Ethoxyquin, Würmer & Co.

Was Fischkonsum wirklich gefährlich macht

Lachs aus norwegischer Zucht
Lachs aus norwegischer Zucht © dpa / picture alliance / Holger Hollemann
Von Udo Pollmer · 14.07.2017
Algengifte, Botulinus E oder Würmer - Fisch ist keineswegs immer gesund, sondern oft sogar gesundheitsschädlich. Doch Umweltschützer sorgten sich lieber um den Fischfutter-Zusatz Ethoxyquin - eine Gefahr, die gar keine ist, meint Udo Pollmer.
Die Skandale um den Fisch wollen kein Ende nehmen. Schon wieder haben Umweltschützer im Lachs ein Pestizid entdeckt – ein verbotenes, wie es heißt. Davon soll den Freunden des Räucherlachses Unbill drohen. Doch welches genau, weiß niemand so recht – auch nicht die Umweltschützer, denn die toxikologischen Tests haben bisher kaum Belastendes zutage gefördert – und schon gar nichts angesichts der belanglosen Gehalte.
Das fragliche Mittel heißt Ethoxyquin - ein Zusatzstoff für Fischfutter. Es bremst den Fettverderb und verhindert, dass sich das Futter von selbst entzündet oder gar explodiert. Nicht mehr zugelassen ist das Mittel bei Frischobst, daher die Phrase vom "verbotenen Pestizid". Doch gelangen bis heute Äpfel und Birnen mit Ethoxyquin in den Handel. Stört aber niemanden.

Das Greenpeace-Gift als Heilsbringer?

Natürlich ließe sich das Greenpeace-Gift auch als Heilsbringer verkaufen. Bei Mäusen schützte es vor Krebs und verlängerte die Lebenszeit. Altersforscher verstiegen sich zur haltlosen Behauptung, wir könnten mit Ethoxyquin 150 Jahre alt werden. Allerdings lässt sich mit Äpfeln oder gar Fisch nie und nimmer eine wirksame Dosis erreichen, dafür bräuchte es schon Pillen. Doch der Nutzen ist mehr als fraglich.
Wenden wir uns lieber echten Bedrohungen zu: In den letzten Monaten gab es gleich drei Warnungen vor gefährlichen, ja lebensbedrohlichen Beigaben im Fisch. Da wäre zunächst die Ciguatera zu nennen, eine Fischvergiftung, vor der das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt. Ursache sind Algengifte, genauer gesagt Gifte von Geißeltierchen, die sich über die Nahrungskette in Raubfischen anreichern. Durch Schiffsverkehr und Ballastwasser haben die winzigen Giftproduzenten, die ursprünglich in der Südsee beheimatet waren, bereits das Mittelmeer erreicht.

Mit Fischvergiftung in die Psychiatrie

Die Fallzahlen steigen in Deutschland von Jahr zu Jahr. Früher hat man Vergiftete - meist Ferntouristen, die Barracuda gespeist hatten - in die Psychiatrie gesteckt. Denn das Leitsymptom ist eine Umkehr der Kalt-Warm-Empfindung: Vergiftete nehmen Kälte als Hitze wahr und eine heiße Pfanne als Eiswürfel. Für einen bodenständigen Psychiater ein deutlicher Hinweis auf einen "Sprung in der Schüssel".
Verzehrswarnung Nr. 2 kommt aus Niedersachsen und gilt dem tödlichen Nervengift Botulinus E, das von einem Bakterium produziert wird. Nach einem schweren Vergiftungsfall wurden kürzlich gesalzene und getrocknete Plötzen, die ein Fischhändler an Restaurants geliefert hatte, eilends aus dem Verkehr gezogen.
Warnung Nr. 3 betrifft blinde Passagiere im Fischfilet: die Heringswürmer. Übertragen werden sie durch rohen Fisch. Dessen wachsende Beliebtheit lässt die Fallzahlen steigen. In Japan ist diese Parasitose als Folge des Verzehrs von Sushi nicht selten – die japanischen Ärzte kennen die Symptome und behandeln zielführend. Bei uns werden Parasiten diagnostisch oft übersehen und hin und wieder wird der Wurm sogar mit Krebs verwechselt. Heringswürmer sind bei Wildfängen weit verbreitet, deshalb muss die Ware vor dem Verkauf auf –20°C tiefgefroren werden, das tötet die Larven ab. Fisch aus Aquakultur – also der mit den Spuren an Ethoxyquin - ist gewöhnlich frei von ekligem Gewürm.

"Popanz" Ethoxyquin

Für Umweltschützer ist das alles kein Thema – sie ziehen es vor, den Fisch verbal zu verseuchen. Ein Tipp für die nächste Kampagne: Wie wär's mit Kaliumhydrogencarbonat? Klingt gefährlich. Damit spritzen die Obstbauern ihre Äpfel gegen Pilzkrankheiten. Das Mittel ist nichts anderes als Backpulver. Da bietet sich doch eine Aktion gegen "Giftgebäck" an: Es kann doch nicht sein, dass ein Pilzvernichtungsmittel von Backkonzernen aus Profitgier in den Kuchen gepanscht wird, nur damit er schön aufgeht! Das Pulver ist – im Gegensatz zu Ethoxyquin - nicht mal im Fischfutter zugelassen. Was für ein Skandal!
Während Verbraucherschützer einen nützlichen Stoff wie Ethoxyquin zum Popanz aufblasen, werden Leib und Leben durch Gefahren aus der belebten Natur bedroht. Doch solche Risiken sind bisher offenbar kaum der Rede wert.
Mahlzeit!
Literatur
Anon: Pflanzengift in Lachs, Dorade & Co. Greenpeace warnt vor belastetem Fisch. n-tv.de-Ratgeber vom 14. Dez. 2016
Henn S: Chemie in unserem Speisefisch. SWR-Online vom 16. Dez. 2016
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BfR: Anstieg von Ciguatera-Fischvergiftungen in Europa. Presseinformation 17 vom 10. Mai 2017
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Anon: Lebensmittel-Skandal: 11 Deutsche durch Fisch vergiftet! Brigitte-Online 23. März 2017
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LAVES: Was ist Botulismus? - Krankmachende Keime in Fischen. Meldung vom 05. Mai 2017
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