit der Filmförderung. In Deutschland sorgt man sich ein bisschen um den Kulturprotektionismus, also um unsere Museen, Theaterhäuser – können wir da vermitteln oder leben wir wirklich auf zwei Planeten?
"Es gibt unheimlich viele Arbeitsgruppen"
Janes: Nein, ich glaube, vermitteln schon. Ich meine, Sie können sich nicht vorstellen, wie weit – oder ich kann es mir gar nicht vorstellen – wie weit flächendeckend diese Abmachung kann. Und daher sind unheimlich viele Arbeitsgruppen, gerade jetzt in Brüssel, in diesen letzten Tagen und dann nächste Woche, tagen die alle Tag und Nacht, um genau diese Schnittmenge irgendwie zu identifizieren. Ich glaube, es wird dann irgendwie möglich sein, aber am Ende ist es auch ein politischer Akt hier. Und damit ist die Frage gestellt, ist in Deutschland und übrigens auch hier und quer durch Europa, genügend Kraft und Stimmen, die aufstehen und sagen, es ist einigermaßen besser, dass wir das haben, als wenn wir es nicht haben. Und alles innerhalb von achtzehn Monaten, wie gesagt, unter Dach und Fach zu bekommen, ist natürlich sehr gewagt. Es könnte allerdings sein – ich sag das jetzt aus der Sicht von Washington, dass die Leute, die hier daran basteln und sagen, wir kriegen das nicht hin bis 2017, irgendwo müsste das vererbt sein an die nächste Administration. Das kann durchaus kommen.
Aber ich glaube, im Großen und Ganzen ist das die Frage, sind wir eigentlich besser dran ohne diese neue Regelung oder sind wir besser dran mit dieser Regelung. Und irgendwann sind die Schnittregeln, die diese Schnittmengen, die müsste erkennbar sein in den verschiedenen politischen Bereichen, sonst streikt eigentlich das Publikum. Und man sieht das an den europäischen Parlamentsmitgliedern, die gerade hineingewählt sind in das Parlament, die da was dagegen haben. Aber nicht nur wegen TTIP, sondern auch wegen der EU insgesamt. Insofern ist es ein unheimlich kompliziertes Rätsel hier, und das hat dann einfach das Problem, dass alle Leute irgendwie daran beteiligt werden müssen, und da kommen, wie gesagt, die politischen Führungskräfte in Frage: Können sie das artikulieren?
Brink: Aber wenn wir schon von unterschiedlichen Mentalitäten reden: Was denkt man denn darüber, dass deutsche Politiker ja auch eine Aussetzung fordern, um Druck auf die USA auszuüben wegen der Geheimdiensttätigkeiten? Wie kommt das an in Washington?
Janes: Ja, ich glaube, die sind skeptisch, dass das überhaupt zustande kommt, zumal Kanzlerin Merkel gerade gestern gesagt hat, dass sie nichts davon hält. Und ich glaube, dass das eigentlich, diese ganze Geschichte wird sowieso separat behandelt. Allerdings – da sind wir wieder bei der Politik – die Einflüsse dieser Auseinandersetzung oder dieser Reibungsflächen, die jetzt entstanden sind, die werden zwangsläufig eine Rolle spielen zum Beispiel in der Frage Datenschutz. Und inwieweit hier eine Garantier gegeben werden kann, dass respektiert wird, was an Datenschutzregeln besteht, sei es in Frankreich, sei es in Spanien oder sei es in Deutschland, und sei es auch hier. Und ich glaube, hier ist dann das Problem, es läuft parallel momentan, diese Geschichte ist mehr oder weniger außerhalb von TTIP zu behandeln, aber es ist zwangsläufig meiner Ansicht nach ein Einfluss auf die Stimmung innerhalb der Gruppen, die dann am Ende die Abmachung treffen müssen.
Brink: Jackson James, Direktor des American Institute for Contemporary German Studies. Schönen Dank, Herr James!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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