Etwas ist in trockenen Tüchern …

Von Rolf-Bernhard Essig · 18.04.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Du kriegst gleichen einen auf die Zwölf, Etwas brennt unter den Nägeln, Alles paletti, In die Klapsmühle kommen u.a.
Etwas ist in trockenen Tüchern

Alles lächelt zufrieden, wenn man Verhandlungen abgeschlossen, Verträge unterzeichnet hat. Dann ist die Wendung mit den Tüchern nicht weit. Warum sie in den letzten 10, 15 Jahren auftauchte und gleich so beliebt wurde? Niemand weiß es. Vielleicht liegt es an dem endlich steigenden Anteil von Frauen in Politik und Wirtschaft, denn sie haben in der Regel immer noch die Aufgabe Kinder trockenzulegen, sie aus den nassen Tüchern, die ja nicht nur unangenehm, sondern sogar gesundheitsschädlich wären, in trockene zu bringen.

Du kriegst gleichen einen auf die Zwölf

Früher sagte man von einem besonders trefflichen Boxschlag, er habe genau den Punkt getroffen, wobei die Kinnspitze gemeint war, wo er besonders wirkungsvoll war. Wer beim Schlagen solchermaßen trifft, wird leicht mit einem Schützen verglichen, der ja ebenfalls einen Zielpunkt anvisiert, um "ins Schwarze zu treffen". Schießscheiben, die lange Zeit richtige Kunstwerke waren und teils noch heute sind, hatten in der Mitte entweder einen schwarzen Bereich oder Punkt, teils auch Ringe mit Nummern versehen. Das ist heute noch bei den Sportschützen üblich, wobei dort die 10 oder die 11 die Höchstpunktzahl sind. Es gab allerdings auch solche mit einer 12 als Bestmarke. Bekommt jemand also etwas auf die Zwölf, dann handelt es sich um einen K.-o.-Schlag; eine ziemlich drastische Drohung.

Etwas brennt unter den Nägeln

Heute verwendet man gleichbedeutend "etwas brennt unter / auf den Nägeln", doch es lässt sich differenzieren. Auf den Nägeln brannten glühende Kohlestücke bei der Folter, womit man das Drängende erklären wollte, doch wahrscheinlicher ist die auch im Bild überlieferte mittelalterliche Gewohnheit, sich Kerzlein auf die Daumennägel zu setzen, um Licht fürs Lesen zu haben. Besonders von Mönchen ist das überliefert, die zur Frühmesse im Dunkeln Licht brauchten. Dauerte die zu lange, mussten sie schneller singen und beten, denn es brannte ihnen immer mehr auf den Nägeln. Unter den Nägeln dagegen kann der Boden zu heiß werden, schließlich haben wir auch Fuß- bzw. Zehennägel. In diesem Fall ist Eile ebenfalls angebracht.

Alles paletti

Der beliebte Spruch wirkt so südlich heiter, dass man auf Italien als Herkunftsland tippt, doch stattdessen geht er wohl aufs Hebräische zurück. Dort gibt es eine Wurzel "plt", die "retten, in Sicherheit bringen" bedeutet und noch heute in Ifrit vorkommt als "pallet", was "Rettung" bedeutet. Es könnten jüdische Kaufleute gewesen sein, die den Ausdruck in Umlauf brachten. Sie verwendeten ihn, wenn sie ihren Besitz bei einer Pleite gerettet hatten. Die Pleite hängt übrigens ebenfalls damit zusammen, denn ursprünglich ging es um die Rettung vor der drohenden Gefängnisstrafe bei einem Konkurs, wenn man Pleite ging. Der so oft karikierte Pleitegeier ist auch eigentlich kein Vogel, sondern ein "Pleitegeher". Jedenfalls wurde aus "palett" oder "paletti" für Rettung in der Umgangssprache in der Erweiterung mit "alles" der allgemeine Begriff für "alles in Ordnung".

In die Klapsmühle kommen

Die Irrenanstalt gibt es nicht mehr, sie ist zur Psychiatrie und im besonders schweren Fall zur "Geschlossenen Abteilung" geworden. Frühere Zeiten waren viel mehr mit den psychopathologischen Fällen konfrontiert, die man erst in der Aufklärungszeit systematisch wegzusperren und – teils sehr drastisch – zu behandeln begann. Wer irre, verrückt war, den empfanden seine Mitmenschen als jemanden, der ein geschädigtes Gehirn hatte, den der Schlag getroffen hatte. Noch heute heißt es ja, wenn jemand etwas Dummes macht: "Du hast einen Schlag!" Der Klaps ist eine minderschwere Form des Schlags, wie ja auch "Klapsmühle" ein ironisch-heiterer Ausdruck fürs Narrenspital ist. Wer dort drinnen ist, hat also einen Klaps, er ist aber auch in eine Mühle geraten, in der man ihn – wie erwähnt – heftig behandelt: mit eiskalten Wassergüssen, Schleuderbetten, Elektroschocks etc. Wer dann noch nicht durchgedreht war – auch das weist auf die Mühle hin – der drehte dabei durch. So produzierte die Klapsmühle auch Irre wie eine Getreidemühle Mehl.

