Erste Tour nach Tod des Sohnes

Fans feiern Nick Cave wie einen Messias

Der australische Sänger Nick Cave mit seiner Band "Nick Cave and the Bad Seeds" 2013 während eines Konzerts in Wien
Archivaufnahme eines Konzertes von Nick Cave. In Frankfurt a.M. spielte er auch 80er-Hits wie "Tupelo" und "From Her To Eternity". © picture alliance / dpa / Herbert P. Oczeret
Von Klaus Walter · 07.10.2017
Auf seinem aktuellen Album "Skeleton Tree" verarbeitet Nick Cave den Tod seines 15-jährigen Sohnes. Kein Wunder, dass der Auftakt der Deutschland-Tour in der Frankfurter Jahrhunderthalle auch schmerzvolle Momente hatte. Allerdings hätte dem Konzert etwas weniger Pathos gut getan.
Zum Auftakt seiner Deutschlandtour gastierten Nick Cave & The Bad Seeds in der ausverkauften Jahrhunderthalle zu Frankfurt. Oder besser: Nick Cave hielt Hof. Und so war's:
Seine Band – sechs ältere Herren in ihren Fünfzigern, dunkle Anzüge, stoische Disziplin – bingt in der zweiten Reihe wie eine gut geölte Maschine die PS auf die Bühne, davon hat sie reichlich. Cave selbst sucht am Bühnenrand vom ersten Moment an den Kontakt zu seinen Fans – und findet ihn. Hunderte von Hände gehen in die Luft, wie ein Schlangenbeschwörer ergreift er sie, läßt sie seinen Herzschlag fühlen und gleitet über die Köpfe seiner Anhänger – Stagediving Ü 60.

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Am Ende versammelte der Messias seine Jünger auf der Bühne um sich, sie sitzen auf dem Boden und schauen entrückt zu ihm auf. In den Songs des Nick Cave ist von jeher viel von Gott, Jesus und dem Glauben die Rede, seine Show gleicht einer Liturgie.
Für Agnostiker gilt an diesem Abend: Je weiter weg vom Bühnenrand Cave sich bewegt – oder gar mal am Piano zur Ruhe kommt - desto besser. Wir erleben eine Zeitreise. Nach den brodelnden Melodramen aus den Achtzigern, "Tupelo", "From Her To Eternity", beruhigt sich die Szene mit den Breitwandballaden der mittleren Jahre – bei "Into my Arms" übernehmen die Jünger im Publikum den Gesang. Dann kommen die Bad Seeds zum Höhepunkt: "The Mercy Seat", Auge um Auge, Zahn um Zahn, der infernalische Monolog eines Unglückseligen in der Todeszelle.

Den tödlichen Sturz seines 15-jährigen Sohnes Arthur von einer Klippe an Englands Südküste verarbeitete Cave auf seinem letzten Album "Skeleton Tree", bei diesen Songs wird es andächtig im Saal.
Der routinierte Zeremonienmeister Cave exerziert die Rituale des Rockonzerts durch, manche sind schon ein bisschen ranzig wie der Altmännerschweiß da oben. Dann wieder kommt ein Hauch von Ironie in Caves Gesicht durch. Was mache ich hier eigentlich? Nick Cave weiß, was er tut.
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