"Es ist leichter, es ist dünner, es ist schneller"

Wolf-Christian Ulrich im Gespräch mit Nana Brink · 13.09.2012
Das iPhone 5 sei kein neuer Coup des Unternehmens, sagt Wolf-Christian Ulrich, Autor der ZDF-Dokumentation "Think different! Mythos Apple". Vielmehr handele es sich bei dem neuen Smartphone des Unternehmens um eine konsequente Weiterentwicklung bestehender Technologie.
Nana Brink: Es gibt Dinge, über die kann man nicht diskutieren, oder besser gesagt, man läuft Gefahr, es mit totalen Fans oder totalen Kritikern zu tun zu haben. Bayern München ist so ein Fall, oder Apple. Die Computerfirma oder besser gesagt der Weltkonzern mit dem kleinen Apfel hat glühende Anhänger, die schwören, ohne einen Apple gehe die Computerwelt unter, und die Gegenseite behauptet das genaue Gegenteil, ohne den Apfelwahn wäre die Welt ein bisschen vielfältiger. Neuen Stoff haben diese ganzen Debatten natürlich gestern bekommen, als das neue iPhone 5 vorgestellt worden ist. Am Telefon ist jetzt der absolute Fachmann: Wolf Christian Ulrich, Autor einer Apple-Dokumentation für das ZDF, "Think different! Mythos Apple". Schönen guten Morgen, Herr Ulrich!

Wolf Christian Ulrich: Schönen guten Morgen!

Brink: Ist denn das iPhone 5, die nächste Generation, ein neuer Coup?

Ulrich: Ich würde es, glaube ich, nicht als neuen Coup bezeichnen, aber vielleicht als konsequente Weiterentwicklung dessen, was es bisher gab, und ich glaube, Apple hat ja gestern auch gesagt, es ist das beste iPhone, das es je gab, und schön, dass sie das selber von sich behaupten können.

Brink: Tun sie doch eigentlich immer, oder?

Ulrich: Es wäre blöd, wenn sie es nicht tun würden. – Wenn man es sich anguckt: Es ist komplett aus Glas und Aluminium. Wenn Sie die Konkurrenz angucken, dann ist ja so ein Galaxy S III, glaube ich, aus Polycarbonat, das ist ein hochwertiger Kunststoff. Das heißt, Sie haben ein Gerät, das diesen Apple-Standard von Qualität zumindest weiterzieht. Es ist leichter, es ist dünner, es ist schneller als das 4S, die Akku-Laufzeiten sollen lang sein, neun Tage, wenn man es nicht benutzt, acht Stunden, wenn man damit spricht. Da kann man sich nun aussuchen, was man besser findet.

Brink: Einfach nur liegen lassen als Schmuckstück, ohne wirklich damit zu telefonieren.

Ulrich: Dann gibt es eine neue Karten-App mit 3D-Modus, das ist natürlich schick, Siri ein bisschen weiterentwickelt, wahrscheinlich nicht revolutionär, aber immerhin konsequent weitergedacht. Ich glaube, so kann man sagen.

Brink: Also das Sprachprogramm Siri, was auf dem jetzigen iPhone 4 drauf ist?

Ulrich: Genau.

Brink: Dann kommen wir doch zu diesem Mythos. Wir haben uns ja auch schon jetzt ein bisschen darüber unterhalten: iPhone, diese Wahnsinnseuphorie. Der Marketingchef sagt, das ist das Beste, was wir je gemacht haben. "Think different!", haben Sie gesagt, "Mythos Apple". Kann man diesen Mythos irgendwie auf einen Nenner bringen? Schwer, oder?

