"Es ging nicht darum, Dinge zurückzuhalten"

Stephan Ackermann im Gespräch mit Gabi Wuttke · 09.01.2013
Die katholische Kirche stoppt die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann macht dafür das zerstörte Vertrauensverhältnis zu dem Kriminologen Christian Pfeiffer verantwortlich.
Gabi Wuttke: Die katholische Kirche und die Aufklärung des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen - das wurde 2011 versprochen. Jetzt ist der Vertrag mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen für eines der wichtigsten Aufklärungsprojekte gekündigt worden. Im Deutschlandfunk sagte KFN-Direktor Christian Pfeiffer:

O-Ton Christian Pfeiffer: "Es fehlte plötzlich das Vertrauen, dass die Dinge dann öffentlich auch präsentabel sind. Man ist ja dann schon bei den Vorarbeiten sich klar geworden, wie gründlich wir vorgehen werden, als wir probeweise Aktenanalysen gemacht haben, als wir die detaillierten Datenerfassungsbögen der Kirche vorgestellt haben, und da wurde dann in den Beratungssitzungen des Beirats klar, als der Vertreter der Münchener Diözese dann sagte, es reicht nicht aus, dass wir hier nur beraten dürfen, wir müssen die Kontrolle über alles haben, da hat die Kirche den Kurs verlassen, der klar und gut vereinbart worden war, und ab da war es für uns nicht mehr machbar, mitzuspielen."

Wuttke: Christian Pfeiffer, der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Seit der sexuelle Missbrauch durch Kleriker bekannt wurde, hat die katholische Kirche einen Missbrauchsbeauftragten, Bischof Stephan Ackermann, der versprochen hat, der Wahrheit mit Hilfe unabhängiger Experten auf die Spur zu kommen. Wir erreichen ihn heute Morgen in Israel - einen schönen guten Morgen!

Stephan Ackermann: Ja, guten Morgen, Frau Wuttke.

Wuttke: Warum ist der Vertrag mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen heute mit sofortiger Wirkung aufgekündigt worden?

Ackermann: Ja, weil es in der Tat so ist, dass das Vertrauensverhältnis, das notwendig bestehen muss für ein solch groß angelegtes, ambitioniertes und gleichzeitig auch sensibles Projekt, mit Professor Pfeiffer nicht mehr gegeben war. Ich muss allerdings ihm widersprechen, wenn er sagt, dass wir versucht haben, da die totale Kontrolle auszuüben, aber es braucht sozusagen Vereinbarungen – es ging ja um sehr auch sensible Fragen von Datenschutz, von Persönlichkeitsrechten -, dass man schaut, wie kriegen wir gut natürlich die wissenschaftliche Freiheit und auch den Schutz von Personen, wie bekommen wir das gut miteinander abgestimmt. Und da haben wir uns lange, lange darum bemüht und das ist leider gescheitert, das muss ich so sagen.

Wuttke: Wenn aber Kontrolle und Datenschutz nicht das Problem waren, was genau hat das Vertrauen denn zerstört?

Ackermann: Es war so, dass sich bei der näheren Ausgestaltung des Projektes gezeigt hat, dass es in der Tat viele Detailfragen zu klären gibt. Das ist ja irgendwie auch ein einzigartiges Projekt. Es gab etwas Ähnliches schon in den Vereinigten Staaten. Aber für uns in dieser groß angelegten Weise auch einer Institution gibt es ja nichts vergleichbares, und da muss ich leider sagen, dass Professor Pfeiffer zwischendurch auch immer wieder Absprachen, die wir getroffen hatten, dann uminterpretiert hat, dass wir leider nicht, dass er Signale gesetzt hat, die irgendwie auch uns befürchten lassen mussten, dass er Dinge öffentlich macht, ohne dass wir jetzt gut damit im Gespräch sind und wirklich schauen, wie, wenn es zum Beispiel abweichende Voten gibt in der Interpretation, kann man beides gut gleichzeitig darstellen. Darum ging es uns.

