Erstmalige Aufzeichnung von Gravitationswellen

"Eine große Ära hat begonnen"

HANDOUT - Numerisch-relativistische Simulation zweier einander umkreisender und verschmelzender Neutronensterne. Dargestellt ist das bei der Verschmelzung der beiden Neutronensterne entstandene schwarze Loch und die es umgebende Aggregationsscheibe. Höhere Dichten sind rot dargestellt, geringere Dichten sind gelb dargestellt. Foto: |
HANDOUT - Numerisch-relativistische Simulation zweier einander umkreisender und verschmelzender Neutronensterne. © dpa /Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik / T. Dietrich
Dirk Lorenzen im Gespräch mit Nicole Dittmer und Axel Rahmlow · 16.10.2017
Wir alle verursachen zwar Gravitationswellen, aufgezeichnet werden konnten sie nun aber erstmals nach der Verschmelzung zweier Neutronensterne. Das eröffne der Astronomie ganz neue Möglichkeiten, erklärt Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen: Der Blick zurück bis zum Urknall rücke näher.
Gravitationswellen beschrieb bereits Albert Einstein in seiner Relativitätstheorie. Doch erst Anfang 2016 konnten sie tatsächlich nachgewiesen werden. Die Forscher, denen das gelang, bekamen dafür gerade erst den Nobelpreis zugesprochen. Am heutigen Montag wurde nun bekannt gegeben, dass Astronomen erstmals Gravitationswellen aufgezeichnet haben, die von der Kollision zweier Neutronensterne stammen. Ebenfalls zum ersten Mal konnten die Folgen eines solchen Ereignisses beobachtet werden.
Neutronensterne seien sozusagen Sternleichen, erklärt Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen. Bei ihrer Verschmelzung habe es ein "richtiges Feuerwerk" gegeben. Es sei sehr viel Strahlung und Licht ausgesandt worden. Gleichzeitig seien Gravitationswellen ausgesandt worden. Damit habe man erstmals ein Ereignis, dass man sowohl durch Gravitationswellen als auch mit "normalen" Teleskopen beobachtet hatte.

"Alles minimal gestaucht und gedehnt"

Gravitationswellen plastisch vorstellen könne sich wohl niemand, meint Lorenzen. Man wisse lediglich, dass sie entstehen, sobald Materie beschleunigt wird. "Auch wenn wir irgendwo entlanglaufen, senden wir Gravitationswellen aus." Nachweisen könne man sie aber nur, wenn es um kompakte, massereiche Körper geht, wie etwa Schwarze Löcher oder Neutronensterne.
Das Messprinzip sei simpel. "Wenn so eine Gravitationswelle über die Erde hinweggeht, dann heißt das einfach: Da wird alles minimal gestaucht und gedehnt." An der eigenen Umgebung könne man das nicht ablesen. Forscher könnten das mit vier Kilometer langen Messarmen nachweisen, die dann ein bisschen vibrieren. Daraus könne man ableiten: "Was für ein Objekt hat die verursacht, wie schwer ist es und wie weit ist es entfernt."

Fast bis zum Urknall zurückschauen

Durch die gleichzeitige Beobachtung der Verschmelzung der Neutronensterne durch Gravitationswellen sowie einen Blitz in einer sehr energiereichen Strahlung wüssten die Astronomen, dass sie mit Hilfe der Gravitationswellen einen ganz neuen Blick ins All werfen können, so Lorenzen. Denn anders als etwa bei einer Explosion, die beispielsweise von einer Gas- und Staubwolke verdeckt werden könne, könnten Gravitationswellen von nichts aufgehalten werden. Mit den Gravitationsmessgeräten - praktisch ganz neue Teleskope - hätten die Astronomen ein neues Gerät, mit dem sie ins All schauen können.
Die Verschmelzung der Neutronensterne sei allerdings bereits eine Weile her: Sie sei vor 130 Millionen Jahren passiert, in einer 130 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie, sagt Lorenzen. Gemessen wurde das Ereignis am 17. August, nun wurde es präsentiert.
Als nächsten Schritt wolle die Europäische Raumfahrtorganisation ESA etwa im Jahr 2032 mit Raumsonden eine riesige Gravitationswellen-Messanlage im All installieren. Damit könne man dann "fast zurückgucken bis zum Urknall". Denn auch davon liefen noch Gravitationswellen durch das All. "Da ist wirklich ein ganz große Ära, die auf die Astronomen wartet, und die heute begonnen hat."
(abr)
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