Etwas unter Dach und Fach bringen …

Von Rolf-Bernhard Essig · 11.04.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Jemandem zeigen, was ‘ne Harke ist; Jemanden über den grünen Klee loben; Arm wie eine Kirchenmaus sein; Wider den Stachel löcken; Einen an der Klatsche haben; Ein Bauernopfer bringen u.a.
Etwas unter Dach und Fach bringen

"Dach und Fach" gehört zu den sogenannten Reimformel, paarigen Ausdrücken, die sehr volkstümlich sind und oft mit Bräuchen und Rechtsdingen zu tun haben, wie "Stein und Bein (schwören)", "Haus und Hof", "Kind und Kegel". Das Dach ist heute sofort verständlich, das Fach dagegen erst über den kleinen Umweg "Fachwerk". Über Jahrhunderte war der Bau von Steinhäusern zu teuer, weshalb man Holzkonstruktionen bevorzugte. Die Wände konstruierte man aus Balken, die haltbare, feste Strukturen bildeten. In die Zwischenräume füllte man Lehmstrohgemisch u.a., fertig war die Wand eines Fachwerkhauses. "Fach" konnte deshalb auch einfach "Wand" bedeuten. "Dach und Fach" bezeichnen und bestimmen also zusammen das Haus. Dieses stand aber unter besonderem Schutz, den Hausfrieden durfte man nicht brechen, selbst Untäter konnten hier Schutz finden. Wenn man etwas unter Dach und Fach gebracht hatte, war es also auch in Sicherheit, geschützt. Es geht also nicht nur darum, ein Haus fertig zu stellen. Wenn ein Bauer die Ernte vor einem Unwetter so in die Scheuer hatte retten können, war er auch mit seiner Arbeit glücklich, zufrieden und fertig. Aus solchen Situationen ergab sich dann auch die Bedeutung, "etwas vollkommen, umfassend, endgültig und glücklich beenden".

Jemandem zeigen, was ‘ne Harke ist

Ein alter Schwank liegt dem Ausdruck zugrunde, der mindestens schon im 13. Jahrhundert bekannt war. Er wurde in immer neuen Varianten erzählt. Grundsätzlich geht es um einen Bauernsohn, der die besondere Gelegenheit bekommt, in die Fremde oder auf die Lateinschule zu kommen. Als er nach einiger Zeit wiederkehrt, gibt er sich weltgewandt, gebildet, hochnäsig und derart eingebildet, dass er vorgibt, nicht einmal seine Verwandten und deren, nun als derb, bäurisch und primitiv empfundene Sprache zu verstehen. Er übt sich vielmehr im Radebrechen fremder Zungen, um seine hohe Bildung vorzuführen, was wiederum die Verwandten nicht verstehen. Selbst als man ihm eine Harke zeigt, tut er so, als kenne er sie nicht und wisse nicht, wie sie heiße. Kurz darauf allerdings tritt der Hochnäsige auf die Zinken der Harke, deren Stil nach oben gehebelt wird und ihm die Nase blutig schlägt, worauf er in erschreckter Wut aus der Rolle fällt und schreit: "Verfluchte Harke, du!" Kein Wunder, dass diese Geschichte vom überführten Dampfplauderer und Angeber sehr beliebt wurde. Es gab auch die Redensart: "Er kennt die Harke nicht mehr." Die hieß soviel wie: "Er kann nicht einmal die Muttersprache mehr." Die heute noch gebräuchliche alte Redensart bedeutet dagegen, jemandem etwas zeigen oder sagen oder auch überhaupt etwas tun, was beeindruckend ist, woran ein anderer noch lange denken wird. Aus der ursprünglichen Wendung für die Aufklärung jemandes, der etwas nicht begreift oder begreifen will, wurde im Laufe der Zeit eine Art von Selbstermunterung und Entschlossenheitsspruch nach dem Motto: "Dem werde ich beweisen, dass ich etwas sehr gut kann, weshalb er noch lange daran denken wird."

Jemanden über den grünen Klee loben

Das frische Kraut, der saftige Klee, die neuen Triebe der Bäume, all das stand dem Volksmund für reine Lebenskraft und rundum Gutes, was sich an Ausdrücken wie "jemandem grün sein", "komm an meine grüne Seite", "grün ist die Hoffnung" oder "etwas über den grünen Klee loben" erkennen lässt. Dieser Ausdruck hat mit mittelalterlichen Dichtern zu tun, die den grünen Klee so oft lobten, dass er als Optimum erscheinen konnte. Ging jemand im Lob noch darüber hinaus, war es übertrieben. Seit längerem dagegen und heute besonders, da selbst Superlative gern gesteigert werden ("das Perfekteste", "das Optimalste") hört man den Ausdruck auch nur leicht ironisch und eher positiv verwendet.