Etwas aus dem ff beherrschen

Mancher kennt die Bezeichnung für Fortissimo in Noten "ff", ältere Semester auch noch das "ff" als Qualitätsbezeichnung von Waren, was vom italienischen "finissimo" herkommt, also "besonders fein". Warum aber "aus dem ff"? Das können beide Erklärungsvarianten nicht befriedigend herleiten.
Dagegen kürzte man einen Teil des "Corpus iuris civile", also des alten Römischen Rechts, wie es auf spätere Zeiten überliefert wurde, mit "ff" ab, die "Pandekten" ("das Allumfassende") oder "Digesten" ("Geordnetes"). Es handelte sich um Sammlungen römischer Rechtswerke, die den Grundstock des Römischen Rechts bildeten, wie es im ganzen Abendland als juristisches Fundament praktisch bis zum "Code Napoleon" galt. Wieso aber "ff"? Nun, es wurden diese Schriften ja lange vor dem Druck immer wieder abgeschrieben, wobei ein griechisches Pi (für "Pandekten"), dem der Querstrich – vielleicht aus Tintenmangel – unterbrochen wird, oder ein lateinisches d (für "Digesten"), das einen Abkürzungsstrich bekam. So ein Strich über einem Buchstaben kann aber auch einer sein, der Verdoppelung fordert. Ein dd mit einem Strich durch lässt sich nun leicht auch als "ff" fehllesen. Sicher ist, dass über Jahrhunderte die Pandekten mit "ff" abgekürzt zitiert wurde, sogar bis ins 18. Jahrhundert hinein. Da Juristen sich auf dieses Fundament ihrer Wissenschaft regelmäßig stützen mussten, ist die Herleitung von hier sehr wahrscheinlich. Wenn einer sein Fach verstand, dann kannte er sich exzellent aus in den Pandekten. Andererseits bedeuteten die Pandekten gesichertes Wissen. Was aus dem "ff" stammte, war in Ordnung, verlässlich. Wenn einer "etwas aus dem ff (Effeff) versteht", dann also auf exzellenter Wissensbasis.

Voll wie eine Strandhaubitze

Unerschöpflich ist das Sprachreservoir, wenn es um Ausdrücke für Trunkenheit geht. Dass man dabei immer wieder um das "füllen" kreist, ist kein Wunder, geht es doch um erhebliche Flüssigkeitsaufnahme. Um die besonders große Menge, die ein Besoffener intus hat, zu beschreiben, bot sich vergangenen Jahrhunderten die Kanone an, die einerseits Standardwaffe war und in jeder befestigten Stadt, in jedem Heer vorkam, andererseits als größtes Schießzeug eindrucksvoll war. "Voll wie eine Kanone" bürgerte sich rasch ein, doch wie so oft, wollte man den an sich schon übertriebenen Ausdruck – schließlich geht in eine Kanone eine erhebliche Menge hinein – noch steigern. Die größten Kanonen befanden sich aber in Küstenbatterien, stationäre Geschütze von ungeheuren Ausmaßen, die liebevoll "Strandhaubitzen" genannt wurden. Haubitzen sind Geschütze mit großer Reichweite und steilem Abschuss.

Nicht über den Tellerrand hinausschauen

Die Sache scheint klar zu sein, doch fragt ein Hörer zu Recht: Wo sitzt denn der? Im Teller und schaut aus der Suppe? Der Tellerrand als Horizont? In der Tat geht es wohl einfach um Ironie in der Wendung, denn der Teller, den wir alle täglich – hoffentlich – vor uns stehen haben, ist wirklich das Nächstliegende. Wer nur die Spanne oder Elle – je nach Körperhaltung – bis zum Tellerrand schaut, der ist kurzsichtig und beschränkt im schlimmsten Sinne. Gerne wird der Ausdruck allerdings, was wiederum auf die Ironie hinweist, positiv gewendet: "Der schaut über den Tellerrand hinaus". Damit ist auch ein offener Blick gemeint, der weit über Alltag und Häuslichkeit hinweg geht.

Das ist mein Kiez, in unserem Kiez

Das Wort hat eine erstaunliche Karriere hinter sich, denn einstmals ein nordostdeutscher Ausdruck mit wendischen Wurzeln, der eine Vorstadt, in der die Fischer wohnten, bezeichnete, wanderte er ins Berlinische um Viertel zu bezeichnen, in denen Prostitution geboten wurde, in denen der Strich zu finden war. Weil das häufiger die nicht so schicken, älteren Stadtteile waren, entwickelte es sich zur Bezeichnung von alten Vierteln überhaupt, was im Zuge der Nostalgie einen positiven Beigeschmack bekommen konnte. Heute dagegen verwendet man "Kiez" nur noch positiv als Begriff für das nachbarliche Umfeld eines Menschen, das oft sogar kleiner als ein richtiges Stadtviertel sein kann, manchmal nur ein paar Straßenzüge. Berlinisch blieb der Ausdruck dennoch fast ausschließlich.