Es ging nicht darum, Dinge zurückzuhalten. Wir haben ja zum Beispiel auch ein anderes Forschungsprojekt bereits durchführen lassen um Professor Leygraf, da gab es überhaupt keine Probleme, und die Ergebnisse, die vor kurzem ja vorgestellt worden sind, sind ja auch nicht schmeichelhaft, sind auch schmerzlich. Also davor haben wir keine Angst.

Wuttke: Bleiben wir aber mal beim Fall Christian Pfeiffer. Im Vertragsentwurf vom Mai 2011, ist heute in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen, heißt es: Können sich der VDD, also der Verband der Diözesen Deutschlands, und das KFN nicht über Art und Umfang der Veröffentlichung einigen, unterbleiben diese. Ist das keine Kontrolle unabhängiger Experten?

Ackermann: Nein. Also man kann natürlich jetzt nicht gehen auf bestimmte Entwürfe, die zwischendurch mal gemacht worden sind. Es ist in der Tat so: Wir waren dabei, den ursprünglichen Vertrag fortzuschreiben, zu präzisieren, und natürlich gab es dadurch, dass das Vertrauen sich aufzulösen begann, dann verschiedene Versuche, sozusagen das auch irgendwie abzusichern. Und insofern kann es Formulierungen geben, wo man sagt, ist das nicht sozusagen ein Versuch, Macht oder Kontrolle auszuüben.

Aber wir waren jetzt eigentlich in den letzten Wochen so weit, von beiden Seiten – das hat mir Professor Pfeiffer auch bestätigt -, wir werden einen guten Weg finden, der wirklich für beide Partner auch gut gangbar ist – wie gesagt: natürlich wissenschaftliche Freiheit und sozusagen auch jetzt von unserer, von institutioneller Seite aus, dass wir, gerade wenn es um Veröffentlichung geht, auch unsere Interessen mit anbringen können. Das kam nicht zu Stande, das wurde von ihm aufgekündigt.

Wuttke: In der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz heißt es, dass allen Bischöfen das Vertrauen zu Christian Pfeiffer fehlt. Das wiederum war bislang nicht bekannt, denn hervorgetreten ist vor allem das Netzwerk katholischer Priester.

Ackermann: Ja, es ist schon so, dass es innerhalb der Kirche Gruppen gab wie dieses Netzwerk, die von Anfang an Bedenken angemeldet haben, die auch zum Teil berechtigte Bedenken haben. Wir haben auch gesagt, weil das wie gesagt ein Projekt ist, das ganz sozusagen auch neu ist, wir auch Neuland betreten damit, ...

Wuttke: Das heißt also, es gibt Bischöfe, die Vertrauen weiterhin zu Christian Pfeiffer haben?

Ackermann: Nein. Man muss jetzt insgesamt sagen, dass das Vertrauen von Seiten der Bischofskonferenz zerstört ist. Das habe ich ja mit den Mitbrüdern in der Bischofskonferenz besprochen. Es ist nicht so, dass man sagt, das sind jetzt Bischöfe, die weiter Vertrauen haben.

Was wir wollen und was sozusagen der ausgesprochene Wille der Bischöfe ist: Wir wollen ein ähnliches Projekt und wir werden uns auch nach einem Projektpartner umschauen. Also deshalb kann man nicht sagen, wir würden einen Rückzieher machen, was die Aufarbeitung angeht. Da bleiben wir dabei, das halten wir nach wie vor für wichtig, auch in dieser Weise systematisch Licht ins Dunkel zu bringen.

Wuttke: Die Deutsche Bischofskonferenz wechselt zur Aufklärung der Missbrauchsfälle den Vertragspartner für ein sehr wichtiges Projekt - dazu im Deutschlandradio Kultur der Missbrauchsbeauftragte Bischof Stephan Ackermann. Besten Dank!

Ackermann: Ich danke auch, Frau Wuttke.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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