Eskil Engdal, Kjetil Sater: "Fischmafia"

Millionengeschäft mit bedrohten Fischarten

Eskil Engdal und Kjetil Sater: "Fischmafia"
Eskil Engdal und Kjetil Sater: "Fischmafia" © epa AAP Adam Lau / dpa / Campus Verlag
Von Johannes Kaiser · 26.08.2017
Wer illegale Fischtrawler stellen will, riskiert Verfolgungsjagden durch Treibeis und Stürme. Die Meeresschützer von Sea Shephard haben trotzdem eins der Piratenboote gestoppt. Das Buch "Fischmafia" erklärt, warum es so schwierig ist, die Hintermänner dingfest zu machen.
Ein Piratenschiff, vorsätzlich von der eigenen Crew versenkt, um Beweise zu vernichten – so war das nicht vorgesehen
"Um 12.52 Uhr legt sich die 'Thunder' ins Wasser. Es ist, als würde sich der Rumpf aufbäumen. Zuerst flutet das Wasser den hinteren Teil des Achterdecks, dringt dann steuerbord durch die Fenster des Ruderhauses, der Kiel hebt sich 80, dann 90 Grad… Als der vordere Teil des Bugs verschwindet, färbt sich das Meer türkis. Dann schließt sich das Meer still über der 'Thunder'."
Drei Monate lang hatte Kapitän Peter Hammarstedt von der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd den Fischtrawler "Thunder" verfolgt, aus der Antarktis bis in den Golf von Guinea. Es war, schreiben die beiden Wirtschaftsjournalisten Kjetil Sæter und Eskil Engdal in ihrem Buch "Fischmafia", die längste Verfolgungsjagd in der Geschichte der Seefahrt. Kjetil Sæter sagt:
"Das Schiff stand seit mehr als zehn Jahren auf der Schwarzen Liste und hatte es geschafft, jeglicher Staatsgewalt zu entkommen. Es war eine Art Geisterschiff. Jeder wusste, dass es irgendwo dort draußen war, aber niemand hatte es stoppen können."

Millionen Dollar für eine einzige illegale Fischfahrt

Es war Zufall, dass die Meeresschützer die "Thunder" in den Weiten der Antarktis auf frischer Tat ertappten - beim illegalen Fischen nach dem Schwarzen Seehecht, dem Atlantikdorsch. Ein lohnendes Geschäft, so Kjetil Sæter:
"Der Atlantikdorsch wird auch weißes Gold genannt. Er ist sehr lukrativ. Wir wissen jetzt nach unseren Recherchen, dass man pro Kilo gefrorenen Fisches direkt von Bord 15 bis 20 Dollar bekommt. Das ist eine ganze Menge Geld, wenn man 400 oder 500 Tonnen pro Jahr fängt. Da geht es um mehrere Millionen Dollar für nur eine einzige Fahrt."
Seit Jahren schon wildert deshalb ein kleiner Trupp von illegalen Fischtrawlern in der Antarktis den Schwarzen Hecht. Obwohl international per Steckbrief gesucht, gelang es ihnen immer wieder, der internationalen Strafverfolgung zu entkommen. Mit einem enormen Aufwand:
"Zuerst einmal braucht man eine Billigflagge. Also sucht man sich Länder aus wie Nordkorea oder die Mongolei und auch ein paar afrikanische Staaten. Diese Flaggenstaaten müssten die Fischboote eigentlich überprüfen. Aber ein Land wie die Mongolei besitzt überhaupt keine Schiffe zur Kontrolle. Von den Flaggenstaaten wird also im Prinzip keinerlei Kontrolle ausgeübt. Nun muss man den Fisch anlanden, vor allem in Indonesien, Malaysia und Afrika, auch Sri Lanka. Wir sind da hingereist. Die zuständigen Beamten schauen einfach weg, wenn die illegalen Fischer einen Hafen anfahren und zehn oder 20 Container Fisch entladen. Dieser Fisch wird dann von Unternehmen aus China oder Taiwan gekauft und auf den chinesischen Markt gebracht."

Eine Jagd durch Treibeis, durch Stürme und Nebelbänke

Wie die Autoren recherchiert haben, bedarf es einer eingespielten Organisation, um erst Flaggen zu besorgen, dann Hafenbeamte zu bestechen, um Fischaufkäufer zu finden, die keine Fragen stellen, und um dann die illegalen Einnahmen zu waschen.
"Wir haben herausgefunden, dass die kriminellen Organisationen, die dieses Geschäft kontrollieren, zur organisierten Kriminalität gehören. Das sind illegale Aktivitäten in industriellem Maßstab. Die Eigentümer der Fischtrawler stammen alle aus Spanien, und dort ist dafür der Begriff Galizische Mafia geprägt worden. Alle schweigen. Wir haben versucht, mit Spaniern zu reden, die auf dem Booten waren, aber die wollten nicht mit uns sprechen. Es gibt eine geschlossene Bruderschaft."
Und der Nachweis der illegalen Fischerei ist mühsam, denn oft wird illegaler Fang mit legalem gemischt. Man muss die Wilderer dabei ertappen, wie sie Netze aufwerfen und dann Fisch an Bord ziehen. Genau dies gelang dem Sea Shepherd Boot, als es endlich in der Antarktis den Fischtrawler "Thunder" gefunden hatte: Dessen Mannschaft zog gerade illegal Schwarzen Hecht aus dem Wasser.
Das Buch erzählt ausführlich von der anschließenden Jagd um den halben Globus. Es liest sich wie ein Krimi mit dramatischen Höhepunkten: der Verfolgung durch gefährliches Treibeis, von Stürmen mit sieben Meter hohen Wellen und Nebelbänken, in denen das flüchtende Schiff zu verschwinden drohte, von Beinahekollisionen, als die ‚Thunder‘ drohte, ihr Boot zu rammen. Mit immer neuen Finten versuchte das Piratenboot zu entkommen. Bis schließlich der Piratenkapitän samt Mannschaft von Bord ging: Sie wollten es zusammen mit dem illegal gefischten Atlantikdorsch versenken. Doch in einer lebensgefährlichen Aktion gelang es den Meeresschützer, aus dem sinkenden Schiff genügend Beweise für eine Anklage zu retten.

Der Piratenkapitän? Konnte entkommen

"Das große Problem ist, dass diese Verbrechen in internationalen Gewässern stattfinden, und es gibt nicht in vielen Ländern Gesetze dagegen. Spanien hat versucht, seine Gesetze zu ändern. Doch das Oberste Gericht in Madrid hat gesagt, wir besitzen dafür keine Zuständigkeit. Die Fischereibehörden können aber zumindest Geldstrafen gegen Steuerhinterziehung aussprechen und genau das machen sie auch."
Der Kapitän der "Thunder" und seine Offiziere wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, flohen aber. Gegen die spanischen Eigentümer wurden Millionenstrafen verhängt. Die minutiöse Dokumentation des Sea Shepherd Kapitäns half bei der Anklage.
Es ist ein besonders drastische Beispiel der mafiösen illegalen Fischerei auf den Weltmeeren, das die Autoren beschreiben. Ihr Buch ist leidenschaftlich engagiert und zeigt: Nur eine weltweit koordinierte Strafverfolgung kann den Fischerei-Piraten das Geschäft verderben.

Eskil Engdal und Kjetil Sater: "Fischmafia. Die Jagd nach den skrupellosen Geschäftemachern auf unseren Weltmeeren", aus dem Norwegischen Lothar Schneider, 339 Seiten, 26,95 Euro, Campus Verlag Frankfurt / New York 2017

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