Arm wie eine Kirchenmaus sein

Mäuse finden eigentlich immer etwas zu essen, jedenfalls in Haus, Hof und Scheuer. In der Kirche dagegen findet sie in der Regel nichts, denn außer der Hostie und dem Wein gibt es nichts zu essen. So muss sie hungern. Allerdings ging es vielen Pfarrern, die von dem lebten, was die Gemeinde spendete ebenso. Es wurde in der Regel nur in Naturalien "gezahlt", also Eier, Käse, Speck, Feuerholz etc. Freiwillige Gaben flossen oft nicht so reichlich und Geld gar nicht. Kein Wunder, dass man den Ausdruck "Kirchenmaus" und deren Armut auch auf Pfarrer bezog und sich die Wendung von daher erklärte.

Wider den Stachel löcken

Das alte Wort überlebt seit etwa fünfhundert Jahren, obwohl schon die Zeitgenossen Luthers, der es in seiner Bibelübersetzung verwendete und damit in Umlauf brachte, eher mit Unverständnis reagierten. "Wider" heißt in diesem Fall "gegen", der Stachel ist wörtlich zu verstehen, aber "löcken" schrieb Luther noch "lecken" und erläuterte, es bedeute "springen und hüpfen". Wer da gegen den Stachel hüpft, das ist der pflügende Ochse, der sich vergeblich wehrt gegen den Stachelstock, ein Ackergerät, das einerseits eine flache Seite hatte, um die Erde aufzubrechen, andererseits nach vorne zum Ochsen gerichtet einen Stachel, der ihn hindern sollte, innezuhalten, ihn also antrieb. Gegen diesen unangenehmen Stimulus versuchten die Ochsen wohl zu treten, aber angeschirrt, wie sie waren, half ihnen das nichts. Es handelte sich also um vergebliche Gegenwehr, um eine Tat gegen jede Erfolgschance, was denn auch der Sinn der Wendung ist.

Holla(,) die Waldfee!

Manche erklären den Ausruf des Erstaunens auf Skatsprüche zurück, was nicht überzeugen kann. Einfacher ist es, an Frau Holle zu denken, deren Vormärchenexistenz die einer Dämonenanführerin ist, die durchaus auch im Wald vorkommen konnten. Insofern hätte man es mit ihrem leicht verballhornten Namen zu tun samt der Ergänzung, was sie ist. Auch der Holunder, der ja im Süden "Holler" heißt, wurde bemüht, wobei man bis ins Keltische zurückging. Wahrscheinlich ist es aber viel einfacher. Im Märchen kommt es immer wieder zu Begegnungen mit guten oder bösen Mächte im Wald (in der alten Mythologie gab es auch Waldnymphen), beispielsweise in "Hänsel und Gretel", "Schneeweißchen und Rosenrot", "Eisenhans" usw. Das geschah so regelmäßig, dass man eine Sache, die plötzlich auftauchte, mit der überraschenden, doch häufig erscheinenden Fee im Wald in Beziehung setzen konnte. Dafür spräche auch die schwankende Bedeutung des Ausdrucks zwischen positiv und negativ oder neutral.

Einen an der Klatsche haben

Ähnlich beliebt ist "einen an der Waffel haben". Beides bezieht sich auf das Mundwerk, mit dem man nicht umsonst "klatscht". Ein "Klatsch" ist ursprünglich ein lauter, patschender Schlag. Es gab eigene Instrumente, die "Klatschen" hießen, mit denen man Lärm machen konnte oder – bis heute – Fliegen töten. Die Lärmklatschen hatten zwei bewegliche flache Teile, die aneinanderschlugen und das klatschende Geräusch machten. Der sinnlose Lärm wurde auf sinnloses Geschwätz auch deshalb übertragen, weil das Mundwerk klatschender Menschen immer wieder sinnlos (jedenfalls nach landläufiger Meinung) auf- und zugeht. Das ist beim Waffeleisen ähnlich, dessen zwei Teile ebenfalls so auf- und zugehen. Der Mund öffnet und schließt sich wie ein Waffeleisen, aber es kommt nichts Gescheites heraus. "Waffeln" heißt denn auch vielerorts "Unsinn reden". Das Mundwerk nun konnte natürlich für den Kopf insgesamt gelten. Wenn jemand daran "einen" oder "etwas" hatte, dann galt er als dumm. Das "etwas" kennt man in allerlei Varianten wie "einen Schlag haben". Wer aber einen Schlag hat, ist seiner Sinne nicht mehr mächtig. Fertig ist die umgangssprachliche Redensart.