Ulrich: Ich weiß nicht. Man muss, um das zu verstehen, ein bisschen zurückgucken: 1984, als der Mac auf den Markt kam und sich so richtig gegen Microsoft durchgesetzt hat. Und dieser Werbespot – ich weiß nicht, ob Sie den vielleicht noch vor Augen haben -, so ein Ding, das hat man einmal gesehen und vergisst man dann nicht, wo so ein junges Mädchen in eine riesige Masse grauer Gestalten reinkommt, dann einen riesigen Hammer in einen Bildschirm reinschmeißt und auf dem Bildschirm war eine 1984-mäßige Stimme oder so ein Gesicht zu sehen und das sollte das böse IBM darstellen, wo alle grau sind und gleich sind, und dann kommt so ein ganz kreativer Verein mit Apple und bietet ein Produkt, das überhaupt nicht so angepasst ist, sondern das anders denkt und das vom User her denkt. Das war so ein bisschen der Mythos, der da gemacht werden sollte.

Man kann den Mythos heute immer noch finden. Wenn Sie die Programmankündigung gesehen haben zur Keynote gestern: Es gab ja wahnsinnig viele Gerüchte, wie immer große Geheimhaltung um das, was eigentlich alle schon mehr oder weniger wussten, nämlich dass das iPhone 5 kommt. Da war eine 12 für den 12. September und dann im Schatten eine 5, da wurde etwas angedeutet. Normalerweise würde man ja, weiß ich nicht, eine Pressemeldung herausgeben und sagen, hey, wir stellen morgen das iPhone 5 vor. Nein, da wird ein Riesengeheimnis drum gemacht. Auch das ist wahnsinnig wichtig beim Marketing.

Die Qualität haben wir eben schon angesprochen, dass da also ein Konzern sich hinsetzt und Geld ausgibt für Qualität und vor allen Dingen für Design. Der ehemalige Chefdesigner Esslinger hat gesagt, das hat er gesagt zu mir im Film, Apple ist ein sexy Mädchen, energetisch und cool. Und wenn man das über eine Marke sagen kann, dann, glaube ich, gibt einem das so ein bisschen Gefühl dafür, wo dieser Mythos vielleicht herkommt.

Brink: Apple ist ja laut Börsenwert zumindest das wertvollste Unternehmen. Auf der anderen Seite sprechen Kritiker aber auch von Ausbeutung und Unterdrückung bei der Herstellung der Produkte. Was ist Ihren Recherchen zufolge an diesem Vorwurf dran?

Ulrich: Ja das ist kein Problem, das nur Apple hat, sondern das alle haben. Und das betrifft uns natürlich auch als Konsumenten. Jeder, der von uns ein Mobiltelefon oder ein Tablet oder ein Smartphone oder wie auch immer kauft, hat es mit Arbeitsbedingungen zu tun, die wir in Deutschland sicherlich nicht haben möchten. Das liegt daran, dass diese ganzen Geräte in China und Taiwan produziert werden, von Auftragsherstellern wie Foxconn, und die arbeiten alle mit denselben Arbeitsbedingungen und da geht es darum, möglichst viel Geld zu verdienen und das zu Konditionen, die mindestens problematisch sind.

Und wir Konsumenten haben da natürlich ein Problem. Einerseits sind wir vielleicht politisch interessierte Bürger, die das sehr, sehr kritisch sehen, andererseits sind wir politisch sehr unkorrekte Konsumenten, weil wir nämlich diese Geräte auch alle haben wollen und kaufen. Apple hat mitbekommen, dass die Leute das interessiert, sie sind dabei, da Kontrollen durchzuführen und zu versuchen, da besser zu werden, aber man kann natürlich eigentlich wesentlich mehr tun. Aber wie gesagt, das ist ein Vorwurf, den muss man im Grunde dann auch allen Herstellern machen und sich fragen, wenn wir das Gerät kaufen, dann sind wir natürlich Teil dieser ganzen Geschichte.

Brink: Apropos Kunde. Haben Sie schon das neue iPhone 5 bestellt?

Ulrich: Nein. Ich muss zugeben: ich habe noch dieses olle 3GS, dieses runde Teil, und ich kann mich fast gar nicht trennen, obwohl es schon so abgegrabbelt aussieht.

Brink: Wolf Christian Ulrich, Autor einer Apple-Dokumentation für das ZDF, "Think different! Mythos Apple", und wir haben über die Vorstellung des neuen iPhone 5 gesprochen. Schönen Dank für das Gespräch.

Ulrich: Gerne – tschüß!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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