"Es muss viel Mut erfordert haben"

Denis Snower im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 03.04.2009
Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Dennis Snower, hat die Vereinbarungen des G20-Gipfels als teilweisen Systemwechsel bezeichnet. Es sei ein großer Erfolg, dass sich die sehr unterschiedlichen Länder auf viele Punkte einigen konnten, sagte der Ökonom.
Jörg Degenhardt: Ein Kursfeuerwerk an den Aktienmärkten hat der Weltfinanzgipfel in London ausgelöst – immerhin und vielleicht hält die Begeisterung an den Börsen auch ein wenig länger, denn die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer hat ein üppiges Hilfspaket geschnürt, um die weltweite Finanz- und Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen. Ich greife nur wenige Punkte heraus. Bis Ende des Jahre 2010 sollen insgesamt 1000 Milliarden Dollar bereitgestellt werden, zum Beispiel um ärmeren Ländern zu helfen und den Internationalen Währungsfonds besser auszustatten, Steueroasen sollen ausgetrocknet und Bonuszahlungen für Manager gedeckelt werden. Geplant ist eine stärkere Finanzmarktaufsicht, aber neue Konjunkturprogramme, die sind nicht vorgesehen. – Am Telefon begrüße ich den Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Denis Snower. Guten Morgen, Herr Snower.

Denis Snower: Guten Morgen!

Degenhardt: Sind Sie nach dem Gipfel von London optimistisch, dass die Finanzkrise bald der Vergangenheit angehört?

Snower: Das ist zu früh gesagt. Ich glaube aber, dass der Gipfel viele relevante Themen angesprochen hat, und das sollte einen optimistischer stimmen, als man im Voraus gedacht hätte.

Degenhardt: War das ein Systemwechsel, den wir da erlebt haben, oder ist doch nur hier und da ein bisschen repariert worden?

Snower: Teils teils. Ich glaube, es gab schon einen Systemwechsel, dass die G20 – und das sind ganz unterschiedliche Länder – im Stande sind, sich doch auf viele Punkte zu einigen oder zumindest in die Richtung zu zeigen, wo etwas verändert werden muss. Das, glaube ich, ist schon ein großer Erfolg. Die Finanzregulierung muss neu gestaltet werden, die Steueroasen sind vielleicht nicht besonders wichtig für die Weltwirtschaft, aber dort sollte auch was geschehen, der Währungsfonds, dass der aufgestockt wurde, ist wichtig, und dann natürlich auch, dass der globale Handel unterstützt wird, wo er jetzt so abstürzt. Das war auch ein sehr signifikanter Punkt. Und zuletzt natürlich auch, dass man den Protektionismus bekämpfen will in einer transparenten Art und Weise. Das alles, glaube ich, zielt in die richtige Richtung. Es fehlen natürlich verschiedene Elemente.

Degenhardt: Das wäre meine Frage gewesen. Wo hätten Sie den Politikern vielleicht etwas mehr Mut gewünscht?

Snower: Wie gesagt, ich muss sagen, es muss schon viel Mut erfordert haben, so weit zu kommen, aber es fehlen gewisse wichtige Elemente. Man hätte diese Initiativen nehmen können, um das wichtige Thema "was macht man mit dem giftigen Müll, der sich in den Finanzinstitutionen angesammelt hat" anzupacken, wie geht man das an. Da gibt es Absichtserklärungen, aber aus denen, wie wir wissen, geschieht oft wenig. Und dann: Wie kann man dieses Programm vereinen mit einer verantwortlichen Politik gegenüber Klimawandel? Dieses Element fehlte auch. Und zuletzt hätte man natürlich auch die Initiative nehmen können, um die Doha-Runde wieder in Gang zu bringen, und das hat man auch versäumt.

Degenhardt: Herr Snower, gestatten Sie, wenn ich einen Punkt noch mal gesondert herausgreife, nämlich die stärkere Kontrolle der Banker. Die ist ja auch vereinbart worden. Aber glauben Sie, dass die Banker sich stärker kontrollieren lassen, dass sie sich reinreden lassen von der Politik?

Snower: Ich glaube – das habe ich nicht erwähnt, weil das vielleicht kein besonders starker Punkt war -, es wird sehr schwer sein, die Gehälter der Banker zu kontrollieren. Aber ich glaube, einfach die Einkommen zu deckeln, darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Einkommen der Banker vereinbar gemacht werden mit den Zielen ihrer Organisationen, und das waren sie bisher nicht, weil wenn es gut ging, dann bekamen die Banker fette Boni, und wenn es schlecht ging, konnten die Boni nicht mehr weniger als null betragen. Daher haben sie asymmetrische Anreize gehabt, kurzfristig Gewinne zu erzeugen, und das hat die Weltwirtschaft belastet.

Degenhardt: Ich meinte eigentlich auch die Regulierung der Finanzmärkte. Werden sich nicht die Banker dagegen wehren, wenn der Staat versucht, mehr Transparenz, mehr Aufsicht über die Finanzströme herzustellen?

Snower: Ja, natürlich, aber ich glaube, Regulierung wird es jetzt geben und was wichtig sein wird ist, dass es nicht unbedingt mehr Regulierung gibt, sondern bessere Regulierung. Das Bankensystem hat sich zu sehr verschuldet und man muss jetzt schauen, dass es Kapitalquoten gibt, so dass das nicht mehr zu Stande kommt. Außerdem waren Teile des Finanzmarktes sehr wenig reguliert, und das wird sich auch ändern. Ich glaube, wenn ein internationales Regelwerk vorhanden ist, dann können wir Hoffnung haben. Das große Problem wird natürlich sein, dass die Länder der Welt müssten sich einigen, was die Kriterien zur Risikobewertung dieser verschiedenen Vermögenswerte sind, und ob die sich einigen werden - das ist eine politische Sache und nicht eine Sache der Banker -. Das bezweifle ich sehr.

Degenhardt: Sie haben die Länder der Welt angesprochen, Herr Snower. Es gibt Stimmen, die sagen, die Probleme, vor denen wir stehen, immer noch stehen, die sind so gewaltig, die können auch nicht von 20 Staaten gelöst werden. Wären vielleicht die Vereinten Nationen der richtige Rahmen für die nächste Konferenz, die es ja geben muss?

Snower: Ja, das ist schon ein richtiger Gedanke. Es ist nur so, dass je größer das Gremium desto unwahrscheinlicher wird es, dass man zu Entscheidungen kommt. Es ist schon ein mächtiges Ding, dass diese G20-Länder zu Entscheidungen gekommen sind. Wenn man es vergrößern würde, gibt es Gefahren. Ich glaube, die Grundgefahr ist folgende: Das Weltfinanzsystem wie das Klimasystem ist ein globales System, was globale Probleme erzeugt, und die meisten Instrumente, wirtschaftspolitischen Instrumente, liegen auf nationaler Ebene. Daher ist die Politik sehr gefordert, dass man sich auf internationaler Ebene einigt, wie man Risiken behandelt und so weiter. Da ist noch sehr viel Arbeit zu machen und wenn wir diese Hürde nicht überspringen, dann könnte so eine Krise wieder geschehen.

Degenhardt: Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Denis Snower. Vielen Dank für das Gespräch.

Snower: Ich danke. Auf Wiederhören!

Das Interview mit Dennis Snower können Sie mindestens bis zum 3. September 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio