"Es ist Zeit, dass er nach Hause geht"

Laura Garavini im Gespräch mit Nana Brink · 16.02.2011
"Die Ära Berlusconi geht zu Ende", sagt Laura Garavini, Abgeordnete der italienischen demokratischen Partei, angesichts des bevorstehenden Prozesses gegen den italienischen Ministerpräsidenten. Dieser habe "ein richtiges System aufgebaut nach dem Motto, alles sei käuflich" und sich damit erpressbar gemacht.
Nana Brink: Es ist kaum zu glauben, aber jetzt muss er doch vor Gericht: Gegen den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wird wegen des Verdachts der Prostitution Minderjähriger und wegen Amtsmissbrauch ermittelt. Während tausende Tunesier auf der kleinen italienischen Insel Lampedusa stranden, versucht der Regierungschef von "Ruby" abzulenken. Seit Monaten erhitzt Berlusconi die Gemüter seiner Landsleute, weil er die minderjährige Marokkanerin Ruby angeblich für Sex bezahlt haben soll, nachdem er ihre Freilassung aus dem Gefängnis erwirkt hatte.

Am Wochenende demonstrierten Tausende vor allem italienische Frauen gegen Berlusconi, und am Telefon ist jetzt Laura Garavini, Fraktionsvorsitzende der demokratischen Partei im Anti-Mafia-Ausschuss und Abgeordnete im Europaausschuss. Einen schönen guten Morgen, Frau Garavini!

Laura Garavini: Schönen guten Morgen!

Brink: Hat Sie das Urteil der Richterin überrascht?

Garavini: Eigentlich nicht. Ich finde es normal, wenn ein Politiker, bei dem so viele Indizien vorliegen wie bei Berlusconi, zur Verantwortung gezogen wird.

Brink: Hat Berlusconi die italienische Justiz, der er ja subversive Absichten unterstellt, damit auch unterschätzt, hat er sich zu sicher gefühlt?

Garavini: Er hat ein richtiges System aufgebaut nach dem Motto, alles sei käuflich: Frauen, Politik, Abgeordnete. Aber er hat sich damit in eine gefährliche Lage gebracht: Er ist erpressbar. Ich meine, das kann nicht weitergehen. Ich würde mir natürlich wünschen, dass es uns politisch gelingt, ihn zu besiegen, aber bei dem Benehmen muss er auch ... Es ist auch nicht mehr tolerierbar: Er muss natürlich zu seiner Verantwortung gezogen werden.

Brink: Nun ist das ja lange nicht passiert, man spricht ja auch von diesem sogenannten Berlusconismus, also einem von Korruption verkrusteten Apparat von Politik und Justiz. Denken Sie, dass der jetzt damit auch aufgebrochen wird?

Garavini: Ja. Die Ära Berlusconi geht zu Ende. Es ist noch nicht klar, wie lange das dauern wird, aber er verfügt keine Mehrheit mehr, und die Demo am Sonntag hat es gezeigt: Die Mehrheit der Bevölkerung steht nicht mehr bei ihm, hinter ihm. Auch viele Mitglieder seiner Mehrheit waren auf der Straße, viele Frauen, viele Menschen, viele Bürger, die einfach sagen: Wir haben jetzt doch die Nase voll – viel Aufwachen, viele merken: Dieser Mensch missbraucht sein Amt, seine Macht. Und es ist eben: Die Ära geht doch zu Ende, es ist Zeit, dass er nach Hause geht.

Brink: Das denkt man ja schon länger, aber Sie haben es selbst gesagt: Sie hätten ihn gerne politisch erledigt. Warum ist das bislang eigentlich nicht gelungen?

Garavini: Berlusconi verfügt nach wie vor über eine gewaltige Macht. Es geht mit der Medienmacht los, der bestimmt über 95 Prozent der Medien in Italien, Fernsehsender, Zeitungen, aber er verfügt auch über eine gewaltige wirtschaftliche Macht, er ist der drittreichste Mann Italiens, und das hat man zum Beispiel am 14. Dezember gesehen, wo wir knapp daneben waren, ihn politisch zu besiegen eben im Parlament, aber er hat buchstäblich Abgeordnete gekauft. Er kann sich das eben leisten.

Und dazu muss man sagen: In Italien gibt es auch ein sehr großes katholisches Bürgertum. Bis jetzt haben sie immer die panische Angst gehabt, die Linken gehen in die Regierung, aber selbst die fangen an, jetzt bei den Skandalen zu merken: Berlusconi denkt nur an seine eigenen Interessen. Und ich bin mir sicher: Wenn wir jetzt wählen würden, würde er nicht mehr über die Mehrheit verfügen, die er eigentlich noch nie gehabt hat, also eigentlich muss man sagen, er hat nur aufgrund des Wahlrechtes – eine richtige Schweinerei wird dieses Wahlgesetz genannt –, er hat nur damit eine so starke Mehrheit, aber selbst über die verfügt er jetzt nicht mehr.

Brink: Also Sie sagen, es bedurfte dann dieser wirklich ja unappetitlichen Affäre, um ihn eigentlich moralisch zu diskreditieren und ihm die bürgerliche Mehrheit zu entziehen?

Garavini: Richtig, wobei: Es geht eigentlich weniger um die moralische Einstellung, es geht tatsächlich darum, dass die Menschen anfangen zu verstehen, dass er seine Macht einfach missbraucht, und das geht einfach nicht mehr. Und selbst seine, selbst dieses katholische konservative Lager fängt an, es zu begreifen, und es ist wichtig, dass genau von deren Seite einfach die Erkenntnis kommt, damit es uns gelingt, falls es Neuwahlen gibt, ihn zu schlagen.

Brink: Nun ist der Prozess ja für den 6. April angesetzt. Währenddessen ist ja Italien auch sehr unter Druck bezüglich des Flüchtlingsdramas auf Lampedusa. Versagt da die Regierung?

Garavini: Bis jetzt hat die Regierung Europa als Feind dargestellt, also nie als Hilfe, nie als Partner, sondern immer als das Bösartige, das für alle Fehler Italiens verantwortlich ist, das heißt, jetzt klingen die Wörter von Innenminister Maroni ziemlich schlecht, wenn er sagt: Europa soll uns helfen. Aber bei der jetzigen Lage, finde ich, brauchen wir tatsächlich die Hilfe der Europäischen Union. Die neuen Ströme, die Menschenströme, die jetzt aufgrund der politischen Lage in Nordafrika auftritt, ist in der Tat dramatisch, und die Hilfe Europas ist tatsächlich angesagt.

Brink: Nun haben Sie es selbst gesagt: Das wird das Ende der Ära Berlusconi sein. Gibt es Neuwahlen und wenn ja, wann?

Garavini: Das ist genau unsere Forderung. Es ist in der Tat notwendig, dass wir dem Land endlich mal eine neue Regierung geben, eine Regierung, die in der Lage ist, dem Land zu helfen, und das können wir nur durch Neuwahlen erreichen, und ich bin mir sicher, dass es uns gelingen wird, Berlusconi zu schlagen, auch politisch.

Brink: Also, dass Sie auch die parlamentarische Mehrheit für Neuwahlen bekommen?

Garavini: Ja. Da kann ich wetten, dass es uns gelingen wird.

Brink: Die Wette nehmen wir an. Danke schön, Laura Garavini, Fraktionsvorsitzende der demokratischen Partei im Anti-Mafia-Ausschuss und Abgeordnete im Europaausschuss des italienischen Parlaments. Schönen Dank für das Gespräch, Frau Garavini!

Garavini: Gern geschehen!
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