Ein Bauernopfer bringen

Schachspieler wissen bescheid: Die Bauern, acht an der Zahl, sind wichtige Figuren, aber zuerst einmal weniger wichtig als Läufer, Springer, Dame, Turm, Pferd und König. Es kann im Spiel aus taktischen oder strategischen Gründen leicht einmal sinnvoll sein, einen von diesen Spielsteinen zu opfern, um ein wichtigeres Ziel zu erreichen, beispielsweise eine wichtigere Figur zu retten oder eine bessere Spielposition aufzunehmen. Einem schwächeren Spieler bietet man auch schon mal durchtrieben einen Bauern an, damit er ihn schlägt, obwohl er sich damit selbst schadet. Das wäre dann ein wenig Bauernfängerei, die im nächsten Stichwort erklärt wird.

Bauernfängerei betreiben

Berlinische Gauner freuten sich ganz besonders auf Markttag, denn da kam junges Gemüse und Landeier in wörtlicher und menschlicher Form in die Stadt gezogen, um die Waren an die Frau zu bringen. Die ländliche Bevölkerung galt als eher unerfahren, ja tölpelhaft und leichtgläubig, weshalb man sie leicht übertölpeln konnte. Am Markttag gingen die Gauer also auf Bauernfang und versuchten sie, um ihr Geld zu bringen, indem sie ihnen etwas andrehten, sie betrogen oder gleich bestahlen. Eine legendäre Fernsehsendung, die vor Trickbetrügern warnte, hieß denn auch: "Nepper, Schlepper, Bauernfänger". Dass man sich auf dem Land eher vertraute und deshalb gutgläubiger war, ist mehr als wahrscheinlich. Heute bedeutet der Ausdruck vor allem, "mit derben, eher leicht durchschaubaren Tricks etwas erreichen wollen."

Mein lieber Schwan!

Der tierisch schöner Ausruf des Erstaunens positiver Art geht zurück auf Richard Wagner, der in seiner Oper "Lohengrin" den Schwanenritter gleichen Namens sehr populär machte. Der kommt geheimnisvoll in einem Nachen auf die Operbühne gefahren, die ein Schwan zieht, um Elsa von Brabant zu retten (der Ritter will das, nicht der Schwan!). Die beiden verstehen sich gut – Elsa von B. und Lohengrin nur kurz, aber der Schwan und Lohengrin lang. Jedenfalls spricht der Ritter mit dem Schwan sehr höflich und also äußert er auch Anerkennung für die angenehme Fahrt: "Nun sein bedankt, mein lieber Schwan." Die Schwanenspedition des Ritters auf der Bühne konnte meist nicht ganz unkomisch gestaltet werden, weshalb sie allerlei Anlass zu Spott bot. So wurde denn auch der Vogeldank zum Geflügelten Wort, bis man vergaß, woher es stammte. Und jetzt ist es nur noch eine Wendung, aber tierisch schön!

Spiel doch nicht die beleidigte Leberwurst

Warum nicht der Schinken? Die Blutwurst? Die Salami? Warum die Leberwurst? Nun, die Leber galt der antiken Säftetheorie und Heilkust als Sitz der Seele, auch der Stimmungen. "Ist dir etwas über die Leber gelaufen", kommt auch daher. Wurst als Gemengsel von wenig klar erkennbaren Inhaltsstoffen bürgerte sich in allerlei Verbindungen als negatives Wort ein. So konnte ein Mensch mit mieser Laune zur Leberwurst werden, zumal es ja außerdem "Hanswurst" gab: So heißt die lustige Harlekin- oder Kasperfigur in alten komischen Theaterstücken. Die gleichlautenden "L" taten ein Übriges, das "beleidigte" hinzuzufügen. Und das "spielen" hat einerseits mit dem erwähnten Hanswurst zu tun und damit, dass man hofft, jemanden mit so einer lustigen Bemerkung aus der Miesepeterei zu befreien.

Das ist geritzt

Hat mit großer Wahrscheinlich mit dem Bergbau zu tun. Um etwas abzubauen, brauchte man oft erst längliche Vertiefungen, eben "Ritze", um Sprengkeile vorteilhaft ansetzen zu können. War das schon getan, konnte man loslegen mit der Arbeit, denn "alles ist geritzt". Auf diese Weise konnte man den Ausdruck für alles verwenden, dass fertig und in Ordnung ist, abgeschlossen, gleichsam unter Dach und Fach.