Ethnologin Jeanette Erazo Heufelder

Tête-à-Tête mit Fidel Castro

Die Ethnologin Jeanette Erazo Heufelder
Die Ethnologin Jeanette Erazo Heufelder © Deutschlandradio / Waleczek
Moderation: Britta Bürger · 15.08.2017
Zur Drogenmafia in Mexiko recherchieren, Smaragdkönige in Kolumbien treffen: Für die Ethnologin, Film- und Buchautorin Jeanette Erazo Heufelder alles Alltag. Eine Woche mit Fidel Castro zu verbringen, war aber auch für sie ein Glücksfall.
Über den Maler Oswaldo Guayasamín – einen engen Freund Fidel Castros – kam der Kontakt zustande. Sie durfte mit Kamera und Fotoapparat bei den Sitzungen für ein Porträt zu Castros 70. Geburtstag dabei sein:
"Wir haben Fidel Castro nicht nur zwei, drei Stunden erlebt, sondern er war tatsächlich das Modell des Malers und da sah man die enge Beziehung zwischen den beiden. Denn Guayasamín hat fünf Tage an diesem Bild gemalt und hat die ersten zwei Tage völlig andere Vorstellungen gehabt, das hieß, Fidel Castro saß. Und in der Mitte der Session sozusagen stellte Guayasamín fest, das kann so nichts werden und bat ihn aufzustehen, übermalte das ganze Bild. Die andere Hälfte dieser Woche stand Fidel Castro seinem Freund Guayasamín Modell. ... Und wenn man sich dieses Bild ansieht, fragt man sich wirklich, was jetzt Guayasamín in Fidel Castro, während er ihn gemalt hat, gesehen hat. Denn er stand da in seiner Uniform und er hat aus ihm im Grunde eine Figur von El Greco gemalt. Also sehr manieristisch, eben nicht in Uniform, in warmen Farben. ... Er hat im Grunde das Bild eines alten Heiligen gemalt. Und da kann man sich natürlich fragen, was hat das mit Fidel Castro zu tun."

Neid bei vielen Kollegen

Kaum ein deutscher Journalist ist Fidel Castro so nah gekommen wie Jeannette Erazo Heufelder. Zum Neid vieler Kollegen, die versuchten, über sie an den kubanischen Diktator heranzukommen.
"Wir wurden natürlich von den politischen Magazinen 1995, '96, '97 gefragt, ob die Möglichkeit bestünde, mitzukommen und eben das große politische Interview mit Fidel Castro zu führen. Es war die Zeit, in der jeder ein politisches Interview mit Fidel Castro haben wollte und genau in dieser Zeit hatten wir eben die Möglichkeit mit ihm zu drehen, aber kein politisches Interview. Also wir haben im Grunde das Material dann gehabt nach dieser Woche, das Oliver Stone in seinem Film verwertet hat, also den privaten Fidel, der Anekdoten erzählt, der Turnschuhe trägt, der von einer etwas anderen Seite gezeigt wird, aber eben nicht der Revolutionär und Politiker und Machthaber."
Der damalige kubanische Staats- und Parteichef Fidel Castro spricht in Havanna, Kuba, vor einem Bild des Revolutionärs Ernesto "Che" Guevara (Archivfoto vom 01.09.1998)
Kubas ehemaliger Staatschef Fidel Castro, aufgenommen im Jahr 1998© dpa/Roque
Die deutsch-ecuadorianische Ethnologin porträtierte die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu und recherchierte über den Drogenschmuggel in Mexiko. Seit Jahrzehnten beschäftigt sie sich intensiv mit Lateinamerika.

Minenarbeiter und Paten

1964 als Tochter einer Deutschen und eines Ecuadorianers in Bayern geboren ist sie mittlerweile auch in ganz Lateinamerika zu Hause. 2005 veröffentlichte sie "Der Smaragdkönig" über die Welt der Minenarbeiter und der Paten in Kolumbiens Smaragdtälern.
"Kein Kolumbianer, der nicht irgendetwas mit Esmeraldas, also Smaragden zu tun hat, geht freiwillig oder käme auf die Idee, in diese Smaragdregion nach Boyacá zu fahren. Sie ist umgeben von Gebirgen, die Täler sind wirklich hermetisch abgeriegelt. Und es hat sich in dieser Region eine eigene Welt hinsichtlich auch eines eigenen Machtzentrums entwickelt. Also, die Menschen, die dort das Sagen haben, sind die Bosse der Smaragdminen gewesen. ... Und ich hatte mir gedacht, wenn ich diese abgeschlossene Region besuche, beobachte und darüber ein Buch schreibe, kann ich gleichzeitig dadurch auch über andere Phänomene Erklärungen liefern, über das Phänomen des Drogenhandels, der Drogenkartelle in Kolumbien. Und im Grunde kann man das noch weiterführen und sagen, es gibt auch Gemeinsamkeiten zu dem, was in Mexiko passiert."
2011 erschien von ihr die Reportage "Drogenkorridor Mexiko", 2014 die Biografie der deutsch-jüdischen Emigrantin Ellen Marx "Von Berlin nach Buenos Aires".

Projekt zur Grenze zwischen Mexiko und den USA

Momentan arbeitet Jeanette Erazo Heufelder an einem Projekt zur Grenze zwischen Mexiko und den USA. 6000 Kilometer hat sie dort schon zurückgelegt und noch ist ihre Recherche nicht beendet. Der beste Weg für sie, den Menschen und dem Thema näher zu kommen, ist, keine Fragen abzuhaken:
"Ich versuche möglichst unauffällig den Alltag der Menschen mitzubekommen und die Fragen nebenbei zu stellen. ... Im Grunde ist auch, wenn ich Fragen stelle, gar nicht unbedingt das Allerwichtigste, was ich zur Antwort bekomme, sondern wie ich diese Antwort bekomme. Also, wo es unangenehm für die Befragten wird, wo sie mir auszuweichen versuchen oder wie konzentriert sie bei der Sache sind oder wie leidenschaftlich sie werden. Also, all das fließt dann in die Beobachtung mit ein."
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